Servus in Bhutan. Roland Reitmair
Читать онлайн книгу.Sätze weiter war der „unschlichtbare“ Streit fertig.
Mit Vorkommnissen wie dem geschilderten, stand plötzlich der ganze „Projekterfolg“ in Frage.
Angesichts der Probleme bestellten die zuständigen Herren im österreichischen Ministerium einen zusätzlichen Implementing Agent. Diesmal ein Tiroler Büro, das dem in Wien an die Seite gestellt wurde. Ersetzen ging offenbar nicht – was immer die (politischen) Gründe dafür waren. Nun hatte das Projekt quasi zwei österreichische „Chefitäten“.
Die Tiroler waren wenigstens in Sachen Entwicklungshilfe an sich sehr erfahren. Sie leiteten auch das Tourismusprojekt in Bhutan, das vom offiziellen Bhutan absolut geschätzt wurde.
Damit sollte Ruhe ins Projekt kommen.
Die Tiroler „overrulten“ einige Entscheidungen, bestellten einen neuen Mechaniker und übernahmen die Koordination des Projektes zwischen Österreich und Bhutan. Allerdings hatte der „alte“ Implementing Agent immer noch die Budgethoheit… Probleme vorprogrammiert.
Der Projektverantwortliche des neuen Tiroler Implementing Agents würde gerade im Lande verweilen, für notwendige Konferenzen und Besprechungen.
Er war noch in Ura und ich sollte in Thimphu zwei Tage warten bis er zurückkäme.
Ich würde also Zeit haben mich ein bisschen einzugewöhnen.
„… Soweit das nötige Technische“, sagte Gunther und lehnte sich zurück.
Gunther redete gern – schien aber auch zu wissen, was hier wie lief und er wusste zu allem noch eine Geschichte dazu. Die wandelnde Chronik.
All seine Geschichten hatten dabei genug Spielraum für Witz, ein Augenzwinkern und die dichterische Freiheit, ohne die das Projektvegetieren im Stumpfsinn enden würde.
Da kam es dann schon einmal vor, dass er von seinem morgendlichen Post-Gang erst nach einem Abendessen im Benez zurückkam.
Auch an jenem Tag war das beinahe so. Am Nachmittag plagte uns der Hunger und Gunther bestellte für sich und den Neuling „Momos“ (eine Nudelspeise, ähnlich unseren „Schlutzkrapfen“) mit Soße.
„Was ist das für eine Soße?“
„Tomatensoße - Hast du noch genug Bier?“ Ja ich hatte.
Dann wurden die Dinger serviert.
Mir ist bei Speisen, die ich nicht kenne, immer lieber vorsichtig abzuwarten. Wir hatten jeweils einen Blechteller mit einigen von diesen überdimensionalen Ravioli und noch je eine diskusgroße Schüssel mit Tomatensoße oder eben Tomatenmark der Konsistenz nach. Kein Besteck.
Ich wartete.
Gunther redete und machte keine Anstalten endlich zu essen.
Noch waren die Nudeln heiß. „Wie isst man das?“ fragte ich. Gunther nahm ein Momo in die Hand, tauchte es satt in die Tomatensoße, dass die Teigtasche einen überdimensionalen roten Gupf hatte, wie eine Weihnachtsmütze. Da fiel ihm schon wieder irgendwas zu erzählen ein…
Also nahm ich auch eines, tauchte es wie er ordentlich ein und steckte es in den Mund.
Ahhhrrrgchch. Tränen schossen mir in die Augen. Trotz Momo im Mund versuchte ich Luft zu holen. Dem Reflex alles wieder auf den Teller zu spucken, konnte ich gerade noch widerstehen.
Das war Chili pur. Mein Mund war wie verätzt. Das Zeug schlucken und schnell Bier nachtrinken. Doch mit Kohlensäure wurde alles nur noch schlimmer.
Nur langsam bekam ich wieder normal Luft, und wischte mir die Augen. Dachte, ich hätte den Geschmackssinn verloren.
Gunther freute sich diebisch. Er lachte. „Hast nichts gerochen? Dass das scharf ist?“
Nach einiger Zeit ging‘s aber wieder. Die „Momos“ schmeckten gut.
Mit Tomatensoßen und solchen, die Chili dafür ausgaben, war ich ab sofort vorsichtig.
Thimphu und der zweite Eindruck
Das Frühstück sollte ich jeweils in der „swiss bakery“ einnehmen, hatte mir Gunther geraten. Ein Schweizer Zuckerbäcker servierte dort ausgezeichnetes Frühstück – von Omeletten und scrambled eggs über Brot, Toast, bis hin zu Süßspeisen gab es dort alles.
Am Weg dahin musste ich an einer Schule vorbeigehen. Ein kleiner Zwerg von vielleicht sechs Jahren trompetete im Kreis seiner Freunde: „Good morning Sir, good morning Sir“. Dann grinsten die Kinder, glucksten vor SPass und steckten die Köpfe zusammen. Einer von ihnen äffte mich nach und ging in großen Schritten hinter mir her. Wie im Film.
Die Unterrichtssprache ist neben Dzongkha vor allem Englisch. In Bhutan gibt es neun verschiedene Sprachen und wahrscheinlich noch einmal so viele Dialekte. Dzongkha und Englisch sind so etwas wie ein Kompromiss.
Als ich am nächsten Tag auch mittags in die Bäckerei des (touristenscheuen) Schweizers kam, war das Lokal voll mit Schülern und UNO-Voluntären, die sich zu Bon Jovi eine Art Burger hineinstopften und mit Pepsi „- ´cause it´s New York“, die Mittagspause zelebrierten.
Entlang der Hauptstraße durch Thimphu steht ein Geschäft ums andere, die meisten mit demselben Warenangebot und Preis. Dort und da gibt es geringfügige Qualitätsunterschiede.
Die Verkäufer sind meist fair und weisen einen darauf hin.
Handeln ist verpönt. „Wir sind keine Inder“, sagen sie.
Als zukünftiger „Buchhalter“ des Projektes vor Ort, musste ich natürlich auch zur Bank mich vorstellen.
Die EDV-Vernetzung gleicht fast jener von europäischen Banken.
Vom Geldinstitut ging ich dann Richtung Fluss. Dort standen wieder eher mittelalterliche Häuser ohne Fensterscheiben, Elektrizität oder fließendem Wasser. Gegensätze überall.
Hunde auch.
Ich gelangte zum Kino, wo irgendwelche Bollywood-Produktionen beworben wurden.
Die Straße hinauf – vorbei am Handycraft Emporium (wo feinste bhutanesische Handarbeit feilgeboten wird) und vorbei auch am Golfplatz – erreicht man nach wenigen Minuten den Tashichoedzong. Ein Bau wie eine Burg und seit 1952 permanenter Regierungssitz.
„Wenn Du dort noch weiter gehst, bis in den nächsten Ort… das ist Taba. Da wohne ich mit meiner Familie. Du fragst einfach nach Gunther, dort kennt mich jeder. Außerdem findest du meinen VW-Bus sicher schnell.“, hatte mich Gunther ermutigt ihn zu besuchen.
In Taba ist alles schon sehr ländlich, klein und ruhig.
Kinder spielen und tollen herum. Zeichnen Bilder in den Schlamm und warten dann, bis der nächste Regenguss sie wieder verwischt.
Gunther stellte mir seine beiden Ziehtöchter vor und seine Frau. Es gab Tee, dann nahm er mich mit zurück zum Hauptplatz, zu seinem „Druk Optical Shop“.
Später standen mir noch die offiziellen Wege bevor.
Ich stellte mich im Laison Office vor und setzte mich gleich einmal an den Office-Computer, weil mein Vorgänger geschrieben hatte, dass er noch wichtige Informationen für mich abgespeichert hätte.
Meinen Vorgänger hatte ich leider nicht mehr getroffen. Durch die endlosen Diskussionen, ob ein Nachfolger kommen soll oder nicht, befand er sich bereits außer Landes, bis ich eintraf. Das sollte sich später als großer Nachteil erweisen. Ich hatte nur seine geschriebenen Berichte und davon nur die Hälfte. Hier auf der Festplatte konnte ich trotz eifriger Recherche keine entsprechenden Dateien oder Berichte finden.
Danach besuchte ich noch das österreichische Koordinationsbüro – so etwas wie eine Auslandsvertretung Österreichs. Dieses Büro koordinierte ALLE österreichischen Projekte in Bhutan und war (ohne konsularische oder diplomatische Aufgaben) der Botschaft in Neu Delhi eng