Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg – und danach. Kurt Krüger - Herausgeber Jürgen Ruszkowski
Читать онлайн книгу.Arbeit geworden, diese Ereignisse und Daten wieder zusammen zu bringen.
Dadurch, dass ich jetzt alles aufschrieb, ist es abgehakt und kann aus meinem Gedächtnis verschwinden. Es ist jetzt eine abgeschlossene Sache! Ja, die Daten? Ich bin ein Mensch, der alles notiert, auch als es verboten war. Ich habe einen Kalender von 1945 und ein kleines Notizbuch, darin sind auch die ersten Englisch-Lernstunden, sowie einen Bleistiftstummel von 5 cm Länge in die Gefangenschaft retten können. Das war in meiner rechten Tasche, die linke hatten sie mir ja abgerissen. Diese Sachen besitze ich heute noch. So war es ein Leichtes, alle richtigen Daten anzugeben. Ja so einfach ist es, man muss nur früh damit anfangen.
Das war also der Anlass, meine traumatischen Erlebnisse der Jugend aufzuschreiben. Die Zeitzeugen sterben langsam aus. Daher möchte ich die Nachfolgegenerationen darüber informieren, was damals möglich war und heute kaum noch vorstellbar ist.
Es wird ja in der von Herrn Reemstma organisierten Wehrmachts-Ausstellung behauptet, wir wären als deutsche Soldaten nur plündernd, mordend, vergewaltigend durch die Gegend gezogen. Die Tatsachen meines Lebens: Vom 25. April 1941 bis zum 22. November 1946 stand ich unter militärischen Gesetzen: Anordnungen, Befehle, Gehorsam. Wir hatten uns immer ordentlich zu benehmen. Das hieß, höflich, aber korrekt alle Anweisungen aus zuführen. Im Ausland hatten wir freie Fahrten und kostenlosen Kinobesuch. Für Diebstahl gab es harte Strafen bis hin zum Straflager. Für Plünderungen drohten Todesstrafe oder Straflager. Solche Ausschreitungen sind bei uns nie vorgekommen. Auf Feigheit vor dem Feind stand die Todesstrafe. Für Fahnenflucht gab es Todesstrafe oder Straflager. Fahnenflucht ist bei uns zweimal geschehen: Bei der Seefahrt kehrte im April 1942 in Bergen ein Heizer vom Landgang nicht zurück. Er hatte einen riesigen "Dödel" und fand daher keine Frau, die bei ihm blieb. Da hatte er in Bergen die richtige gefunden, was er uns Tage vorher erzählt hatte. Dann ist er mit ihr nach Schweden desertiert und wurde nicht gefasst! - Fall Nr. 2: Ein Kamerad ist während eines Spähtrupps zu den Amerikanern übergelaufen, was einem anderen Kameraden das Leben kostete. Auf der einen Seite konnte ich ihn verstehen. Er war Elsässer, und am 12. Februar 1945 waren wir auf dem Rückzug. Es war immer meine größte Angst, wenn wir sie erwischt hätte, müssten wir sie selber erschießen. Das ist mir zum Glück erspart geblieben.
Wir übten immer Fairness gegenüber Gefangenen, sie wurden korrekt nach Waffen untersuchen, privates Eigentum durfte nicht abgenommen werden. Ich erlebte circa 250 Gefangennahmen indirekt, 12 direkt von Angesicht zu Angesicht. Bei meiner eigenen Gefangennahme dachte ich: Bist du jetzt auf einem anderen Stern? Bespucken, Arschtritte, Uhr weg, Abzeichen abreißen, Scheinhinrichtung, drei Tage ohne Verpflegung und ohne Trinken, alles in den Dreck treten. So etwas hatte es bei uns nie gegeben.
Bei Durchsuchungen von Wohnungen durften wir keine Unordnung machen. Wenn wir verlassene Wohnungen fanden, haben wir mal in den Betten geschlafen, diese aber dann ordentlich verlassen. Ich war in einer Sturm-Kompanie das heißt, immer als einer der Ersten am Gegner. So weiß ich was ich schreibe, was woanders geschah, kann ich nicht wissen. Von Vergewaltigungen habe ich nie etwas gehört. In meiner Dienstzeit war ich in folgenden Ländern: Finnland, Schweden, Norwegen, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Spanien. Überall war es möglich, in Freundschaft Frauen kennen zu lernen.
Unser Hauptmann Zirkel war streng aber gerecht. Ich hätte noch 3 Tage Bau abzusitzen. Meine Tat: Ich hatte mich wegen Übermüdung auf einen Munitions-Karren gelegt.
Warum ich das noch alles aufschreibe? Es geschieht auch aus ganz großer Dankbarkeit und im Gedenken an alle lieben, hilfsbereiten Menschen. Wenn man diese furchtbaren Zeiten nur mit „Gottes Hilfe“ überstanden hat, ist man froh und glücklich!
Alle Schilderungen sind hautnah und selbst erlebt, keine „Zweite-Hand-Geschichten“ oder vom „Hörensagen“! Ich hoffe, dass meine Geschichte etwas gegen das „Vergessen“ bewirkt und der jüngeren Generation eine Einsicht in die Situation der Kriegs- und Nachkriegsgeneration gibt. Es gab während meiner Arbeit an diesem Bericht viele Versprechungen, mir zu helfen und diese Erinnerungen weiter zu vermitteln, aber leider dachten die meisten dabei nur an ihren Verdienst und so sagte ich: „Nein, Danke!“ Mein großer und herzlicher Dank gilt aber all den aufrichtigen Helfern! Vor allem danke ich meiner lieben Betty, denn sie hat mich in den schwierigen Jahren nach dem Kriege moralisch und körperlich immer wieder total aufgerichtet. Sie hat immer eisern zu mir gehalten.
Kurt Krüger
Die Wurzeln – Kindheit
Eine kleine Stadt in Polen, Isabelav, war die Geburtsstadt meines Vaters. Die Hälfte der Einwohner waren Deutsche, ein Viertel Juden und der Rest Polen. Das Gebiet gehörte damals zu Russland. Fast alle Bewohner waren Weber, Heimweber, in jedem Haushalt gab es zwei bis drei Webstühle, jedes Kind musste von klein an mitarbeiten, Schulpflicht gab es nicht.
Mein Großvater, Gustav Krüger, geboren am 15. Januar 1863 war der Patriarch. Er besaß eine höhere Schulbildung. So wurden die Kinder nach der Arbeit unterrichtet. Mein Vater, geboren am 8. März 1895, hatte dadurch ein gutes Allgemeinwissen erlangt. Als Hauptlesestoff galt die Bibel, so waren alle sehr religiös eingestellt.
Großmutter
Muter und Schwester
1915 wurde das Gebiet von Deutschland besetzt, mein Vater siedelte nach Schlesien um, um dort bessere Arbeit zu finden. Er landete auf einem Gut, war dort auch zufrieden und konnte sogar für den Unterhalt der Familie beitragen. Dann kam das Allerheiligen-Fest, die Gegend war rein katholisch und meine Leute waren Baptisten. Mein Vater sollte jetzt an dem Feiertag arbeiten und fragte warum? „Na Ihr habt doch keine Heiligen“, war die Antwort. Das war für meinen Vater schon Grund genug, weiter zu ziehen. So landete er in Königsberg in Ostpreußen, da war eine Verteilungsstelle für Einwanderer, er wurde eingebürgert und kam nach Langheim auf ein großes Gut.
Meine Mutter, Antonie Sameit, war am 2. Mai 1896 in Königsberg geboren. Dort hatte mein Vater sie kennen gelernt, am 8. November 1924 hatten sie in Königsberg geheiratet.
In Langheim erhielten sie eine Wohnung und mein Vater eine Arbeit als Gespannführer, was auf dem Lande schon eine gehobene Stellung bedeutete. So waren sie gut versorgt: Die ganze Familie hatte sich in Langheim eingefunden, alle wurden auf dem Hof beschäftigt. Im Laufe der Zeit, entwickelte sich eine neue Technik: Der Dampfpflug wurde entwickelt. Auf jeder Seite vom Acker stand eine Dampfmaschine. Mit großen Seiltrommeln wurde ein gesteuerter Pflug mit sechs bis acht Scharren an Seilen gezogen. Einmal zog die eine Maschine, dann die andere, so wurde der Pflug über den Acker bewegt. Mein Vater war der Pfluglenker. Durch die gewaltige Kraft kam es vor, dass die Seile rissen.
Vater mit Schwester
Dann musste mein Vater diese spleißen, eine harte Arbeit bei Regen und schlechtem Wetter. Egal, das Pflügen musste weiter gehen. So blieb es nicht aus, dass im Laufe der Zeit die Knochen nicht mehr mitspielten. Am 26. Oktober 1925 wurde ich geboren. Die Knie meines Vaters wurden immer steifer, Gliedwasser in beiden Knien, er konnte sie nicht mehr biegen. So war er 1927 arbeitsunfähig und galt als Invalide. Wir mussten dann das Gut verlassen, Langheim hatte viele Außenstellen, die so genannten Vorwerke, denn die Felder waren riesig.
Wir wurden nach Kätzels versetzt, fünf Kilometer von Langheim entfernt. Da gab es hauptsächlich Viehwirtschaft. Mein Vater wurde als Schäfer eingesetzt.
So hatte auch ich später das Vergnügen, nach der Schule als Schäfer tätig zu sein. Es waren auch schöne Stunden, mit dem Hund über die Felder zu toben oder in der Sonne zu liegen, aber woanders zu spielen war nicht drin. Am 27. August 1930 wurde meine Schwester