Abformen mit Alginat. Rainer Habekost

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Abformen mit Alginat - Rainer Habekost


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Tonnen Alginat pro Jahr gewonnen, die Tendenz ist steigend. Denn es werden immer mehr Anwendungsgebiete der Substanz in allen Lebensbereichen entdeckt. Hauptproduzenten sind die USA, Großbritannien, Norwegen, Kanada, Frankreich, Japan und China. Alginat kommt in den Produktionsländern selbst zum Einsatz, wird aber auch in andere Länder – unter anderem auch nach Deutschland – exportiert.

      Braunalgen werden auf verschiedene Arten und wenn möglich maschinell und vollautomatisch geerntet. An der Pazifikküste Kaliforniens pflügen sogenannte „kelp harvester“ durchs Wasser, die ähnlich wie Mähmaschinen funktionieren. Sie schneiden die Algen ab und nehmen das Mähgut anschließend an Bord auf. Die Vorkommen von Braunalgen in Norwegen werden mit speziell ausgerüsteten Trawlern ebenfalls vollautomatisch geerntet. Die Algen werden in Wassertiefen von zwei bis fünfzehn Metern gekappt und aus dem Meer gesammelt. In der Bretagne verwenden die Algenfischer spezielle Boote, die mit einem sogenannten „scoubidou“, einem rotierenden Gestänge ausgerüstet sind. Wie in einem Quirl verwickeln sich die Algen und können dann über eine hydraulische Vorrichtung an Bord genommen werden. Die Algenvorkommen in Schottland und Irland dagegen sind so schwer zugänglich, dass sie nach wie vor halbmechanisch geerntet werden müssen. Braunalgen innerhalb der Gezeitenzonen dagegen werden bei Ebbe einfach abgeschnitten und eingesammelt. In Irland und Frankreich werden zusätzlich noch die Algen genutzt, die an den Stränden angeschwemmt werden. Ganze 9.500 Tonnen treiben die Frühjahrsstürme jährlich an den irischen Strand bei County Clare, in Frankreich landen an der Küste in der Bretagne jährlich immerhin noch fast 500 Tonnen der Braunalge Laminaria hyperborea.

      Direkt nach der Ernte werden die Algen grob gesäubert und getrocknet und an die Alginathersteller weitergegeben. Um das Alginat, das später für die Abformung verwendet wird, zu gewinnen, wird ein Extraktionsverfahren angewandt. Dazu werden die Algen gewaschen und vermahlen. In verschiedenen Extraktions- und Filterprozessen wird aus dem Algenpulver das reine Alginat gewonnen.

      Struktur der Alginsäure

      Betrachtet man Alginate mit den Augen eines Chemikers, dann haben sie den Charakter von Polysaccharid-Derivaten, also Mehrfachzuckern mit mehr als zwei Zuckermolekülen, allgemein bekannte Polysaccharide sind zum Beispiel Stärke oder Zellulose. Diese Mehrfachzucker bestehen aus Kohlenstoff und Wasser und gehören zur Gruppe der Kohlenhydrate. Als Derivat werden Stoffe bezeichnet, bei denen ein Wasserstoffatom gegen ein andere ausgetauscht wurde. In der Arzneimittelindustrie werden Derivate genutzt, um aus medizinisch wirksamen Stoffen, gleich oder noch besser wirksame Substanzen zu entwickeln, die aber eventuell weniger Nebenwirkungen aufzeigen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Acetylsalicilsäure, die den medizinisch wirksamen Bestandteil von Aspirin darstellt. Sie ist ein Derivat der Salizylsäure, die weit weniger gut vertragen wird.

      Alginate kommen in den Zellwänden der Braunalgen zusammen mit Zellulose vor. Während die Zellulose dafür sorgt, dass die Zellwände die nötige Festigkeit besitzen, bildet das Alginat zusammen mit Wasser eine schleimig-gallertige Masse in der Zellwand, in die die Cellulose-Bestandteile, die Fibrillen (langgestreckte Strukturen), eingebettet sind. Unlösliche Alginatgele verstärken die Zellwand zusätzlich und sorgen dafür, dass die Braunalge auch bei starker mechanischer Belastung, zum Beispiel durch die Meeresströmung, standhält.

      Alginate gehören zu den irreversibel (unumkehrbar) erhärtenden elastischen Abformmaterialien, das heißt einmal ausgehärtet, lässt sich die Abformung weder verändern, noch in einen verarbeitbaren Brei zurückverwandeln. Im Alginatpulver sind Natrium- und Kaliumsalze enthalten, die sich leicht in Wasser lösen. Ein weiterer Bestandteil ist Kalziumsulfat, um die Abbindereaktion zu verzögern wird Natriumphosphat hinzugegeben. Vermischt man das weiße Alginatpulver mit Wasser, dann binden sich die schwer löslichen Kalziumionen (aus dem Kalziumsulfat) mit den wasserlöslichen Makromolekülen des Alginats. Daraus entsteht Kalzium-Alginat, das in Wasser nicht löslich ist. Das sichtbare Ergebnis dieser chemischen Reaktion zwischen den Alginatsalzen und dem Kalziumsulfat ist ein elastisches Gel, das schließlich zu einer festen Masse wird. Der Verzögerer Natriumphosphat verlangsamt diese eigentlich sehr rasch ablaufende Reaktion, indem er die Kalziumionen abfängt und bindet. Erst dann, wenn das Phosphat vollständig verbraucht ist, kann der Abbindevorgang so richtig in Gang kommen. Je nachdem, wie viel Verzögerer dem Alginat zugesetzt wird, unterscheidet man zwischen schnell und normal abbindenden Alginaten. Darüber hinaus kann die Abbindezeit auch durch die Wassertemperatur gesteuert werden: Warmes Wasser beschleunigt das Abbinden des Alginatbreis, kaltes Wasser verlangsamt die Reaktion. Die tatsächliche Verarbeitungszeit ist auf der Verpackung des Herstellers angegeben und bezieht sich in der Regel auf eine Wassertemperatur von 23 Grad.

      Viskosität

      Dieser Begriff bezeichnet die Zähflüssigkeit eines Materials. Je größer die Viskosität, umso dickflüssiger und weniger fließfähig ist ein Stoff.

      Weitere Inhaltsstoffe im Alginatpulver verbessern die Verarbeitbarkeit. Je nach Hersteller sind verschiedene anorganische Füllstoffe wie Kieselgur, Talkum oder Zinkoxid enthalten. Diese bestimmen die Viskosität des Alginatbreis und erhöhen die Festigkeit des abgebundenen Materials. Je nach Einsatzgebiet werden Farbstoffe oder andere Zusatzstoffe beigemischt, um bestimmte Eigenschaften des Alginats zu erzielen. So werden zum Beispiel in der Dentaltechnik Geschmacksverbesserer beigemischt. Die Zutatenliste einer Alginatmischung könnte zum Beispiel so aussehen:

      Gesundheitsgefährdende Stoffe:

       Kalium-Fluor-Titanat

       Kieselgur als Füllstoff

      Unbedenkliche Stoffe:

       Triethanolamin-Alginat

       Calciumsulfat Dihydrat (Gips)

       Tetranatrium- Pyrophosphat (TSPP)

       Magnesiumoxid

       Natriumalginat

      Alginate für Körperabformungen und Zahnabdrücke sind staubfrei und frei von Glasfaserspänen oder anderen Stabilisatoren. Im Gegensatz dazu gibt es Produkte, die zur Verbesserung der Stabilität Späne enthalten. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass diese Alginate, die zum Teil auch als „Superalginat“ bezeichnet werden, keine signifikanten Vorteile haben. Der Umgang mit dem Material erfordert im Gegenteil die Einhaltung von sicherheitstechnischen Maßnahmen aufgrund des Fasergehaltes, der für den Laien oft schwer durchzuführen ist.

      Aufgrund seiner besonderen Materialeigenschaften ist Alginat besonders gut geeignet, um vorhandene Strukturen detailgetreu abzubilden. Alginat wird als trockenes Pulver angeliefert und kann in dieser unscheinbaren Form gut aufbewahrt werden. Je nach Hersteller hat das Alginat unterschiedliche Farbnuancen. Immer aber wird es staub- und bleifrei geliefert, um gesundheitliche Schäden durch das Einatmen des Pulvers auszuschließen. Seine spezifischen Eigenschaften entfaltet die Substanz erst dann, wenn sie mit Wasser zu einem Alginatbrei angemischt wird:

       Wie viskos, also wie fließfähig der Alginatbrei ist, wird durch die Menge an zugegebenem Wasser gesteuert. Der Hersteller des jeweiligen Produktes gibt hier genaue Dosierungsanweisungen, die beachtet werden sollten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.

       Durch die geringe Korngröße der Füllstoffe und durch die Art der enthaltenen Makromoleküle (Polymere, aus vielen gleichen Teilen aufgebaute Moleküle) kann sich die Alginatmasse sehr fein um die Strukturen legen und sie dementsprechend genau abbilden. Für das menschliche Auge reicht diese Genauigkeit bei weitem aus und man kann über die Feinheit nur staunen, mit der zum Beispiel bei der Körperabformung sogar Poren und kleinste Fältchen nachgebildet werden. Die Alginatabformungen dienen in der Regel zur Herstellung von Situationsmodellen, an denen sich der Ist-Zustand des Kiefers und der Zähne ablesen und das weitere Vorgehen planen lässt. Für die Herstellung von Kronen oder Inlays werden allerdings andere Materialien genutzt, die noch detaillierte Ergebnisse liefern können. Dies


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