Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Jacob Grimnm

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Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Jacob Grimnm


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      Wladimir Jakowlewitsch Propp (* 29. April 1895 in Sankt Petersburg; † 22. August 1970 in Leningrad) war ein russischer Folklorist deutscher Abstammung.

       https://www.grin.com/document/14048

      Zunächst soll diese Gattung anhand ihres Ursprungs, ihres Verständnisses und ihrer Theorien kurz erläutert werden. Dies geschieht zur Einführung in die Thematik. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt allerdings auf Vladimir Propp, genauer: auf dessen Ansatz zur strukturalistischen Märchenforschung. In diesem Teil geht es um Inhalte seines Ansatzes und um ursprüngliche Anwendungsgebiete. Daraufhin soll diese Form der Analyse auf ihre generelle Anwendbarkeit geprüft werden. Zu diesem Zweck werden zwei Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm anhand der strukturalistischen Merkmale analysiert und miteinander verglichen. Abschließend werden noch weitere Forschungsansätze zur Analyse von Märchen vorgestellt.

      Märchen gehören, ebenso wie Fabeln und Novellen, zu den phantastischen Erzählungen in kurzer Form. Die märchenhafte Erzählung beinhaltet bedeutungsvolle Augenblicke, in denen unendliche Zusammenhänge der alltäglichen Welt offenbart werden. Märchen sind im Volk entstanden, frei erfunden und mündlich überliefert. Sie zeigen keinerlei räumliche oder zeitliche Festlegung. Die in ihnen beschriebenen Begebenheiten und Gestalten sind phantastisch in dem Sinne, dass sie im Widerspruch zu natürlichen Gegebenheiten stehen.

      Die auffälligsten Eigenschaften von Kunst- und Volksmärchen sind das Vorhandensein von Helden und widersprüchlichen Charakteren: die einen sind gut und schön, die Gegner böse und hässlich. Häufig beinhalten diese Märchen Lehren oder Lebensweisheiten und sie sind grausam, da Elemente wie Mord, Raub, Entführung (um nur einige zu nennen) stets vorkommen.

      Historisch einordnen lassen sich Märchen in die Epoche der Romantik (1795-1830), deren bedeutsamste Märchensammlung (die „Kinder- und Hausmärchen“) durch die Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm aufgezeichnet wurde. Angeregt wurden sie dazu u. a. von Achim von Arnim und Clemens Brentano, die die Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ zusammenstellten. Ursprünglich wurden Märchen als Unterhaltungsmittel an Adelshöfen eingesetzt, heutzutage werden sie vorwiegend Kindern als ‚Gute-Nacht-Geschichten’ erzählt.

      Die wissenschaftliche Erforschung von Märchen verläuft in unterschiedliche Richtungen. Die Gebrüder Grimm bemühten sich intensiv um eine entstehungsgeschichtliche Darstellung der Märchen, die auf Heldensagen und Mythen basiert. Auch tiefenpsychologische Untersuchungen gab es, beispielsweise von Carl Gustav Jung, der versuchte, auf diese Art und Weise Einblicke in die menschliche Gefühlswelt zu erlangen. André Jolles beschäftigte sich mit Formen und Stil von Märchen und anderen Erscheinungsformen phantastischer Erzählungen. Die Erscheinungsformen von Märchen waren Gegenstand der Arbeit von Max Lüthi. Die strukturalistische Analyse von Vladimir Propp, um die es im Folgenden gehen soll, beschäftigt sich mit morphologischen Kriterien innerhalb einer geschlossenen Märchenstruktur.

      2. Der strukturalistische Ansatz von Vladimir Propp

      2.1 Darstellung

      Der russische Märchenforscher Vladimir Propp beschreitet in seinem Werk „Morphologie des Märchens“, welches 1969 in russischer Sprache erschienen ist (hier aber in deutscher Sprache aus dem Jahr 1972 vorliegt) und seine 1928 entstandene Studie zur Märchenforschung enthält, einen neuen, eigenen Weg zur Erforschung von Märchen. Er wählt einen Ansatz, der sich von anderen Forschungsmethoden insofern abgrenzt als er sich mit strukturellen Gesetzmäßigkeiten innerhalb von Märchen beschäftigt. Propp bemängelt an vorangegangenen Ansätzen hauptsächlich die äußere Betrachtungsweise:

      „Obwohl jeder Forschung eine bestimmte Klassifizierung zugrunde liegt, muss diese selbst doch das Ergebnis gewisser Vorarbeiten sein. Bisher können wir aber gerade das Gegenteil beobachten. Die Mehrzahl der Forscher beginnt mit der Klassifizierung. Sie übertragen ihr System von außen auf die betreffenden Märchen, anstatt den umgekehrten Weg zu gehen. Wie wir noch feststellen werden, verstoßen sie dabei außerdem häufig gegen die elementarsten Unterscheidungsregeln.“

      Eine Klassifizierung nimmt Propp erst nach der Analyse von Strukturmerkmalen vor, erst dann kann man mit Sicherheit feststellen, um welche Form des Märchens es sich handelt.

      Wichtigste Aufgabe so scheint es, ist eine Art revolutionärer Neuerungen innerhalb des Forschungsbereiches. Propp formuliert es wie folgt: „Die Erforschung der Struktur sämtlicher Märchenarten ist die wichtigste Voraussetzung für eine historische Erforschung des Märchens und die Analyse formaler Gesetzmäßigkeiten eine Voraussetzung für die Erforschung historischer Gesetzmäßigkeiten.“ Als Grundlage für seine Untersuchungen nutzt der Autor eine Sammlung russischer Zaubermärchen, die von Alexander Afanasev zusammengestellt worden ist. Zur Eingrenzung des Arbeitsumfanges reichen laut Propp 100 Märchen aus.

      Einen Anhaltspunkt zur Entwicklung einer eigenen Methode findet Propp schließlich in der Arbeit der sogenannten finnischen Schule, dabei greift er auf die Theorie von Antti Aarnes zurück, der eine Einteilung in Tiermärchen, eigentliche Märchen und Schwänke vorgenommen hat. Allerdings scheint ihm diese Art der Unterteilung noch zu ungenau, deshalb formuliert er an dieser Stelle seinen Forschungsansatz: „Im Verlauf unserer Arbeit werden wir nachzuweisen versuchen, dass eine Analyse nach einzelnen Bestandteilen die richtige Methode der Erforschung ist.“

      Der Hauptbestandteil der Arbeit Propps liegt in der Untersuchung von „31 Funktionen der handelnden Personen“, ihnen widmet er ein ganzes Kapitel (Kapitel 3) und definiert sie dort klar: die im folgenden genannten Funktionen basieren auf vier „Feststellungen“, die Propp zuvor nennt: 1. haben Märchen „konstante“ (dies sind die Funktionen) und variable (dies sind die Personen) „Elemente“; 2. sind die Funktionen begrenzt; 3. folgen die Funktionen dem Gesetz der Reihe und 4. bilden alle „Zaubermärchen“ strukturell betrachtet nur einen Typ. Natürlich hat Propp auch andere Kriterien zur genauen Klassifizierung entwickelt und in seinem Werk beschrieben, diese sind jedoch als ergänzende Hilfsmittel zu betrachten und sollen in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt werden, da es hier speziell um einen Strukturvergleich geht.

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Grafik 52

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       Kinder- und Hausmärchen

       https://www.projekt-gutenberg.org/grimm/khmaerch/khmaerch.html

      Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich

       Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich

Grafik 35

      In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schloss des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Wald unter einer alten Linde war ein Brunnen; wenn nun der Tag sehr heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

       Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hineinrollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief, dass man keinen Grund sah. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu: „Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken hässlichen Kopf aus dem Wasser streckte. „Ach, du bist's, alter Wasserpatscher,“ sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinabgefallen ist.“ „Sei still und weine nicht,“ antwortete der


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