Schutzengelstreik. Stefanie Kothe

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Schutzengelstreik - Stefanie Kothe


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habe sie alle gefunden Chef und auch mitgebracht“, eröffnete Kassandra das Gespräch. Das Licht wurde heller und sprach:

       „Sehr schön, gut gemacht Kassandra. Hast du ihnen schon erklärt, warum sie hier sind?“ Kassandra schüttelte den Kopf.

      „Nein, ich bin davon ausgegangen, dass du das dann doch lieber selbst übernimmst.“

       „Natürlich! Ich möchte, dass ihr mir jetzt einfach zuhört und mich nicht unterbrecht. Ihr werdet, wenn ich mit meinen Ausführungen fertig bin, die Gelegenheit bekommen, euch dazu zu äußern. Habt ihr das verstanden?“ Alle sechs Engel nickten stumm.

       „Gut“, begann das Licht.

       „Es geht um Folgendes. Kassandra kann ihren Schützling aus persönlichen Gründen nicht mehr betreuen und dieser braucht deswegen jetzt einen neuen Schutzengel.“ Ein Raunen ging durch die kleine Gruppe. Alle sahen zu Kassandra, doch diese schaute hochkonzentriert zu dem Licht. „Persönliche Gründe? Sowas gab es bei Engeln doch nicht. Ein Schützling wurde betreut, vom Tag der Geburt, bis zum letzten Atemzug. Es war noch nie vorgekommen, dass jemand einen Schützling abgegeben hatte.“ Das Licht räusperte sich, bevor es fortfuhr: „Dieser Schützling ist besonders... nun ja... kompliziert. Es handelt sich dabei um die 25-jährige Maria. Sie hat das Talent, sich im Minutentakt in Schwierigkeiten zu begeben. Vor wenigen Stunden hatte sie einen schweren Rollerunfall, den sie mit sehr viel mehr Glück, als Verstand überlebt hat. Sie zu betreuen ist so, als hättet ihr Fünflinge im Kleinkindalter zu betreuen.“ Diana, Verena, Johannes, Juno und Aurora sahen sich an. Diese Aufgabe war ohne jeden Zweifel eine echte Herausforderung. „Können wir denn nicht zu zweit im Team arbeiten“, fragte Juno. „Nein, das geht nicht“, antwortete das Licht. „Nur ein Engel pro Mensch. Wie ihr wisst, gibt es so viele Schutzengel wie Menschen. Wenn die Relation nicht mehr stimmt, werden einige Seelen wieder zu Menschen, oder Menschen die hier oben ankommen werden zu Schutzengeln.“ Kassandra nickte.

      „Das stimmt, Schutzengel sein ist ein 24-Stunden-Job, sonst wäre ich nach 25 Jahren noch nicht so fertig.“

       „Wie genau soll das Ganze denn jetzt ablaufen?“, frage Johannes neugierig.

       „Jeder von euch wird einen Monat mit Maria verbringen und sie etwas kennenlernen. Danach entscheiden Maria, Kassandra und ich, wer von euch am besten für diese Aufgabe geeignet ist. Kassandra wird euch die ganze Zeit begleiten und mir Bericht erstatten und euch in alle Besonderheiten einweisen.“ Kassandra schluckte.

       „Ich werde was?“ Das Licht leuchtete grell auf.

       „Du wirst deinen Nachfolger einarbeiten. Keiner kennt Maria so gut wie du. Du wirst schon mal vorgehen und sie langsam auf das vorbereiten, was in nächster Zeit auf sie zukommt. Bis sie einen neuen Schutzengel hat, werde ich mich persönlich um sie kümmern. Diana, du wirst als Erste zu ihr gehen. Danach wird Verena ihr Glück versuchen und im Anschluss Johannes. Juno, du wirst die vierte sein und den Abschluss macht Aurora. Wer von euch diesen Auftrag bekommt und ihn ordentlich ausführt, bekommt natürlich eine Belohnung. Euch wird ein persönlicher Herzenswunsch erfüllt.“ Dies war eine ungewöhnliche Aussicht, denn normalerweise war es Ehre genug ein Schutzengel zu sein.

       „Kassandra, mach dich jetzt auf den Weg zu Maria. Du hast eine Woche Zeit sie vorzubereiten. Mach das bitte möglichst sanft, nicht das sie sich erschreckt und zu Schaden kommt. Ihr ist ein sehr langes Leben vorbestimmt und ich möchte nicht, dass dieses vorzeitig beendet wird.“ Kassandra nickte und schwebte davon.

      Wie sollte sie es in nur einer Woche schaffen Marias Vertrauen zu gewinnen und ihr die Sache schonend zu erklären. Sie beschloss, erst mal zu schauen, wie es ihr nach dem Horrorunfall ging. Als Kassandra in Marias Wohnung ankam, schlief Maria tief und fest. Kassandra setzte sich an ihr Bett und berührte vorsichtig die linke Hand. Maria schien dies gespürt zu haben, denn sie kuschelte sich noch tiefer in ihr Kissen. Plötzlich wurde Maria unruhig. Ihr Atem beschleunigte sich. Kassandra legte ihr eine Hand auf die Stirn und tauchte vorsichtig in Marias Traum ein. Was sie da sah, waren 2 Träume, die wie 2 Filme in Endlosschleife zu laufen schienen. Der Erste dauerte nur ein paar Sekunden. Ein heller Scheinwerfer kam auf sie zugerast. Dann knallte es und es wurde alles dunkel. Als es wieder hell wurde, befanden sie sich auf einer Beerdigung. Eine dunkelblaue Urne mit vielen kleinen weißen Sternen stand auf dem Altar. Überall standen Blumenkränze und Sträuße. An der Seite stand ein riesiges Foto von Maria. Vorne saß die ganze Familie. Dahinter Freunde und Arbeitskollegen. Die kleine Kirche war rappelvoll. Maria, durchsichtig wie ein Geist, lief nach vorne und strich ihrer Mutter sanft über die Wange. Danach wandte sie sich ab und sah sich suchend um. Weiter hinten in der Kirche standen ein junger Mann und eine junge Frau. Sie diskutierten im halblauten Flüsterton über eine Internetseite. Kassandra störte das extrem. Wie konnte man so unsensibel sein. Maria jedoch lächelte und schwebte zu ihnen rüber.

       „Wir können die Seite nicht schließen, es ist ihr Vermächtnis an uns und alle Fans der Seite. Sie würde wollen, dass wir sie weiter führen. Schließlich sind wir auch Admins“, argumentierte die junge Frau.

       „Aber du hast dafür keine Zeit und ich kein Talent. Wie sollen wir das machen?“, erwiderte der junge Mann. Maria versuchte ihn zu hauen, aber als Geist war das nicht möglich. So versuchte sie ihre Meinung zu äußern.

       „Ihr müsst weiter machen. Das wäre mein letzter Wunsch an euch gewesen. Ihr wisst, wie wichtig mir das war.“ Die beiden bemerkten sie nicht.

       „Du hast Recht, wir haben keine Chance sie so weiter zu führen wie es war“, lenkte die Frau jetzt ein. Maria fiel alles aus dem Gesicht.

       „Was? Geht es noch? Du kannst froh sein, dass ich dich so lieb habe, sonst würde ich ab jetzt durch dein Leben spuken, für immer!“ Da ergriff der junge Mann wieder das Wort:

       „Nein, du hast Recht. Wir können die Seite nicht einfach aufgeben, dann wäre es, als würden wir Maria noch einmal verlieren. Wir müssen irgendwie weitermachen.“ So ging das immer hin und her und Maria wurde einfach ignoriert. Irgendwann wurde sie so sauer, dass sie schrie. In diesem Moment schreckte Maria aus ihrem Traum hoch. Sie hatte wirklich geschrien und war davon aufgewacht. Sie bekam kaum noch Luft und Tränen strömten ihr über das Gesicht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst sechs Uhr morgens war. Völlig fertig versuchte sie aufzustehen.

      Maria spürte jeden Knochen in ihrem Leib. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie es geschafft hatte, sich aus dem Bett zu quälen. Sie hangelte sich an den Möbeln entlang ins Bad. Dort wusch sie sich die Tränen aus dem Gesicht und humpelte danach in die Küche, weil sie schrecklichen Durst hatte und ihr Magen wild knurrte. Sie brachte alles in ihr Bett, schnappte sich ihre Jacke, die sie letzte Nacht einfach auf ihr Sofa geschmissen hatte und ging auf den Balkon. Eiskalte Novemberluft raubte ihr fast den Atem. Vorsichtig machte sie es sich auf dem Balkon so bequem wie möglich und versuchte sich beim Rauchen zu entspannen. Sie spürte, wie sie mit jedem Zug ruhiger wurde. Kassandra sah ihr missbilligend dabei zu. Sie fand es blöd, dass Maria rauchte, denn auch das war eine Gefahr, in die sie sich selbst brachte. Doch im Moment konnte sie ihr nicht wirklich böse sein, sondern war froh, dass ihr Schützling sich beruhigte. Anschließend navigierte Kassandra sie zurück in ihr Bett. Die letzte Nacht war sehr anstrengend gewesen und Maria brauchte dringend Schlaf. Nachdem diese schnell was gegessen und getrunken hatte, schrieb sie noch kurz mit ihren Freunden, die sich nach dem Unfall große Sorgen um sie machten. Dabei sah Kassandra auch die beiden Streithähne von der Beerdigung wieder. Da Kassandra keine andere Idee hatte, wie sie mit Maria in Kontakt treten könnte, schlich sie sich in ihren nächsten Traum.

      Wieder das Licht, der Aufprall und die Beerdigung. Als sie wieder zu den Streithähnen gehen wollte, sprach Kassandra sie an:

       „Hallo Maria. Weißt du, wo du bist und was passiert ist?“ Maria sah sie verwirrt an.

       „Ich hatte einen Rollerunfall und bin gestorben. Das ist meine Beerdigung. Wieso kannst du mich sehen?“

      „Du bist nicht gestorben. Du hast den Unfall überlebt und wirst wieder ganz gesund. Das hier ist nur ein Traum. Ich bin übrigens Kassandra, dein Schutzengel.“

       „Mein was? Sowas gibt es also wirklich? Dann hast du mich damals, als ich vier war aufgefangen, als ich von der Rutsche gefallen bin. Damals


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