Behauptung statt Wahrheit. Erwin Leonhardi

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Behauptung statt Wahrheit - Erwin Leonhardi


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      Spätestens die in der Offenbarung des Johannes mit grausamen Bildern beschriebenen Endzeitstrafen für Ungläubige machen schwache Gemüter gefügig. Diese Offenbarung klingt nach totaler geistiger Verwirrtheit des Autors. Sie lässt aber erkennen, was sich der fanatische Schreiber für die aus seiner Sicht Ungläubigen wünscht.

      Die Angst vor abstrakten Strafen wird professionell gepflegt. Während sie durch ihre gesamte Zeit der Existenz auf moralisch verwerfliche Weise allen Schichten der Gesellschaft Leben genommen, Eigentum entlockt und so Reichtum angehäuft hat, predigt die Kirche Enthaltsamkeit für die Anhänger und Fegefeuer für jeden, der anders denkt. Linientreues Pseudodenken innerhalb des künstlich festgelegten gültigen Regelraums ist erlaubt, alles andere ist heidnisch oder ketzerisch und somit strafwürdig. Intoleranz in Reinkultur.

      Hölle

      Die Basis der Machtentfaltung der Kirche ist der professionelle Umgang mit der Angst vor Strafe durch die göttlichen Mächte. Angst verschafft Macht über andere, die Gehorsam üben, um unkalkulierbaren Strafen zu entgehen. Typischerweise sind diese Strafen abstrakt, wie beispielsweise Verdammnis der Seele, drohende Krankheit, Verfluchung der Familie, wirtschaftlicher Misserfolg usw. Sie werden zur Abschreckung in eine bildhafte Wirklichkeit transferiert. So schmoren beispielsweise im Christentum angeblich die Seelen von Sündern entsetzlich in der Hölle.

      Mit ein wenig Nachdenken lässt sich der Höllengedanke, die lodernde Feuerhöhle mit speziellem Fegefeuer für Verdammte, als barer Unsinn entlarven. Laut christlicher Lehre ist die Seele körperlos. Sie entweicht direkt nach dem Tod dem Leichnam und tritt vor das Gottesgericht. Dort wird sie nach nicht nachvollziehbaren göttlichen Kriterien in den Himmel oder in die Hölle geschickt. Reuige Sünder können in den Himmel kommen, selbstgefällige Gläubige in die Hölle. Diese beiden Möglichkeiten sind wichtig, denn sie bewirken, dass sich niemand sicher fühlen kann.

      Nur ein Körper mit Bewusstsein und funktionierendem Nervensystem kann Schmerz empfinden. Demzufolge kann das Fegefeuer einer leiblosen Seele nichts anhaben. Für das Empfinden von seelischem Schmerz ist ein Bewusstsein erforderlich. Das ist aber mit dem Gehirn gestorben. Das Ganze ist ein Paradebeispiel für die Einschüchterung von Menschen mithilfe von unbeweisbaren Behauptungen. Wie allein auf die immaterielle Seele wirkende Höllenqualen ernsthaft funktionieren sollen, hat die Kirche nie wirklich erklärt. Sie hat nur Bilder an ihren Altären herstellen lassen, die dem Volk die primitive Vorstellung vom Fegefeuer geben sollten. Diese Bilder waren alles, was ein Analphabet zur Kenntnis nehmen konnte. Für ihn wurden sie in Auftrag gegeben.

      Vor Jahrhunderten hat die katholische Kirche für ungetaufte gestorbene Kinder die Vorhölle erfunden, die erst in jüngster Zeit unter Papst Benedikt XVI., bürgerlich Josef Ratzinger, offiziell wieder abgeschafft wurde. Der Sinn bestand darin, Zwang zu erzeugen, dass die Kinder frühestmöglich getauft und damit von der Kirche vereinnahmt werden konnten.

      Wenn die Erklärungsnot zu groß wird, gibt es immer noch die Pauschalheilung mit dem Satz, die Wege des Herrn seien unergründlich. Unergründlich heißt unberechenbar. Unberechenbarkeit heißt Zufall. Da Gott angeblich das Leben seiner Kinder individuell beeinflusst, sollte Zufall nicht gelten. Eine beliebige unergründliche Macht ist für den Menschen wertlos. Es gibt keinen planbaren Erfolg, weil sich niemand auf die Beliebigkeit einer solchen Macht einstellen kann. Logisch folgt daraus, dass es müßig ist, nach einem gottgefälligen Leben zu streben. Ein Glaubender weiß nie, ob er am Ende belohnt wird, oder ob die Lebensleistung wegen irgendeiner Lappalie oder einer göttlichen Laune, die sich im AT massenhaft zeigt, verworfen wird. Eine von Menschen geschriebene Bibel und eine von Priestern gesprochene dogmatische Auslegung können keine wirkliche Grundlage sein. Sie sind nur das Ergebnis einer konstruierten Vorstellung, mehr nicht. Der zentrale Punkt ist die Vorspiegelung, die Priesterschaft wüsste, wie mit Gott umzugehen ist, und definiere einen passenden Verhaltenskodex, der vor drohenden erdachten Strafen schützt.

      Es gehört eine enorme Arroganz dazu, nicht nachprüfbare abstrakte Strafen zu erfinden und sie als behauptete Wahrheit zu verbreiten. Aber es gehört auch eine entsprechende Portion respektgeprägter Angst dazu, solche sinnfreien Dinge zu glauben. Über Generationen hinweg fallen erfolgreich verführte Gutgläubige darauf herein, weil Ihnen gleichzeitig vorsorglich vermittelt wird, dass allein schon ein infrage stellen der Lehren bereits Sünde sei. So einfach funktionierte das über viele Jahrhunderte bis heute. Fakt ist: Kein einziger Mensch hat jemals eine entsprechende Erfahrung machen können. Außer von religiösem Wunschdenken getriebener Behauptung gibt es nichts.

      Seele

      Es stellt sich die Frage, was eine Seele eigentlich ist. Verwechseln Gläubige die Seele mit dem Bewusstsein, das mit dem Gehirn stirbt? Jeder, der schon einmal von einem Anästhesisten betäubt wurde, weiß, was es bedeutet, wenn die Wahrnehmung ausgeschaltet ist. Genau so muss es sein, wenn das Gehirn tot ist. Ob es eine Seele gibt, wie sie den Gläubigen durch die Kleriker als Vorstellung implantiert wurde, und ob diese in irgendeiner Form zu Wahrnehmungen fähig sein kann, bleibt der Esoterik vorbehalten. Anatomisch gibt es keine Grundlage dafür.

      Ein französischer Philosoph hat einmal geäußert, die Seele sei das Ergebnis davon, dass das eigene Bewusstsein aus Arroganz und Wunschdenken als so einmalig empfunden würde, dass man es als unsterblich betrachten müsse.

      Verbreitung von Angst

      Zum Untermauern der Führungsautorität hat die Kirche ab und zu einen Unfolgsamen seiner Habe beraubt oder öffentlich hingerichtet, wobei der weltliche Staat tatenlos zusah. War kein Unfolgsamer zur Hand, wurde einer konstruiert, wie die gesamte Hexenverfolgung beweist. Selbst Luther war von der Existenz von Hexen und Feldteufeln überzeugt. Die generelle Haltung gegenüber angeklagten Hexen war grausam und stiftete viel Angst. Als Mittel zur Wahrheitsfindung wurde öfters das sogenannte Gottesurteil, ein klerikales Wort für Zufall, bemüht.

      Eine unbedachte Äußerung eines Mitbürgers konnte bereits als Denunziation gelten und für den Scheiterhaufen eines anderen ausreichen. Erkennbar ungläubig zu sein, hieß leiden und sterben.

      Religiöses Machtstreben gibt es nicht nur im Christentum. Das im Juni 2014 von Abu Bakr Al-Baghdadi ausgerufene Kalifat, der selbst ernannte Islamische Staat, ist eine radikal islamistische Bewegung, die im Prinzip nichts anderes macht als das, was die christliche Kirche über Jahrhunderte durch Inquisition und Kreuzzüge vorgeführt hat. Das will heute niemand gerne hören. Eine öffentliche aus religiösem Wahn begangene Hinrichtung ist ein Schwerstverbrechen. Keine noch so tiefe religiöse Überzeugung kann diese Schuld jemals aufheben. Es spielt dabei keine Rolle, unter welchem Vorwand eine Tat begangen wird. Das einzige objektive Kriterium ist, dass Verbrechen immer Verbrechen bleiben, auch wenn sie angeblich im Namen eines Gottes begangen werden.

      Inquisition

      Die christliche Kirche hat ihre Dominanz mit unglaublicher Brutalität und ohne jegliche erkennbare Reue entwickelt und gepflegt. Dass die Inquisition den Gipfel des fehlgeleiteten Glaubenswahns darstellt, kann man nicht bestreiten. Damals haben Mörder im Priestergewand "im Namen des Herrn" unsägliches Unheil angerichtet. Erste Verurteilungen gab es im 13. Jahrhundert. Das letzte Todesopfer der Hexenverfolgung war in Brandenburg am 17. Februar 1701 die 15-jährige Magd Dorothee Elisabeth Tretschlaff, die in Fergitz in der Uckermark offiziell wegen Buhlerei mit dem Teufel enthauptet wurde.

      Jahrhunderte lang haben die kirchlichen Mörder gewütet und sich und ihre Kirche für immer schuldig gemacht. Die Schuld der klerikalen Mordtaten wird heute pauschal behandelt, weil sie dann anonymer klingt und leichter vergebbar scheint. Die Schuld liegt nicht allein in der Vielzahl der Mordtaten. Sie begann für immer unauslöschlich mit dem Todesurteil für den allerersten Menschen, von dem die Priester wussten, dass er unschuldig war.

      Nach neueren Forschungen und umfangreichen Auswertungen der Gerichtsakten wird davon ausgegangen, dass die Verfolgung in ganz Europa etwa 40.000 bis 60.000 Todesopfer forderte. Etwa 25.000 Menschen wurden allein auf dem Boden des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation hingerichtet. Dazu kam eine hohe Zahl weiterer zu Enteignung und Haft Verurteilter.


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