HORIZONTE ÖFFNEN. Markus Orians

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HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians


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weil Re-gierungsbeamte und die Polizei genauso wie viele andere Menschen in diesen Sklavenhandel verwickelt sind. Zynisch könnte man sagen, der Sklavenhandel hat viele Menschen aus der Arbeitslosigkeit herausgeführt.

      Doch der noch größere Skandal sind die Firmen vor allem Nestle, eine Weltfirma, die seit über 50 Jahren Geschäfte mit der Elfenbeinküste macht und dabei einen Umsatz von 70 Milliarden Euro im Jahr hat. Der Farmer bekommt für 1kg Kakaobohnen, aus denen dann 40 Schokoladentafeln hergestellt werden, einen Euro. Und Nestle und die anderen Firmen dulden den Sklavenhandel noch immer.

      So mancher wird sich schon gewundert haben, wie billig bei uns T-Shirts oder Kleider z.B. aus Indien sind. Die Antwort ist für alle schmerzhaft, die noch ein soziales Gewissen haben. In Südindien gibt es mehrere Städte, die hauptsächlich aus Textilfabriken bestehen. Tyrapur ist eine solche Stadt mit etwa 500 000 Einwohnern. Zu den Fabriken gehört eine Art Lager, Haus an Haus. In jedem Raum sind zumeist 7 Mädchen eingesperrt. Sie schlafen auf dem nackten Boden und bekommen ungenügend zu essen. Auch dürfen sie das Fabrikgelände nur mit männlichen Aufpassern verlassen und mit niemandem außerhalb dem Fabrikge-lände sprechen. Die Mädchen sind in der Regel jünger als 18 Jahre. Das Verbot mit der Kinderarbeit wird mit ärzlichem Attest umgangen. Die Eltern der Mädchen haben einen sogenannten „Sumangali Vertrag unterschrieben. Dieser Vertrag besagt, dass das Mädchen zwischen drei und vier Jahren in der Fabrik arbeiten muss. Pro Tag bekommt es 65 Cent und einmal im Monat ein Taschengeld für ein Euro. Am Ende dieser drei Jahre soll das Mädchen dann 1300 Euro bekommen. Wird es krank, muss es trotzdem arbeiten. Ein Arzt gibt es nicht. Zwischen 12- 16 Stunden 6X die Woche. Wenn ein Mädchen das tägliche Soll nicht schafft, wird es geschlagen und beschimpft. Alles durch Männer. Kann es nicht mehr arbeiten, was oft vorkommt, weil die Arbeitsumstände katastrophal sind, wird es einfach ohne Geld auf die Straße gesetzt. Das dortige Krankenhaus bestätigte, dass im Schnitt jeden Tag ein Mädchen, meistens mit Gift oder auch mit Selbstanzünden einen Selbstmordversuch unternimmt. Im Jahre 2011 hat es 800 Selbstmorde gegeben. Ein Kamerateam des ZDF versuchte in das Lager zu kommen. Fast alle Filmaufnahmen wurden mit ver-steckter Kamera gemacht. Sie durften mit keinem der Mädchen, die hinter einem dreifachen Stacheldraht eingesperrt sind, sprechen. Es gibt kaum ein Mode-Label, das aus Südindien keine Textilien bezieht. Ob H&M oder C&A, Tom Taylor oder die spanische Firma Zara. Sie wissen alle um diese kaum zu beschreiben-den Zustände, dass Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren als Sklavinnen auf Zeit arbeiten. Es sollen etwa 120 000 Mädchen sein. Alle Firmen sagen, dass sie soziale Standards mit diesen Textilfirmen vereinbart hätten. (ZDF Zoom, online, 29. März 2012). Wer trägt für diese Verbrechen die Verantwortung? Die indischen Textilfirmen, die indische Regierung, die europäischen oder amerika-nischen Firmen, an die der Stoff und die Kleider verkauft werden, oder wir die Verbraucher, die so billig wie möglich einkaufen wollen?? Wer könnte dieses Leid beenden? Warum tut es bisher niemand? Terres de Hommes kennt diese Zustän-de schon lange und hat spätestens 2007 die Mode Labels informiert.

      Diese Dokumentationen zeigen eine der schlimmsten Auswirkungen des Kapita-lismus, der Globalisierung. Die andere Seite der Freiheit. Die Freiheit des Neo-Liberalismus. Eine Freiheit, die zur Sklaverei auch in sogenannten Demokratien führen kann!

      Die Auswirkungen der Globalisierung zeigen sich gerade bei den Lebensmitteln. 30 Supermarktketten kontrollieren ein Drittel des gesamten Lebensmittelhandels. 350 Menschen besitzen die Hälfte des gesamten Reichtums auf der Welt, während ein Großteil der Menschen mit 2 Euro am Tag auskommen müssen. 1960 verdiente ein Unternehmenschef das 40fache seiner Angestellten, heute hat er durchschnittlich 531 Mal so viel. Die 100 größten Volkswirtschaften sind nicht die 100 größten Länder, sondern nur 48 Länder befinden sich darunter. 52 davon sind Großkonzerne. Von 65 000 internationalen Konzernen mit ihren 850 000 Tochterfirmen nehmen zwischen 2000 3000 Firmen an selbstverpflichtenden sozialökonomischen „Mindeststandards“ teil. Das ist zwischen 3 und 4 Prozent. Seit der Globalisierung haben sich 2 Agrogiganten so entwickelt, dass sie 65 % des Saatgutes vertreiben. Aus 3000 Reissorten früher sind heute noch 30 Sorten übrig geblieben. Bauern in Indien müssen das Saatgut, was zwar von ihren Äckern stammt, ihnen aber nicht mehr gehört, bei diesen Giganten für teures Geld einkaufen.

      Konzerne haben mehr Geld zur Verfügung als Staaten. Weil der Staat immer weniger Geld zur Verfügung hat, auch weil es keine Vermögenssteuer mehr gibt und die Erbschaftssteuer mit die niedrigste ist, die es überhaupt gibt, hat der Staat nicht nur Schulden gemacht, sondern auch nach und nach sein Tafelsilber verscherbelt. Dabei wurde durch die Privatisierungen der Post, des Stroms, der Wasserversorgung, des Mülls versprochen, dass alles billiger wird. Alles, aber wirklich alles ist nicht nur teurer sondern weniger verlässlich, reduzierter und vor allem unübersichtlicher geworden. Bedenklicher ist aber noch, dass 10tausende prekäre Arbeitsplätze hieraus entstanden sind. Arbeitsplätze, wo Menschen 40 Stunden arbeiten, davon aber nicht leben können. Mittlerweile gibt es nahezu 2 Millionen Menschen, die 5 Euro oder sogar weniger in der Stunde verdienen. Dazu kommen noch etwa 5 Millionen Arbeitskräfte, die trotz Fulltimejob weniger als 1000 Euro im Monat verdienen. Es sind mehr als 20 % der Arbeitskräfte in Deutschland, die weniger als 1000 Euro im Monat verdienen Diese Zahl wächst zurzeit monatlich. 20 Staaten in der EU haben Mindestlöhne eingeführt. Das reichste Land, das christliche Deutschland hat eine christliche Regierung und lehnt bisher einen Mindestlohn ab. Wahrlich eine teuflische Sache.

      Kindergärten, Schulen, Sozialversicherungen, Krankenhäuser, öffentlicher Nah und Fernverkehr war mal in der öffentlichen Hand. Die Funktion bestand darin keine Gewinne zu erzielen. Mittlerweile ist dieser Teil der Grundversorgung zum Spielball privater Interessen geworden. Auch die EU spielt bei dieser Privati-sierung eine sehr große Rolle.

      Unterstützt wird die neoliberale Ökonomie und diese Wertehierarchie zumeist von der 4. Macht den Medien, die nur allmählich und dann meistens auf der 3. oder 4. Seite der Zeitung oder im Fernsehen nachts, wenn alle Katzen grau sind, kritischere Töne zu diesem Schlamassel anschlagen. Allen voran die Boulevard-Zeitungen, die hier nur scheinbar die Interessen der „kleinen Leute“ unterstüt-zen. Je komplizierter das Thema und die Umweltproblematik sind, umso flacher ist die Berichterstattung in der Boulevard- Presse. Die Berichterstattung in „gu-ten“ Tageszeitungen und den öffentlichen Fernsehprogrammen verändert sich hierzu allmählich. Aber mit großen Widersprüchen. Da gibt es eine Sendung z.B. über die wachsende Rohstoffknappheit, kritisch und sachlich, dann kommen die Nachrichten, und dort wird dann wieder gejammert, wie die armen Autofahrer abgezockt werden, oder der „Dax“ heute einfach nicht klettern will.

      Viele der Zahlen und Inhalte in diesen folgenden Kapiteln habe ich von Holger Rogall aus seinem Buch „ Nachhaltige Ökonomie.“ Wie sieht eine Ökonomie mit diesen „Werten“ aus? Wir nehmen es einfach hin, dass Bilanzen manipuliert werden, Falschmeldungen herausgegeben werden, nur um die Aktien positiv zu beeinflussen. Korruption, Aufhebung der Marktgesetze durch Absprachen, regen niemanden mehr auf. Es ist alles systemimmanent. Nichts Besonderes. Kriminelle Machenschaften, Lüge und Betrug sind zu „Werten,“ hingenommenen Wettbe-werbsvorteilen für Konzerne in der Globalisierungswelt herangewachsen.

      1.3.2 Lobbyismus

      Die meisten Politiker in demokratischen Staaten haben eine Zukunftsvorstellung von 4 Jahren, denn sie wollen wiedergewählt werden. Deshalb trifft man Ent-scheidungen, bei denen man die Früchte spätestens nach 4 Jahren ernten kann. Nach uns die Sintflut, denn Wähler sollte man nicht mit notwendigen Ent-scheidungen quälen, die ihnen so wehtun könnten, dass sie sich dann für eine andere Partei entscheiden. Deshalb verschiebt man „Schmerzhaftes“ auf später. Das Wissen, dass das im Moment „Schmerzhafte“ für die nächste Generation, dann um vieles „Schmerzhafter“ sein wird, wird tapfer verdrängt, um des „Wiedergewählt Werdens“ willen. Hier kommen jetzt auch die Wähler mit in das „Verdrängungsspiel“ hinein. Auch sie wollen so angenehm wie möglich leben und schieben deshalb die Konsequenzen ihres Konsumierens in eine untere Schub-lade oder verniedlichen die Auswirkungen ihres Lebensstils.

      Krisen, Katastrophen werden von Politikern nahe am Lügen heruntergespielt. Oft sind solche Gespräche mehr Show. Es wird mehr Symbolpolitik betrieben.


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