Das Erbe des Kreuzritters. Josef Hahn
Читать онлайн книгу.hatte.
Bei der Eroberung von Jerusalem wateten sie alle fast knöcheltief in Blut. Die Kreuzfahrer nahmen die Stadt nach einem fünfwöchigen, verlustreichen Kampf am 15. Juli 1099 ein.
Sie richteten ein grausames Gemetzel unter den Muslimen und den Juden an und töteten auch noch die in der Stadt verbliebenen Christen.
All diese Scheußlichkeiten und noch viel mehr wollte Freiherr Gerfried möglichst schnell vergessen. Sein ältester Sohn hatte ihm beim Heimritt seinen Entschluss gestanden, ehebaldigst in ein Kloster eintreten zu wollen. Er wollte als Mönch für die Untaten der christlichen Ritter im Heiligen Land lebenslange Buße tun.
Freiherr Gerfried war zwar damit ganz und gar nicht einverstanden, sah aber keine Möglichkeit, Huberts Vorhaben zu verhindern. Aber immerhin brächte ein Mönch in der Familie vielleicht zusätzliches Seelenheil für die Angehörigen? So überlegte er.
Sein zweiter Sohn Hartmut war ein Schwächling und Träumer. Hartmut war zwar schon Sechszehn, zeigte aber keinerlei Interesse am ritterlichen Handwerk. Er trieb sich lieber im Wald herum und beobachtete bloß die Tiere, statt sie zu jagen. Er kommt leider zu sehr nach seiner Mutter, grämte sich Gerfried. Aber auch das konnte er zu seinem Leidwesen nicht ändern.
Zur feierlichen Begrüßung der Heimkehrenden hatten sich Alle im Burghof versammelt. Man merkte den Ankommenden die Strapazen ihrer Reise deutlich an. Sie waren, wie ihre Gäule, abgemagert und tiefe Furchen unter den Augen zeugten von schrecklichen Erlebnissen.
Ein fetter Domherr aus dem Bistum Kremsmünster war auch angereist, der ihnen die Glückwünsche und den Segen des Bischofs ausrichtete. Wie es die Sitte gebot, überreichte Heidelinde, seine Frau, dem Gatten nun wieder den Schlüssel zum Burgtor. Zum Zeichen, dass nun wieder Gerfried die alleinige Dominanz darüber hatte, was in und außerhalb der Burg zu geschehen hatte.
Gemeinsam mit Heidelinde öffnete man nun die mitgebrachten Kisten und Gerfried freute sich sehr über die entzückten Ausrufe seiner Frau, die besonders über die mitgebrachten feinen Stoffe und die wohlriechenden aber unbekannten Gewürze ganz begeistert war.
„Da habe ich noch was ganz Besonderes!“ Gerfried zerrte einen Leinensack hervor, öffnete ihn und breitete den Inhalt am Boden aus. Es war eine massive Platte aus Elfenbein, mit 32 quadratischen Feldern. Davon die Hälfte mit Gold ausgelegt und die andere Hälfte mit Silber. Ein allgemeines >Ah< und >Oh< folgte.
„Dazu gehören auch noch bestimmte Figuren“, dozierte er weiter. „Ein König, eine Königin, Befestigungen, Renner, Pferde und Leibeigene. Es ist angeblich ein Schlachtspiel. Ich habe es von einem Juden bekommen. Er nannte es >Schatrandsch3<. Seinen wertvollsten Schatz. Wie man damit umgeht hat er mir aber nicht erklärt.“
Was Gerfried wohlweislich verschwieg, war, dass er den armen Teufel gefoltert hatte und ihm Nase und Ohren abschnitt, bevor ihm der Jude das Versteck seines Vermögens verriet.
Es war wirklich eine außergewöhnlich wertvolle Beute. Die Figuren waren ebenfalls aus hellem und dunklem Elfenbein feinst ziseliert. Der König und die Königin zeigten noble Gesichter, Die Höhe der Figuren betrug in etwa ein und einen halben Fuss4. An Stelle der Augen waren große strahlende Edelsteine eingefasst.
Natürlich, in den Tiefen des Waldes hatte man zu dieser Zeit keine Ahnung vom Schachspiel5 oder von Elfenbein. Sie waren eben richtige Hinterwäldler, die Rattenbergs.
Elfenbein wurde damals nur für sakrale Gegenstände in renommierten Klöstern benützt. Die Mönche fertigten daraus Behälter für Hostien, Reliquien, Kruzifixe, Triptychen und Bischofsstäbe. Dem einfachen Volk waren die Stoßzähne eines Elefanten völlig unbekannt.
Also trugen sie das wertvolle Stück samt den Figuren vorsichtig ebenfalls in die Kammer und Gerfried vergaß es alsbald.
Der Domherr mokierte sich: „Einem Juden abgenommen? Dann kann es nur Teufelswerk sein. Besser, man lässt die Finger davon!“ Deutlich war ihm dabei anzumerken, dass er das >Teufelswerk< gerne für sich mitgenommen hätte.
Gerfried gab dem fetten Domherrn bloß einen goldenen Teller, verbunden mit der Bitte, man möge doch einige Messen für die armen Seelen lesen, die aus dem Heiligen Land nicht mehr zurückgekehrt waren. Der Domherr versprach dies auch, fügte aber hinzu, dass es wohl besser wäre, noch ein zusätzliches Opfer zu geben. Dann würden die Gebete der frommen Mönche ganz sicher Gott erreichen. Also gab er ihm auch noch einen silbernen Trinkbecher dazu, denn der Domherr sichtlich erfreut annahm. Den Rest ließ Gerfried in die Kammer bringen, zu der nur Heidelinde und er den Schlüssel hatten.
Hubert und Gerfried wuschen sich den Staub von der Reise ab und freuten sich auf das Festmahl, das Heidelinde für sie vorbereiten hat lassen. Sie wurden auch nicht enttäuscht.
Die Burgherrin hatte Eiersuppe mit Safran, gebratenes Huhn mit Zwetschgen, in Schmalz gebackene kleine Vögel mit Rettich, Schweinekeule mit Gurke und gebratene Gans mit roten Rüben vorbereiten lassen. Danach bot man noch Aniskuchen, Striezel, Krapfen, Fladen, Brezel und Honigkuchen an. Dazu trank man selbstgebrautes gewürztes dunkles Bier und Humpen von Wein6.
So gut habe er schon lange nicht mehr gegessen, lobte Gerfried die küchentechnische Planung Heidelindes und die Kunst der Köchin. Dabei tropfte ihm das Fett von der Gans in den Bart und der Saft der roten Rüben hinterließ deutliche Spuren.
Seinem Gesinde, das im Burghof lagerte, ließ er großzügiger Weise die Reste der Sau und auch die abgenagten Knochen der Gänse bringen. Für eine kräftige Suppe würde das allemal reichen. Den Rest würden dann die Hunde kriegen. Ein lautes >Vivat< belohnte ihn dafür.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein zweiter Sohn, Hartmut, gar nicht anwesend war. Er furzte erstmal kräftig und wollte sich gerade nach Hartmut erkundigen. Da ging plötzlich die Saaltür auf und Hartmut stolperte herein. Hinter ihm wackelte eine junge Weibsperson, die dümmlich grinste.
„Spät erscheinst Du, mein Sohn! Komm her und begrüße deinen Vater!“
Hartmut tat wie ihm Gerfried gebot. Er küsste Gerfried ehrfurchtsvoll die Hand.
„Was bringst Du uns da für eine Weibsperson mit“, erkundigte sich Gerfried. „Tritt näher, mein Kind. Wer bist Du?“
„Ich bin die Gertrud, hoher Herr. Die jüngste Tochter des Schultheißen7 Gottfried“, stammelte das Mädchen und errötete.
„Eine Bauerndirne? Was hast Du dann hier zu suchen? Habe ich Dich gerufen? Marsch in den Burghof zu dem Gesindel, wo Du hingehörst“, alterierte sich Gerfried.
Hartmut mischte sich ein. „Gertrud ist meine Verlobte, hoch geehrter Vater. Wir wollen mit Gottes und deinem Segen heiraten. Wir lieben uns!“
Der Freiherr wurde nun richtig böse. „Waaas? Heiraten? Einen Bauerntrampel? Ein Stück Hundescheiße? Bist Du verrückt geworden?“
Hartmut ließ sich von der Brüllerei seines Vaters aber nicht einschüchtern. „Gertrud trägt ein Kind, mein Kind und deinen Enkel, unter ihrem Herzen. Ich werde sie nicht in Schande stürzen. Gib uns deinen Segen, Vater!“
„Meinen Segen? Für Dich und diese Bauernmetze? Nie und nimmer! Sie hat ihre Beine für Dich breit gemacht und will damit bloß dem Stand entkommen wo sie von Gott hingestellt wurde! Schick sie zum Teufel. In die Hölle! Dort soll sie für ihre Lasterhaftigkeit ewig büßen. Sie und der Bastard. Nie und nimmer kann so etwas mein Enkel sein!“
Gertrud begann bei den harten Worten des Freiherrn laut zu schluchzen. Dicke Tränen flossen ihr die Wangen herab. Hartmut legte tröstend seinen Arm um sie. „Vater! Ich bitte Dich! Wir lieben uns! Ich werde nicht von ihr lassen!“
Gerfried wurde noch wütender. „Bitten? Mich? Auf keinen Fall! Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder nach Scheiße stinkende Bauerntrampel in den Adel pudern würde. Entweder Du schaffst die Metze jetzt sofort weg oder Du bist mein Sohn gewesen!“
Der Domherr mischte sich nun ebenfalls ein: „Es ist eine Todsünde der Fleischeslust ohne Verheiratung zu frönen. Der Herr