Der Wüstensklave. J. D. Möckli

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Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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es tut gut, dass er jetzt festgehalten und aufgefangen wird.

      Geduldig abwartend, streichelt Kai immer wieder über Yaris Rücken und gibt ihm die Zeit, die er braucht, um sich zu fangen. Während sie so dasitzen, genießen Blacky und Rocky das saftige Gras.

      Als sich Yari wieder beruhigt hat, löst er sich aus der Umarmung und richtet sich mit einem Seufzen wieder auf. »Danke.«

      »Du musst dich nicht bedanken. Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.« Sich zurücklehnend, streckt er seinen Rücken durch. »Ich würde vorschlagen, wir kümmern uns um die beiden Racker und machen dann ein gemütliches Picknick, ehe wir den Rest der Strecke in Angriff nehmen.«

      Yari nickt und steigt von der Kutsche. Mit den Eimern bewaffnet geht er zum Fluss, während Kai die Futtersäcke vorbereitet. Zwar sind die beiden Pferde nicht mehr wirklich hungrig, da sie ja schon die ganze Zeit am Grasen sind, aber so einen kleinen Energieschub durch den Hafer, der sich unter dem Heu befindet, können sie sicher gut gebrauchen.

      Nachdem Blacky und Rocky ihren Durst gestillt haben, beginnen sie gierig das Heu zu fressen und schnauben zufrieden auf, als sie den Hafer am Boden der Säcke erreichen.

      Erst als Yari die Eimer noch einmal mit Wasser gefüllt und diese für später bereitgestellt hat, löst er wie am Vortag die Zügel von den Trensen und auch die Handbremse so weit, dass die Pferde sich mit einigem Kraftaufwand auf der Wiese vorwärtsbewegen können.

      Mit einem erleichterten Seufzen lässt er sich danach neben Kai auf die Decke sinken. Heute gibt es keine Erdbeeren mehr und die Äpfel haben sie ja Anna geschenkt, weshalb sie sich mit den Brötchen und dem Trockenfleisch begnügen müssen. So gut, wie frisch gebacken, schmecken die Brötchen nicht mehr, aber sie sind immer noch lecker und stillen den Hunger.

      Nachdem sie gegessen haben, legt sich Yari auf den Rücken und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Auf einmal spürt er ein Gewicht auf seinem Bauch, weshalb er erstaunt nach unten blickt und sieht, dass sich Kai auch hingelegt hat und ihn nun als Kopfkissen benutzt. Spontan legt er seine Hand auf den Oberkörper seines Shariks und sieht dann wieder in den wolkenlosen Himmel.

      So liegen sie entspannt da und genießen die Stille, bis sich Kai wieder hinsetzt. »Wir sollten langsam weiterfahren.« Lächelnd sieht er zu seinem Liebsten, der sich nun ebenfalls aufrichtet. Irgendwie wirkt Yari ein wenig verschlafen und Kai weiß, dass dies nicht nur so wirkt, hat er doch bemerkt, wie dieser leicht eingedöst ist. Darum hat er ihre Pause auch ein wenig verlängert.

      Wie schon am Tag zuvor, kümmert sich Yari um die Pferde, während Kai die Reste ihres Picknicks zusammenräumt und ihm dann dabei hilft, alles auf der Ladefläche zu verstauen, sodass sie schon nach kurzer Zeit wieder auf der Straße unterwegs sind.

      Nach gut drei Stunden erreichen sie endlich die Stadttore von Edo. In der Ferne erkennt Yari die Hochhäuser der Magistadt Tokio, in der sich auch der Palast des Tennos befindet und wo zudem der einzige Flughafen auf Japans Hauptinsel zu finden ist. Woher er das weiß, ist ihm schleierhaft, kennen doch nur wenige Menschen die Standorte der Flughäfen. Es könnte ja sonst zu Problemen führen, wenn das einfache Volk die Wahrheit über die Magie der Oberschicht herausfinden würde.

      Um diese verwirrenden Gedanken zu vertreiben, reibt sich Yari die Nasenwurzel und blickt dann wieder auf die Häuser vor sich. Deutlich ist zu sehen, dass Edo zusammen mit Tokio die Hauptstadt des Landes bildet. Es drängen sich viel mehr Menschen und Kutschen in den Straßen der Stadt, als bei ihnen zu Hause. Sogar die Autos sind hier stärker vertreten, was Yari auf Tokio zurückführt.

      Geschickt lenkt Kai die Kutsche durch das Gewusel auf der Hauptstraße, an der sich auch die meisten Geschäfte aneinanderreihen. Aufmerksam betrachtet Yari die bis zu vierstöckigen Häuser. In den Erdgeschossen befinden sich Geschäfte oder teure Wohnungen, wie Yari aus Erfahrung weiß. Auch hier sind die Häuser wie in Izusan in Erdtönen und einigen Weißabstufungen gestrichen, was zusammen mit den manchmal bunten Stoffvordächern der Geschäfte einen interessanten Anblick bietet.

      Dann biegen sie von der Hauptstraße in eine deutlich weniger befahrene Nebenstraße ab, was Kai erleichtert aufatmen lässt. »Nur noch ein paar Straßen und dann haben wir es geschafft. Hemingway lebt im wohlhabenderen Teil der Stadt, der schon beinahe an Tokio grenzt. Was wirklich praktisch ist, denn der große Markt wird jedes Jahr genau zwischen den beiden Städten aufgebaut, sodass wir bequem mit den Pferden zu Fuß hingehen und nicht immer die Kutsche nehmen müssen, da wir die Ballen gut eingepackt auf ihre Rücken schnallen können.«

      Es dauert wirklich nicht mehr lange, bis sie ein für das einfache Volk relativ großes und dazu noch alleinstehendes Haus erreichen. Ein kleiner Rosengarten bildet eine schöne Abgrenzung an der Front zum Gehweg, der an dem weißen Gebäude mit den beiden Stockwerken vorbeiführt. Was dem Haus an Höhe fehlt, macht es durch seine Breite wieder wett, kann Yari doch auf beiden Seiten der Tür vier Fenster zählen. Doch Kai hält nicht direkt davor an, sondern lenkt die Pferde um das Haus herum, sodass nun erkennbar ist, dass es auch an den Seiten über je vier Fenster verfügt.

      Hinter dem Haus lässt Kai die erschöpften Pferde anhalten. Die Stallungen sind seitlich direkt an das Hauptgebäude angebaut und im rechten Winkel dazu grenzt noch der Unterstand für die Kutschen und offensichtlich die Scheune an die Stallungen, sodass der Platz von drei Seiten komplett umschlossen wird.

      Kaum ist Kai von der Sitzbank geklettert, kommt schon ein Stallbursche auf sie zu. »Herr Kai, wie schön, dass Sie gut hier angekommen sind.« Fest greift er nach der Hand Kais und schüttelt sie kurz, während er ihm gleichzeitig die andere Hand auf die Schulter legt.

      »Jim, schön dich wieder zu sehen.« Grinsend erwidert Kai den schraubstockartigen Händedruck des rothaarigen Walisers, ehe er ihm seine Hand wieder entzieht.

      »Darf ich vorstellen? Das ist Yari. Er ist zu Hause für die Racker hier zuständig und passt wie eine Löwenmutter auf die beiden auf.« Mit der Hand deutet er auf Yari, der sich ruhig im Hintergrund hält, aber die Szene genau beobachtet.

      »Gut zu wissen.« Mit einem freundlichen Gesichtsausdruck hält er Yari die Hand hin, die nach einem Moment zögernd ergriffen wird. »Es freut mich, endlich den Sklaven zu sehen, der es geschafft hat, von dem Kleinen hier gekauft zu werden. Ich werde gut für Blacky und Rocky sorgen, du kannst aber jederzeit in den Stall kommen und uns zur Hand gehen, wenn du willst.« Deutlich ist der Akzent von den Britischen Inseln des römischen Großreiches herauszuhören.

      Von der Freundlichkeit des anderen überrumpelt, braucht Yari einige Augenblicke, bis er seine Stimme wiederfindet. »Ähm, ja, danke … Sir.« Im letzten Moment hat er sich daran erinnert, wie er einen freien Bürger ansprechen muss, wenn mit ihm gesprochen wird.

      »Ach, nenn mich einfach Jim. Das tun hier alle und das Sir klingt so hochgestochen, das passt wirklich nicht zu einem einfachen Stallburschen wie mir.« Hart schlägt der kräftige Mann mittleren Alters auf Yaris Schulter, bevor er dessen Hand endlich wieder freigibt. Dessen Zusammenzucken bemerkt er gar nicht.

      Erleichtert, dass er das überstanden hat, flüchtet Yari schon beinahe um die Kutsche herum, um die Taschen und den Picknickkorb von der Ladefläche zu holen.

      »Dein Yari scheint ja zu der schüchternen Sorte zu gehören. Das würde man bei seinem Aussehen gar nicht vermuten.« Schmunzelnd sieht Jim Kai an.

      »Das stimmt. Sag den anderen bitte, dass ich nicht möchte, dass Yari angefasst wird. Das eben war schon das höchste der Gefühle, was er von Fremden ertragen kann.«

      Sofort verfinstert sich der Ausdruck in den warmen grünen Augen des Mannes. »Hemingway hat schon angedeutet, dass der Junge wohl ziemlich viel durchgemacht hat, aber dass es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht. Ich werde es Scott und Lenny sagen. Maria wird auf ihn vermutlich sowieso wie eine Übermutter aufpassen.« Beruhigend legt er Kai die Hand auf die Schulter und blickt dann zu Yari, der sich in einigem Abstand zu ihnen hingestellt hat und abwartend die Taschen und den Korb in den Händen hält. »So, nun werde ich mich mal um die beiden Lausbuben kümmern.«

      Mit einem Händeklatschen geht Jim zu den Pferden und streichelt ihnen sanft über die Köpfe, ehe


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