HASSO - Legende von Mallorca. Wolfgang Fabian

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HASSO - Legende von Mallorca - Wolfgang Fabian


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um materielle Gewin­ne, dann war in dieser Hinsicht Hassos Erbgut unverkennbar. Denken wir nur an seinen Buchverleih in Putbus. Geschäfts­tüchtiges Handeln, in Verbindung mit einem Versäumnis, brachte ihn dann auch sogar in der Schule für Schwererziehba­re in Schwierigkeiten. Die Angelegenheit wäre im Sande ver­laufen, hätte ihn nicht ein Mitschüler, vor dem er sich mit einer Wochenend-Schwarzfahrt großspurig aufgespielt hatte, an die Lehrerschaft verraten. Hassos Vergehen: Nach einem Verwand­tenbesuch in Berlin hatte er in der Berliner Bahnhofsvorhalle einem jungen Mann, dessen Reiseziel ebenfalls Hamburg war, seine Rückfahrkarte verbilligt angeboten. Der Mann griff zu, und Hasso war im Besitz von Bargeld. Davon löste er sich eine Bahnsteigkarte (noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg für Nichtreisende erforderlich), wartete auf den Zug nach Ham­burg und passte nach dem Einstieg auf, ohne Fahrerlaubnis vom Schaffner erwischt zu werden. Wegen dieser schwerwie­genden Verfehlungen, allein seine Reise nach Berlin war in sei­ner Schule melde- und genehmigungspflichtig, steckte ihn die Schulleitung für sieben Tage in den schuleigenen Karzer, der ihm nur zu den Unterrichtstunden aufgeschlossen wurde. Diese Einrichtung eines Schulgefängnisses für Heranwachsende för­derte in Hasso zusätzlich und nachhaltig die völlige Ablehnung der autoritären, oftmals auch persönlichkeitsverachtenden Ge­sellschaftsform. Die Beziehungen des Vaters und der Name Schützendorf gestatteten es Hasso jedoch bald, weiterhin ein normal bürgerliches Gymnasium in Hamburg besuchen zu dür­fen. Dieses Institut blieb dann bis in sein achtzehntes Lebens­jahr hinein und ohne ernste Zwischenfälle seine schulische Heimat. Doch dann wurde ihm der Weg zum regulären Schulabschluss endgültig versperrt.

      Hassos Abneigung gegen das Nazi-Regime, für ihn erstran­gig in Gestalt linientreuer Lehrer, setzte sich mit fortschreiten­den Lebensjahren unaufhaltsam in ihm fest. Aber auch nicht wenige Klassenkameraden empfanden wie er, erst recht nach Kriegsbeginn. Hinausposaunte Erfolge der Wehrmacht ins Großdeutsche Reich waren für sie kein Anlass, in Jubelstürme auszubrechen. Es waren Gleichgesinnte neben Hasso, die es nach Erlangung der Reife nicht freiwillig zum Soldatenberuf ziehen würde. Sie rechneten damit, ohnehin eines Tages zum Kriegsdienst geholt zu werden, erst recht nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion im Juni 1941. Die jungen Menschen, von parteilichen Reglements ganz und gar nicht angetan, durften sich außerhalb ihres Kreises keine Äußerungen gegen die Nazis erlauben. Natürlich gab es auch Schulen oder Klassen mit nazifreundlichen Schülern.

      2. Verrat und Folgen

      Frühherbst 1941.

      Hasso, einige Klassenkameraden und Freundinnen übertrieben wieder einmal ihre Leidenschaft für den Jazz und ihre Ablehnung der Herrscherkultur der Nationalsozialisten. Wie immer kam ihnen nicht in den Sinn, sich zurück­halten zu müssen, sie waren ja unter sich. Doch was nützt die Überzeugung einer Gruppe scheinbar Gleichgesinnter, wenn sich in ihrem Kreis ein Verräter, ein Spitzel eingenistet hat. Na­türlich war ihnen, den Anhängern des Jazz, bekannt, dass ihre Musik als abartig eingestuft war und das Hören strafrechtlich verfolgt wurde. Über vermeintliche Arten der Bestrafungen dis­kutierten sie gelegentlich. Das verbotene Hören von Jazzmusik nahmen sie unter sich nicht ernst, wohl aber in der Öffentlich­keit, wo ihre Gespräche rund um den Jazz absolut tabu waren. Ernster hingegen nahm diese angeblich volksschädlichen und zersetzenden Dinge ein Junge, der sich im Jazzkreis äußerlich loyal verhielt. Zu Hassos Klassenkameraden zählte er nicht. Er wohnte in einem anderen Stadtteil, wie auch einige der Mäd­chen im Kreise der Jazzliebhaber. Dieser junge Mensch nun, Anführer einer Hitler-Jugendgruppe, was dem Freundeskreis aber verborgen geblieben war, erwies sich als Spitzel, der das laute Treiben und hörbare Denken seiner Freunde seinem HJ-Vorge­setzten meldete. Dass auch er aktiv in dem Jazzkreis mitwirk­te, war ein Mittel zum Zweck, gleichzusetzen mit den Spitzelaktivitäten des späteren SED-Regimes, überhaupt aller totalitärer Politsysteme.

       Nun, der HJ-Führer reich­te des jungen Verräters Erfahrungen weiter an die Gestapo (Ge­heime Staatspolizei), die die Angelegenheit auf ihre Weise erledigte. Welchem Treiben Hassos, eines Teils seiner Klassenka­meraden, aber auch gleichaltriger Mädchen musste die Gestapo Einhalt gebieten? Die Jugendlichen − bis zu fünfzehn kamen oft zusammen – verdienten sich in ihrer Freizeit bei einer Hamburger Filmproduktion in der Blumenstraße, die überwiegend Werbefilme produzierte, ein gutes Taschengeld. Sie wurden als Komparsen eingesetzt und verrichteten zudem alle möglichen Hilfsdienste. Hassos Zuhause in Hamburg war dann manchmal verwaist. Sein Vater hatte inzwischen in Sachen Truppenbe­treuung öfter im Dunstkreis der Wehrmachtsführung in Berlin zu tun, so kam es Hasso sehr gelegen, manchmal auch die Nächte in den Gebäuden und auf dem Werksgelände der Film­gesellschaft zu verbringen. Er schloss sich dann einem haupt­amtlichen Wachmann an und half, vorgeschriebene Kontrollen vorzunehmen, wofür er zusätzlich zehn Mark pro Schicht kas­sierte. Einbrecher waren kaum zu befürchten, Hasso ängstigten vielmehr die zunehmenden nächtlichen Flugzeugalarme. Häu­fig heulten die Sirenen schon los, wenn die Dämmerung in die Nacht überging, und die jungen Leute sich noch in den Räumen der Filmstudios aufhielten. War das Sirenengeheul und die bedrohlichen Motorengeräusche über der Stadt verstummt – Bomben waren noch nicht gefallen –, dann legten die Jungs und Mädchen ihre Jazzplatten auf, deren Musik sie dann in wil­den Tänzen auskosteten. Manchmal durften sie auch in den Filmvorführraum, wo ihnen die neuen Werbefilme, in denen sie mitwirkten, vorgeführt wurden. Da sahen sie sich dann hin und wieder im Verein mit Filmgrößen, wie Leni Riefenstahl oder Günter Lüders. Hasso, Wortführer der jungen Horde erfuhr in jener Zeit nicht nur die Bedrohung durch feindliche Flugzeuge, sondern auch seine erste große Liebe in Gestalt der reizenden Ursula Thies. Zu seinem Leidwesen erwiderte sie seine Liebe nicht sehr lange, denn gegen den Aufnahmeleiter, der sie geraume Zeit später sogar heiratete, kam er nicht an. Al­lerdings hatte die Ehe nicht lange Bestand. Denn nachdem ir­gendwann und irgendwie der amerikanische Filmschauspieler Robert Taylor sich nach dem Krieg in die Verbindung einge­bracht hatte, war die Sache schnell erledigt. Dank dieses Man­nes wurde Ursula Thies später in den USA eine gefragte Schauspielerin, galt von da an für viele Menschen sogar als die schönste Frau der Welt. Als Hasso davon erfuhr, war Deutschland längst da­bei, aus Schutt und Asche wieder aufzusteigen.

       Das Bespitzeln von Schul- und der Komparsenkameradschaft durch einen speziell beauftrag­ten Hitlerjungen – heute, wie gesagt, erinnernd an die Machen­schaften der Stasi in der DDR – war der Beginn von Hassos Abstieg, der schnell in einen freien Fall übergehen sollte. Die Gestapo war selbstverständlich nicht nur von dem permanenten Hören der Jazz-Musik informiert worden, sondern auch von dem Plan der Gymnasiasten, irgendwann heimlich nach Schwe­den entwischen zu wollen, um von dort aus gegen die Nazikul­tur zu agieren. Die Organisation der Reise in das skandinavi­sche Land sollte einem Gruppenmitglied übertragen werden, dessen Vater Mitarbeiter im schwedischen Konsulat in Hamburg war. Dies alles hatte nun die Gestapo erfahren und schlug sofort zu. Bei der nächsten Zusammenkunft wurden Hasso und seine Freunde – die anwesenden Mädchen blieben verschont – ver­haftet und in die Polizeileitstelle im Stadtteil Fuhlsbüttel ge­bracht, wo man sie eindringlichen Verhören unterzog ... den angeblichen Rädelsführer Hasso etwas schärfer. Seine Mitver­hafteten setzte man nach sechs Tagen Eingesperrtsein wieder auf freien Fuß, ihn hingegen verurteilte die Gestapo in einem Schnellverfahren zu einer sechsmonatigen Haftstrafe, die er als Nazi- und Volksschädling im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg zu verbüßen hatte. Warum bestrafte die Gestapo Hasso am schärfsten? Sie hielt ihn für einen kommen­den gefährlichen Aufrührer und Systemgegner. Zwar verbot das Gesetz, Per­sonen unter dem 21. Lebensjahr auf diese Weise zu bestrafen, bei dem erst siebzehnjährigen Hasso machte die Gestapo aber eine Ausnahme. Sie folgte ihren eigenen Gesetzen, sie hielt die Macht im Staat in ihren Händen. Was kümmerte sie die regulä­re Justiz. Dennoch schwächte sie diesen Fall ab, indem sie Va­ter Eugen von der Verurteilung seines Sohnes unterrichtete und Hasso offiziell als Polizeihäftling bezeichnete. Polizeihäft­linge wurden einer sogenannten polizeimedizinischen Untersu­chung unterzogen, was die Gestapo als das Sonderrecht eines Polizei- und niemals eines KZ-Häftlings deklarierte. So kurios es auch anzusehen ist: Hasso war theoretisch ein Polizei-, aber praktisch ein

      KZ-Häftling. Der erboste Vater Eugen wandte sich an den Reichsjustizminister, der auch prompt bei der Gestapo intervenierte, was aber regelrecht im Sande verlief.

       Wie es in einem Konzentrationslager zuging, muss hier


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