Herr Gacka wehrt sich! Der Selbstverteidigungskurs für Superpapis. Wilfried Oschischnig
Читать онлайн книгу.unsere Existenz kosten — mal vulgär und mit dem Vorschlaghammer ausgedrückt: Wichtig ist, dass ein Baby rauskommt — und kein Bankrott!
Tipps:
Der Kreißsaal von Maria und Josef war vielleicht etwas heftig, aber bei allen Ängsten vor einer Stallgeburt: Öffentliche Krankenhäuser sind keine unzumutbaren Absteigen.
Für dein Argumentationskistchen: In öffentlichen Krankenhäusern arbeiten echte Ärztinnen und Ärzte. Ja, selbst außerhalb von Europa wird in solchen Einrichtungen medizinisches Personal eingesetzt.
Auch wenn dein Kind ‚zweiter Klasse’ auf die Welt kommt, kann es erstklassige Eltern haben.
Besser nach einem guten, öffentlichen Krankenhaus Ausschau halten, als sich von einer Privatklinik blenden lassen.
Für die Kategorie ‚Liebe & Geld’ gibt es eine einschlägige Branche. Sag’ das deiner Frau, wenn sie von dir einen Liebesbeweis á la Privatklinik fordert.
Achtung, Achtsamkeit!
Beim größten menschlichen Ereignis — der Geburt eines Kindes — orientieren wir uns am besten an Ludwig Wittgenstein. Nicht, dass dieser große Philosoph ein ausgesprochener Geburtsexperte gewesen wäre, aber eine seiner Aussagen sollte auf jeder Kreißsaaltür angebracht werden: Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.
‚Essenzieller Inhalt’ oder ‚demütiges Schweigen’ sollte eigentlich auch die Devise für jeden Geburtsvorbereitungskurs lauten. Leider ist aber das Gegenteil der Fall, und wir Männer werden höchsten mit banalen Sprechblasen in ein nebulöses Abenteuer geschickt. Mal abgesehen davon, dass eine zweiminütige Abfahrtshocke wehtut, und uns im Kreißsaal nicht nur ein Wunder, sondern auch ein blaues Beziehungswunder (sprich: jede Menge Vorwürfe von unseren Frauen) begegnen könnten — außer ‚falscher Schmerzen’ und ein paar Drohungen gibt es da praktisch nichts zu erfahren. Verzeiht mir, liebe Hebammen, aber ihr schickt uns da wirklich mit einem höchst fraglichen Marschbefehl ins Ungewisse.
Dass dem so ist, zeigt übrigens auch ein Blick auf klinische Studien: Laut einer an der Case Western University School of Medicine in Cleveland abgeschlossenen Studie, stehen wir Männer bei diesem Ereignis nicht nur dem medizinischen Personal, sondern auch der natürlichen Geburt eines Kindes im Wege. Denn bei Frauen, die während einer Geburt nicht von ihren Männern, sondern von Freundinnen unterstützt wurden, sank die Kaiserschnitt-Wahrscheinlichkeit um die Hälfte, der Wunsch nach einem Kreuzstich verringerte sich ebenfalls um ganze 60 Prozent und selbst die Geburtsdauer verkürzte sich um ein Viertel!
Noch schlimmer schneiden die ‚Kreißsaalpapis’ bei einer Studie der Bath University aus dem Jahr 2003 ab: Hiernach stecken Männer die Frauen nicht nur mit einer Sonderportion Angst an, sondern heben auch noch das Schmerzempfinden ihrer Frauen. Ja, ein Kaiserschnitt werde von einer Frau durch das Beisein eines ängstlichen Mannes generell schmerzhafter erlebt. Unseren gefährlichen Geburts-Dilettantismus bringt schließlich auch eine Forschungsarbeit des britischen Royal College of Midwives zum Ausdruck: 38 Prozent der gebärenden Frauen hätten lieber jemand anderen im Kreißsaal als ihren Partner.
Falls sich nun ein Hebammen-Blick in dieses Buch verirrt hat: Schon unseren Frauen zuliebe solltet ihr uns Männer bei einem Geburtsvorbereitungskurs mehr Aufmerksamkeit und vor allem mehr Wissen schenken. Wie wäre es mit dem ‚American Way of Life’? Dort gibt es schon in einigen Städten und Kliniken spezielle Vorbereitungskurse für Männer. Vielleicht auch eine spannende Idee für engagierte ‚Zukunftspapis’, die einmal eine sinnvolle Facebook-Gruppe gründen möchten.
Gewiss habt ihr beim Lesen der obigen Zeilen schon bemerkt: Die Geburt eines Kindes ist selbst mir für eine Blödelei zu heilig und lässt sich obendrein (siehe Wittgenstein) verbal nicht ergründen. Probieren wir es also Punkt für Punkt von der praktischen Seite her:
Tipps
Du allein entscheidest, ob du bei der Geburt unmittelbar im Kreißsaal teilnimmst. Lass dich nicht von falschen Heldentaten und Ideologien in den Kreißsaal treiben. Höchsten ‚deine’ Frau darf auf diese Entscheidung Einfluss nehmen.
Bevor du da auch nur die kleine Zehe reinsteckst, beantworte diese beiden Fragen: „Kann ich meiner Frau tatenlos beim Leiden zusehen?“ und „Kann ich an mir absolute Ohnmacht ertragen?“
Weiter im entscheidenden Fragenkatalog: „Bewahre ich in Extremsituationen die Nerven und drehe nicht vor Angst durch?“ und „Ertrage ich den Anblick von Blut — viel Blut — und vielen anderen Körperflüssigkeiten, ohne umzukippen?“
Alle Fragen mit ‚Ja’ beantwortet? Gut, dann öffnen wir die Tür zum Kreißsaal!
Dein klares ‚Jobprofil’: Du bist die Ruhe in Person! Du bist der Optimist in Person! Du hast das Wichtigste im Griff, nämlich die Hand deiner Frau und ein kühles, nasses Stofftaschentuch!
Konzentriere dich voll und ganz auf die Partnerin! Auch wenn du ‚deiner Frau’ noch nie mit hundertprozentiger Konzentration zugehört hast — bei der Geburt musst du es! Und du musst ihre Bedürfnisse (Schmerzmittel etc.) tausendprozentig in die Sprache des anwesenden, medizinischen Personals übersetzen, also die Wünsche deiner Frau mit Nachdruck vermitteln..
Dein Ego bleibt draußen! — Führ’ dich im Kreißsaal nicht wie ein Kasperl auf. Eine Geburt ist kein Biologieunterricht oder Actionfilm. Stell deinen Sessel seitwärts neben deine Frau und nicht vors Epizentrum — du weißt schon, was ich meine. Und diesbezüglich noch ein Warnschuss vor den Bug: Allzu viel Lust an der Biologie bei einer Geburt hat schon so manchen Mann die Lust am Sex gekostet.
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