Der Mensch. Helmut Lauschke
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Helmut Lauschke
Der Mensch
Licht und Schatten
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Inhaltsverzeichnis
Das Mädchen Sarah, das um Hilfe ruft
Das Mädchen mit dem Knochensarkom
Alfred Lehmann, gelernter Maurer
Kurt Lehmann, der Fregattenkapitän, besucht seinen Vater
Das fruchtlose Gespräch mit dem Verwaltungsdirektor
Professor Baródin eröffnet das erste neurologische Nordsymposium
Geburt
Licht und Schatten
Meinen Söhnen Christian und Tristan zur Weitung des Blickfeldes und zur Vertiefung des Denkens
Die Frage kommt, wo ist der Mensch mit den Gedanken, denn der Umbruch steht bevor. Das wird begreiflich vor dem Tor, wenn es anfängt mit dem Schwanken.
Es bringt die ganze Unschuld unbekümmert mit ins Leben, will sie heil und ganz der Zukunft weitergeben, auch wenn es mit den Himmelsaugen blickt, es bringt das Gute den Menschen, zunächst den Eltern, zum Heben im Mute. Aus dem Kleinen kommt das Sprossen hin zum Großen, vom Großen soll es gerade weitergehen hin zum Größten, was die Wahrheit ist in der Tugend schlichter Menschlichkeit, der schönsten Blüte, die es hier zu blühen gibt.
Fürwahr, die Geburt des Kindes läuft nicht ohne Schmerzen, das nehmen gebärende Mütter sich zu Herzen, die sich mutig den Presswehen ergeben, um den Spross fürs Leben in die Welt freizugeben. Der Geburtsschmerz wird sogleich vergessen, wenn der Sprössling durch sein Dasein beginnt zu scherzen, dass der Mutter die Freudentränen rollen, die sich des höchsten Glückes nicht erwehren kann.
Auf der Körpertrasse des elterlichen Blutes sprosst das Leben, wer wollte dem großen Ereignis nicht die volle Ergebenheit zollen, während der Mutter die Tränen des Glücks über die Wangen rollen, die nicht zum Stehen kommen trotz des ständigen Wischens. Geburt ist das Geborenwerden der neuen Hoffnung, die die alte und verbrauchte Hoffnung ablöst, weil neues Leben Neues schafft und keimen lässt, denn die Schöpfung ruht nicht und setzt neue Kräfte frei.
Die Geburt gibt den Blick der Bestimmtheit nach vorn, denn zurück für eine Weile grimmt der Schmerz, der umso flüchtiger wird fürs Mutterherz, je inniger sie die Blicke dem Sprössling schenkt. Geburt, die Zukunft wird geboren auf den Tag und auf die Stunde, welch eine Größe richtet sich auf über dem Entbindungsbett, während die Mutter den Jüngsten in den Armen hält und küsst. Das Format des Tages muss neu begriffen und verstanden werden.
Die Geburt ist das Zündungselement des Perpetuum mobile im großen Lebenskreis vom Kommen und Gehen mit dem nicht endenden ‘Da capo con repetitione’. Es ist der letzte Schöpfungsschritt in der molekularen Struktur der zellulären Ausformung des Menschen, wie er zuvorderst der grundlegenden genealogischen Schöpfungsidee entspricht. Die menschgewordene Sichtbarkeit mit den Händen und Füßen und dem Kopf gilt dem Träger der Morphe von Antwort und Verantwortung.
Die Geburt ist die Da capo Antwort der jüngsten Zündung ins Leben, das die Menschheit in der Ganzheit weiterträgt aus dem Vergangenen in die Erwartungen der noch nicht gelebten Zukunft, aus der Zeitlosigkeit in die vergängliche Zeit mit den klopfenden Schlägen der Stunden des neuen Erwachens in den Tagen und Nächten im Aufbau von Atmung und Rhythmus auf dem Felde der Arbeit und der Ruhe. Die Augen werden sich öffnen zum staunenden Sehen im Licht, was aus dem Planeten in seinen Weiten, Höhen und Tiefen geworden ist.
Es ist das Leben, das nicht sterben will, aber der Vergänglichkeit unterliegt in der Einmaligkeit des Einzelnen, des Individuums der Persönlichkeit mit seinen Wegen über Höhen und durch Täler und den vielen Steinen, die mit rissigen Sohlen und den Wunden zwischen den Zehen zu gehen sind. Die Geburt ist der Anfang der vielen Fragen und der wenigen Antworten, als wäre das Ungeordnete soweit in Ordnung und das seit Generationen, dass Augen noch erstaunter blicken, wenn die Frage gleich die Antwort findet, was für den Gang der Dinge von alters her ganz ungewöhnlich ist.
Gedanken über Art und Herkunft fassen Fuß, wenn sie paarig passen und das im Stehen wie im Gehen oder Laufen über weite Strecken und dabei alte und anderswie hundertjährige Erinnerungen wecken und das besonders dann, wenn und solange Füße die Lebensträger sind. So ist die Geburt das Neue mit den Augen, dann den Händen und den Füßen, ob die Fingrigkeit das Gesetz der Fünfheit eingehalten oder überschritten hat. Die Norm ist die Pentadaktylie, die der gesunden Anatomie des Menschen angehört, das Mehr oder Weniger an Fingern zwängt die Ästhetik ein und stört.
Doch wie sich über Zeitenlängen der Jahrtausende die Menschenformen ändern, dass Augenlider sich breiter und Nasen schmäler rändern, so kommt mit Blick in die Tiefen und Höhen der Schöpfung der Gedanke auf, dass im Kern des noch unsichtbaren Seins die Regeln der Wandlung unterliegen. Die Geburt gründet somit auf dem Wunder der letztendlichen Unberechenbarkeit, wenn das Gesicht dem elterlichen des Vaters oder der Mutter gleicht und das mehr oder weniger, je genauer geschaut und dazu gemessen wird, denn die Verwandtschaft trägt und erträgt das Blut für die Jahre der Atmung.
Der Geburt gebührt der Dank der genetischen Verlängerung hin zum Fortbestand in den Welten der gestiegenen Forderungen und Hindernisse, aber auch der Hoffnung, dass sich die Umstände dem Leben enger angleichen unter Einbeziehung der Achtung vor der Würde des Menschen und dem verlängerten Schöpfungspotential in ihm. Augen und Ohren, die Nase, der Mund, die Stirn mit den Schläfen des Verborgenen, die Lippen des Verwegenen, neue Dinge kommen ans Licht, die verführerisch sind. Die Haut ist noch vom Fruchtwasser überzogen, so frisch stellt sich neues Leben dar, das sich dem Mutterleib eben entzogen hat und auf die ersten Daseinsstufen getragen wird.
Der Mund eröffnet die Stimme zum ersten Mal, die der neuen Umgebung entgegenschreit und es lauter tut, nachdem das Fruchtwasser aus Mund und Nase abgesaugt ist. Dem ersten Aufschrei kann unschwer entnommen werden, dass die Heimat des Seins in der Mutter wärmer, geschützter und damit sehr viel behaglicher war. Was die Welt draußen zu bieten hat, kommt an die schützende Mutter