Eine wählerische junge Lady. Catherine St.John
Читать онлайн книгу.anspannen zu lassen, und zog sich wieder zurück.
„Warum offen?“
„Damit man uns sieht, Schäfchen! Oh, die Herrions sind in der Stadt. Das ist wohl die junge Lady Hertwood? Ganz reizend, meinst du nicht, meine Liebe? Wir sollten sie einladen…“ Sie grinste Melinda an, die lachen musste, aber dann wieder ernst wurde. „Es könnte auch heißen Ach, schau doch, diese Herrions! Gab es da nicht eben erst einen Skandal? Etwas mit dem Vater der jungen Lady? Soll er nicht geradezu ein Betrüger gewesen sein? Ich weiß nicht, ob wir solche Leute auf unserem Ball sehen wollen, meine Liebe... Und dann?“
„Unsinn! Du kannst doch nichts für die Taten deines Vaters! Und hat Seb nicht erzählt, dass Benedict in der Gegend sehr gut aufgenommen worden ist? Keinerlei Ablehnung!“
„Benedict war ja auch das Opfer dieser Machenschaften“, argumentierte Melinda, die sich mittlerweile wieder erhoben hatte und insgeheim überlegte, ob sie sich umkleiden sollte.
„Na, du doch wohl auch? Er hat dich ja schandbar behandelt! Komm, wir lassen uns nur schnell Umhänge und Hüte bringen und machen uns auf den Weg.“
Melinda nickte ergeben: Gegen die Energie Cecilias war kein Ankommen.
Wenig später rollten sie in leichtem Trab durch die Straßen Mayfairs. Cecilia registrierte gelegentliches Winken von Damen aus entgegenkommenden Kutschen – das sie zu erwidern pflegte – und interessierte Blicke von Gentlemen auf der Straße, die natürlich vornehm ignoriert wurden. Immerhin trug der Wagen ja das Herrionsche Wappen mit der Eiche, also waren zudringliche Blicke eine Unverschämtheit, über die man am besten hinwegsah. Melinda lächelte, wenn Cecilia winkte, und staunte ansonsten über den Betrieb auf der Straße. Diese Mengen an Fahrzeugen aller Art, dazwischen Reiter auf zumeist nervösen Pferden – kein Wunder, wenn man an den Lärm allenthalben dachte!
Waren wurden aus- und eingeladen, Kohlen wurden geliefert, die Fußgänger drängten sich vor den eleganten Geschäften…
„Wollen wir hier wirklich aussteigen? In dieses Getümmel?“
„Wir können wohl nicht umhin“, war Cecilias trockene Antwort, „wenn wir nicht auf jedem Ball das gleiche alte Kleid tragen wollen. Was, glaubst du, wird man dann über uns klatschen?“
„Oh. Ja, dann hilft es wohl nichts…“
Der Wagen hielt vor Madame Fleurons Etablissement, der Lakai, der hinten aufgestanden war, sprang ab und öffnete mit tiefer Verbeugung den Schlag, zuerst für Lady Hertwood, dann für die Ehrenwerte Miss Herrion. Beide dankten mit gnädigem Kopfnicken und schritten auf das Atelier zu.
„Das war schon einmal ein sehr guter Auftritt“, murmelte Cecilia. „Wie zwei Herzoginnen.“
Madame Fleuron kam ihnen mit ausgestreckten Armen entgegen: „Mylady, Miss Herrion, herzlich willkommen! Die wunderbare Mrs. Ramsworth hat Sie bereits avisiert. Lassen Sie uns sehen, wie wir Sie ausstatten können…“
Es folgten mehrere zunächst vergnügliche, dann aber recht anstrengende Stunden, an deren Ende jede der Damen fünf Ballkleider und einen ganzen Berg Vormittags- und Nachmittagskleider, Ausfahrgarnituren und kleine Abendkleider für bescheidenere Einladungen ihr eigen nennen konnte. Und ein Großteil würde schon morgen oder doch gewiss in den nächsten Tagen geliefert werden!
„Ich brauche doch gar nicht so viel“, hatte Melly protestiert. „Ich bin schließlich schon verheiratet! Du suchst doch einen Gemahl!“
„Aber wir wollen ja elegant auftreten! Soll Sebastian sich schämen, wenn du immer wieder die gleiche Ballrobe trägst?“
„Du glaubst, das fiele ihm auf? Und soll er sich über den Verlust eines Vermögens grämen, das wir bei Madame Fleuron gelassen haben?“
„Aber Mylady“, hatte die Schneiderin versucht, die Wogen glätten, „Mylady haben doch eine so elegante Figur… Ihrer beider Auftreten könnte mir durchaus neue Kundinnen verschaffen…“
„Das sei Ihnen gewünscht“, antwortete Melinda mechanisch, ohne zu wissen, worauf die Fleuron hinaus wollte. Cecilia lächelte wissend.
„Und deshalb, Mylady, Miss Herrion, kann ich Ihnen im Preis durchaus ein wenig entgegenkommen…“ Sie schrieb eine nicht unbeträchtlich niedrigere Summe auf ein Täfelchen und hielt es aufgrund ihrer reichen Erfahrung nicht der jungen Lady, sondern Ihrer etwas weltgewandteren Schwägerin hin. Cecilia nickte gnädig. „Das gefällt uns, nicht wahr, Melinda?“
Melinda stimmte hastig zu, obwohl sie die Summe immer noch exorbitant fand. „Du musst dafür nicht dein Nadelgeld drangeben“, murmelte Cecilia ihr zu. „Dafür ist Sebastian zuständig, er wollte doch nach London!“
„Du auch!“, zischelte Melinda zurück. „Ich wäre auf Herrion durchaus zufrieden gewesen!“
Cecilia kicherte und bat darum, die Rechnung an Seine Lordschaft zu schicken und alles, was sie gleich mitnehmen konnten, zum Wagen bringen zu lassen.
Madame Fleuron versprach, dass alles Übrige so rasch als möglich geliefert werde.
„Ich hoffe, es geht nicht so aufwendig weiter“, sagte Melinda, als sie wieder im Wagen saßen, Hutschachteln und Päckchen zu ihren Füßen.
„Keine Sorge, das war schon fast alles. Naja, bis auf Kleinigkeiten. Aber da gibt es auch so hinreißende Etablissements wie den Pantheon Bazaar. Den musst du gesehen haben! Als ich mein Debüt hatte, war er noch geschlossen, er wurde erst vor vier Jahren wiedereröffnet und ich habe gehört, er sei aufregender denn je.“
„Unbedingt – nur nicht mehr heute“, seufzte Melinda. „Ich bin so etwas nicht gewöhnt, hab etwas Geduld mit mir.“
Cecilia tätschelte ihr die Hand. „Schon recht, wir werden dich langsam an die Hindernisse heranführen.“
„Wie ein Pferd? Herzlichen Dank.“
„Morgen Vormittag besuchen wir den Bazaar – und nachmittags zeigen wir uns im Hyde Park. Um fünf, das ist elegant. Ich bin sicher, dann kommen noch mehr Einladungen und wir können uns die besten aussuchen.“
„Bei den vornehmsten Gastgebern?“
„Und mit den interessantesten Gästen“, erklärte Cecilia.
„Woher kann man das vorher wissen?“
„Seb wird es wissen, er weiß genau, wer mit wem verkehrt und wer wen kennt. Auf jeden Fall werden wir zuallererst zu Mrs. Ramsworth gehen, das ist ein sehr guter Anfang. Und jetzt, denke ich, braucht du eine kleine Ruhepause.“
„Oh ja“, seufzte Melinda, während ihr aus dem Wagen geholfen wurde, „ich weiß auch nicht, warum ich so schnell ermüde. Vielleicht ist es die Stadtluft…“
Cecilia schnupperte. „Du könntest Recht haben. Sogar in den vornehmen Vierteln ist der Geruch etwas unerfreulich. Von der Themse halten wir uns wohl besser fern, darin treibt einfach zu viel Unrat, von Schlimmerem gar nicht zu reden.“
Melinda drehte sich um und rümpfte die Nase. Cecilia hüpfte aus dem Wagen und lachte. „Du hast ja Recht – aber denk doch mal an die armen Menschen, die im Osten der Stadt in den Armenvierteln leben – oder nahe der Themse! Es müsste wirklich Bestrebungen geben, dort die Verhältnisse zu verbessern!“
„Ich fürchte, wenn du das zu deinem Konversationsthema machst, wirst du unverlobt nach Berkshire zurückkehren“, warnte Melinda, reichte Hut, Schal und Handschuhe einem Lakaien und steuerte den Blauen Salon an. Morley eilte sogleich herbei und wurde beauftragt, Tee zu bringen.
„Das glaube ich gar nicht unbedingt“, meinte Cecilia dann, neben Melinda bequem auf einem der Sofas installiert. „Ich könnte dieses Thema doch als Test verwenden, ob ein Gentleman modern denkt und sich um die wichtigen Fragen der Zeit kümmert. Oder ob er einer der zahlreichen Hohlköpfe ist, die hier die Ballsäle bevölkern.“
„Ich werde deine Erfolge beobachten“, spöttelte Melinda und schloss ermattet die Augen.
„Was