KREATIV ARBEITEN. Uwe Hammer
Читать онлайн книгу.wir unsere Kreativität wieder zum Leben erwecken können. Zugegeben wir können die Uhr nicht zurückdrehen, aber vielleicht hilft es, wenn wir uns die Entwicklung eines Kindes ansehen um herauszufinden, wann und warum wir uns von unserer ursprünglich üppig vorhandenen Kreativität entfernt haben.
Die Geburt stellt im Laufe des menschlichen Lebens sicher den stärksten Einschnitt seiner Lebensweis dar. Mussten wir uns im Mutterleib um absolut nichts kümmern, so wird uns gleich nach der Geburt einiges abverlangt. Plötzlich umgibt uns eine ungekannte Kälte und wir müssen lernen unseren Wärmehaushalt zu kontrollieren und stabilisieren. Wir müssen eigenständig atmen, Nahrung aufnehmen und verdauen und unseren Kreislauf regulieren.
Licht in einer ungekannten Intensität trifft auf unser Auge. Unser noch junges Gehirn wird mit unbekannten Form, Farben und Tönen geradezu bombardiert.
Alles neu, alles anders und mit Sicherheit alles sehr beängstigend.
Ab etwa 2- 3 Monaten können wir die Stimme unserer Mutter von der Stimme anderer Menschen unterscheiden. Erweckt etwas unser Interesse so sind wir in der Lage diesem Reiz mit unseren Augen zu folgen.
Etwas später haben wir das Lächeln erlernt, eine Fähigkeit die uns den Aufbau von Bindungen insbesondere zu unseren Eltern, die als unsere Ernährer eine herausragende Rolle für uns spielen, erheblich erleichtern.
Mit etwa 6 Monaten beginnen wir mit den ersten Sprachübungen, lernen zu sitzen und beginnen mit den ersten Krabbelübungen.
Mit etwa 8 Monaten erfolgt ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt, der als Objekt- Permanenz bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit zu erkennen, dass Objekte auch dann noch existieren, wenn das Kind diese nicht mehr unmittelbar sehen kann. Wir wissen also, dass auch Dinge außerhalb unseres Blickfeldes existieren und wir beginnen sogar danach zu suchen.
Bisher war die Welt nur eine große Einheit mit uns als Zentrum, wir waren die Welt. Erst so langsam stellen wir fest, dass es auch noch Dinge außerhalb unserer Existenz gibt, die nicht zu uns selbst gehören.
In den folgenden Wochen lernen wir uns aus dem Liegen aufzurichten, stabil und frei zu sitzen, erste wenn auch noch recht unelegante Fortbewegungsarten wie Kriechen, Rutschen und Robben auszuüben. Etwas später kommt das Stehen und das wenn auch zu Beginn etwas unsicher gehen. Von nun an sind wir in der Lage unsere Umwelt selbstständig zu erkunden und das nicht immer zur Freude unserer Eltern, aber unsere Forschungsdrang ist unbändig.
Mit ca. 2 Jahren können wir uns selbst im Spiegel erkennen. Eine Fähigkeit die nur wenige Tiere besitzen (Schimpanse, Orang-Utans, Elstern, Keas, Delphine).
Ein weiterer bedeutender Schritt ist die Erkenntnis, dass die Welt unterteilt ist in Ich und alles andere und dass es noch jede Menge andere Ich`s gibt. Wir beginnen langsam zu verstehen, dass die Menschen um uns herum einen eigenen Willen und Gefühle haben und wir beginnen deren Gefühle anhand von Sprache, Betonungen und Mimik zu interpretieren.
Wir lernen sprechen und den Gebrauch anderer Ausdrucksmöglichkeiten wie Kopfschütteln und Nicken. Von jetzt ab lernen wir bis zu 100 Wörter pro Monat und unsere Sprache verändert sich von Einwort- Stadium zu Sätzen mit mehreren Wörtern und grammatikalischer Struktur.
Mit zunehmenden Alter steigert sich unsere Sozialkompetenz und wir sind in der Lage mit anderen Kindern gemeinsam zu spielen und Regeln zu akzeptieren oder gar selbst aufzustellen. Ab ca. 5 Jahre erkennen wird, das es Frauen und Männer gibt.
Der Eintritt in die Welt der Normen und Regeln
Mit dem sechsten Lebensjahr tritt eine weitere folgenschwere Entwicklung in unser Leben, eine Entwicklung, die nicht in erster Linie von uns selbst oder unserer biologischen Uhr aus geht, sondern die von außen an uns herangetragen wird, der Eintritt ins Schulleben.
Waren wir bisher relativ frei (was allerdings im erheblichen Maßen vom nicht selten falschen Ehrgeiz unserer Eltern abhängig ist) in unserer Zeiteinteilung und in unserer Entscheidung was wir tun oder lassen wollen, treten ab diesen Zeitpunkt Normen und Regeln und vor allem ein von außen geprägtes Zeitmanagement in unser Leben.
Vieles was wir bisher gelernt haben, haben wir freiwillig, aus eigenem Interesse gelernt, Wir haben anderer Menschen beobachten und versucht von diesen Beobachtungen zu lernen, vieles auf der uns eigenen Wiese. Wir haben ausprobiert, und im Rahmen unserer Möglichkeiten Dinge hinterfragt, wir haben uns über Erfolge gefreut, und Misserfolge haben uns nicht etwa frustriert (zumindest nicht Dauerhaft) sondern angespornt, es nochmal zu versuchen, oder es auf eine andere Art und Weise zu versuchen. Zeit spielte meistens keine Rolle, von außen auferlegter Erfolgsdruck war uns unbekannt.
Vom Eintritt in die Schule ändert sich sehr vieles. Aus dem spielerischen Lernen mit Freude, wird plötzlich ein Lernen unter Erfolgs- und Zeitdruck. Aus dem Lernen auf unserer Weise wird schlagartig ein Lernen nach Normen und Regeln. Plötzlich können wir nicht mehr unseren Impuls folgen (zum Beispiel aufstehen und herumtollen, wann immer uns danach war).
Sie haben es wahrscheinlich geahnt, dass all das was sich von nun an verändert hat, genau das ist was unsere bisherige Kreativität ausgemacht hat. Der Eintritt in die Schule ist der Anfang vom Ende unserer Kreativität.
Wir könnten es uns jetzt leicht machen, und alle Schuld dem Schulsystem oder noch einfacher den Lehrern zuzuschreiben. Aber das stimmt natürlich nicht, denn einen kleinen Teil dieser Schuld tragen auch unserer Eltern, aber den absoluten Löwenanteil der Schuld tragen wir höchst persönlich. Denn wir selbst sind verantwortlich für unser Leben und somit auch für die Kreativität in unserem Leben. Und wenn wir ehrlich sind, können wir auch ohne Kreativität ein recht angenehmes Leben führen. Kreativität ist keine Voraussetzung für unser Leben und auch keine Voraussetzung für Glück in unserem Leben.
Kreativität ist Luxus, insbesondere wenn man das Leben des einzelnen Menschen betrachtet, aber für die Gesellschaft ist sie unerlässlich. Für die Gesellschaft aber ist es ausreichend, wenn 5 -10% der Menschen kreativ sind. Man stelle sich einmal vor, 100% der Menschen wären ausgesprochen kreativ und wäre nur bereit Arbeiten mit einer hohen Kreativitätsanforderung zu verrichten, das reinste Chaos. Wenn zum Beispiel mein Auto defekt ist, brauche ich niemanden, der sich zehn Möglichkeiten überlegen, wie er mein Auto theoretisch reparieren könnte, oder der mir ein nettes, tröstendes Gedicht auf den Fahrersitz legt, nein ich brauchen einen fähigen Mechaniker, der mein Auto repariert. Ich möchte hier nicht sagen, dass man als Mechaniker nicht kreativ sein muss oder kann, es geht mir vielmehr um die Aussage, dass er in dem Augenblick, in dem er das Auto repariert mehr auf sein Fachwissen und sein handwerkliches Geschick angewiesen ist, um gute Arbeit zu leisten, Kreativität ist in den meisten Fällen nicht zwingend erforderlich.
Meines Erachtens trägt das Schulsystem genau dieser Tatsache Rechnung. Unsere Schulsysteme legen ihren Fokus auf Bildung, oder besser gesagt auf das Vermitteln von Bildung, da das global betrachtet für die Gesellschaft von größerem Nutzen ist, als die Förderung von Kreativität.
Die Vermittlung von Bildung, aber ist von ihrem Grundwesen her nicht kreativitätsfördern.
Das Fördern der Kinder und insbesondere deren Kreativität kann aber nicht allein der Schule oder den Lehrern überlassen werden, hier sollten auch die Eltern eine entscheidende Rolle spielen. Solange die Kinder klein sind, wird dieser Aufgabe auch gerne übernommen, indem versucht wird durch die Anschaffung von pädagogisch wertvollem Spielzeug die Fantasie der Kinder anzuregen. Sobald die Kinder jedoch in die Schule kommen, lässt dieses Bestreben nach und weicht allzu oft der Überwachung der schulischen Leistungen. Ich möchte hier nicht behaupten, dass es falsch ist, sein Kind beim Lernen für die Schule zu unterstützen, aber es ist falsch, die Förderung der Kreativität beim Eintritt in die Schule zu beenden.
Kleinkinder benötigen keine Förderung ihre Fantasie. Sie entwickeln die meiste Fantasie, wenn wir sie beim Spielen weitestgehend sich selbst überlassen. Wenn wir uns da einmischen, auch wenn wir es gut meinen, so werden wir einzig und allein unser erwachsenes