Kurtisanengespräche. Pietro Aretino

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Kurtisanengespräche - Pietro Aretino


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Kurtisanengespräche

      Erotische Bibliothek

      Band 22

      Pietro Aretino

      Kurtisanengespräche

      Die Gespräche des göttlichen Pietro Aretino

      Erstmals erschienen 1534/1839 unter dem Titel Ragionamenti

      Aus dem Italienischen von Heinrich Conrad 1903

      © Lunata Berlin 2019

      Inhalt

       Erster Teil

       Der erste Tag

       Der zweite Tag

       Der dritte Tag

       Zweiter Teil

       Der erste Tag

       Der zweite Tag

       Der dritte Tag

       Anmerkungen

       Über den Autor

       Die erotische Bibliothek

      Erster Teil

      Pietro Aretino seinem Äffchen

      Heil, mein Joko, Heil dir! Sieh, das Glück hält jetzt auch über Tiere seine Hand – denn es hat dich aus deiner Heimat fortgeführt und zu mir gebracht. Ich habe bemerkt, daß du unter deiner Affengestalt eigentlich ein großer Herr bist, wie Pythagoras in Gestalt eines Hahns ein Philosoph war; darum widme ich dir diese Arbeit oder vielmehr diese Belustigung von achtzehn Vormittagen, nicht als einem Affen, nicht als einem Makak, nicht als einem Pavian, sondern als einem großen Herrn. Und selbst wenn ich nicht vom Geheimnisbewahrer der Mutter Natur erfahren hätte, daß du ein solcher bist, und wärest du auch nur ein Tier, so hätte ich doch Nannas Gespräche mit der Antonia dir dediziert. Haben doch auch die alten Römer nicht nur den Mörder jenes Raben, dessen ganzes Verdienst sein Gruß an Cäsar war, mit dem Tode bestraft und seine Leiche von zwei Negern auf einer Bahre mit einem Flötenspieler voran zu Grabe tragen lassen, sondern sogar die Stätte, wo er liegt, Ridiculus benamset: Nun, wenn im Altertum so viele vernünftige Leute eine derartige Dummheit verübten, so darf wohl auch in unseren Tagen ein fröhlicher Narr sich mal eine leisten.

      Ja, du bist ein großer Herr, das will ich dir beweisen. Zunächst: Du siehst aus wie ein Mensch und bist, was du bist; sie aber heißen große Herren und sind auch, was sie sind. Du schluckst in deiner Gefräßigkeit alles hinunter, was du bekommen kannst; sie sind ebenso gefräßig, und zwar in einem Grade, daß die Völlerei schon nicht mehr zu den Sieben Todsünden gerechnet wird. Du mausest, was du findest, und war's nur 'ne armselige Nadel; sie stehlen so frech, daß es ihnen auch auf Menschenblut nicht ankommt, nur sehen sie sich den Ort an, wo sie ihre Räubereien begehen – aber auch dies machst du ja geradeso. Sie sind freigebig, davon wissen ihre Diener und ihre Untertanen ein Lied zu singen – man frage sie nur! Ebenso zuvorkommend und höflich bist auch du – das können die bezeugen, die mal versucht haben, etwas, was du hattest, dir aus den Tatzen zu nehmen oder zu reißen! Du bist so sinnlich, daß du mit dir selber Unzucht treibst; sie machen's ohne Scham mit demselben Stück Fleisch ebenso. An Frechheit nimmst du's mit dem schamlosesten und nehmen sie es mit dem hungrigsten Bettler auf. Du bist immer voll Unrat, sie sind immer mit Salben beschmiert; dein Wirbelkopf treibt dich immer im Kreise herum, nirgends kannst du stillsitzen, und ihr Gehirn ist geradeso bedächtig wie dein unruhiges Wesen. Deine Affenstreiche bilden das Ergötzen des Volkes, ihre Staatsangelegenheiten sind das Gelächter der Welt. Du hast Angst vor jedermann, und jedermann hat Angst vor dir; sie werden von allen gefürchtet und fürchten alle. Deine Laster sind unvergleichlich, die ihrigen sind unschätzbar. Du schneidest jedem eine Grimasse, der dir nichts zu essen mitbringt; sie sehen jeden scheel an, der nichts zu ihrem Amüsement anzugeben weiß. Sie kümmern sich nicht um den Tadel, den man gegen sie erhebt; du hörst nicht auf die Scheltreden, die man dir hält. Und um auch das nicht zu vergessen: Wenn die großen Herren Affen-Gesichter haben, so haben auch die Affen große Herren-Gesichter. Doch wieder zu dir, mein Jokochen! Wenn du nicht geradeso geschmacklos wärest wie die Fürsten, so würde ich wohl einiges zur Entschuldigung des freien Stils sagen, worin dies Werk gehalten ist, das ich unter den Schutz deines Namens stelle. Gewiß wird dieser Name ihm geradeso nützlich sein wie die Namen der großen Herren jenen Machwerken, die man jeden Tag schändlicherweise ihnen dediziert unter Berufung auf Vergils ›Priapea‹ oder auf die unzüchtigen Stellen in den Schriften Ovids, Juvenals und Martials. Aber da du geradeso gebildet bist wie sie, so will ich darüber nichts weiter sagen, und zum Lohn dafür, daß ich dich unsterblich mache, erwarte ich nichts weiter als einen Biß, den du mir schon bei passender Gelegenheit versetzen wirst. In gleicher Münze zahlen ja auch die Großkotzen den Verfassern der ihnen gewidmeten Lobschriften, denn sie verstehen von den Wissenschaften geradesoviel wie du. Beinahe hätte ich gesagt, auch ihre Seelen gleichen der deinen, aber das wäre ja nicht höflich. Doch soviel darf ich sagen: Die großen Herren verbergen ihre Fehler hinter den Büchern, die für sie angefertigt werden, geradeso, wie du deine Häßlichkeiten unter den Kleidern versteckst, die ich dir habe machen lassen.

      Und nun, mein durchlauchtigster Joko – den Titel Durchlaucht führen ja auch die großen Satrapen, und mit geradesoviel Recht wie du –, nimm mir mein Buch weg und reiß die Blätter heraus! Die großen Herren reißen ja nicht nur die Blätter heraus, sondern wischen sich sogar damit den – na, darüber brauch ich dir nichts weiter zu sagen: Ruhm und Ehre ist das für die Musen, die mit aufgehobenen Röcken hinter jenen herlaufen und dafür von ihnen geachtet werden, wie du mich achtest! Vielleicht hättest du's gern gesehen, wenn ich in Nannas Erzählungen von den Nonnen auch den äußeren Anschein deiner Schandmäuligkeit vermieden hätte. Nanna ist eine Schwätzerin und plappert heraus, was ihr auf die Zunge kommt, und es ist ganz recht, wenn man den Nonnen alles Böse nachsagt, denn so, wie sie sich der breiten Menge zeigen, sind sie schlimmer als die gemeinsten Dirnen. Schon haben sie die ganze Welt vollgemacht von Kindern des Antichrist, und mit dem Gestank ihrer Sittenverderbnis nehmen sie den reinen Blüten der Jungfräulichkeit die Lebensluft. Ich meine die Himmelsbräute und Mägde des Herrn, denn auch solche gibt es ja noch. Wenn ich nur daran denke, so fühle ich mich ganz erfrischt von dem wundersamen Hauch von Heiligkeit und Frömmigkeit, der einem in die Seele dringt, sobald man ihren Heimstätten sich naht, wie der liebliche Rosenduft uns in die Nase steigt, sobald wir an einem Ort vorbeigehen, wo Rosen blühen. Wir verlangen nicht mehr nach Engelsmusik, wenn wir sie die heiligen Gesänge anstimmen hören, mit denen sie Gottes Zorn besänftigen, indem sie ihn bewegen, uns unsere Schuld zu verzeihen. Von diesen also, die treu ihrem Gelübde der Keuschheit nachleben, von diesen spricht Nanna nicht, wie wir auch von ihr selber hören werden in ihrem Gespräch mit der Antonia, sondern sie spricht nur von denen, deren Sündengeruch des Teufels Riechbüchslein ist. Und gewiß! So, wie ich es niemals wagen würde, einen anderen Kaiser anzubeten und ehrfurchtsvoll zu preisen als nur Cäsar allein, einen anderen zu besingen als den großen Antonio da Leva, einen anderen Herzog zu erheben als den Herzog von Urbino, einen anderen Marchese zu dienen als dem Marchese del Vasto, einem anderen Fürsten aufzuwarten als dem Fürsten Salerno, von anderen Grafen zu sprechen als von Guido Rangone und Massimiano Stampa – so hätte ich das, was ich über die Nonnen zu Papier gebracht habe, weder zu denken noch zu schreiben gewagt, wäre ich nicht der Überzeugung gewesen, mit der Flamme meiner feurigen Feder die Schandmale ausbrennen zu müssen, mit denen ihre zuchtlose Brunft


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