Die zweite Frau. Eugenie Marlitt
Читать онлайн книгу.wirst mir zugeben, daß ich das einzig und allein mit mir auszumachen habe.«
»Mein Gott, ja! ... Aber nun – was nun weiter?«
»Was weiter?« lachte Mainau. »Eine Hochzeit, Rüdiger.«
»Wahrhaftig? ... Du hast ja nie in diesem Rudisdorf verkehrt – ich weiß es ganz genau ... Also eine schleunigst acquirierte Braut aus dem Almanach de Gotha?«
»Erraten, Freund.«
»Hm – von erlauchtem Geschlecht ist sie, aber, aber – Rudisdorf ist, wie man weiß, jetzt – verödet ... Wie sieht sie denn aus?«
»Guter Rüdiger, sie ist eine Hopfenstange von zwanzig Jahren mit rotem Haar und niedergeschlagenen Augen – mehr weiß ich auch nicht. Ihr Spiegel wird das besser wissen ... Bah, was liegt daran? ... Ich brauche weder eine schöne, noch eine reiche Frau; nur tugendhaft muß sie sein – sie darf mich nicht inkommodieren durch Handlungen, für die ich mit einstehen müßte – du kennst ja meine Ansichten über die Ehe.«
Jenes stolz grausame Lächeln, das vorhin die Herzogin erbleichen gemacht, zuckte wieder über sein Gesicht hin – offenbar in der Erinnerung an die »eklatante Revanche«.
»Was bleibt mir übrig?« sagte er nach kurzem Schweigen mit frivoler Leichtigkeit. »Der Onkel hat mir Leos Hofmeister Knall und Fall fortgejagt, weil er nachts im Bette las und konsequent knarrende Stiefel trug, und die Erzieherin hat die üble Gewohnheit, entsetzlich zu schielen und im Vorübergehen Konfekt von den Platten zu naschen – sie ist unmöglich. Ich aber will in der Kürze nach dem Orient gehen, ergo – brauche ich eine Frau daheim ... In sechs Wochen vermähle ich mich – willst du mein Trauzeuge sein?«
Der Kleine trippelte von einem Fuß auf den anderen. »Was will ich denn machen? Ich muß wohl,« versetzte er endlich halb zornig, halb lachend; »denn von denen dort« – er deutete nach einer Gruppe flüsternder und herüberschielender Kavaliere – »geht dir keiner mit – darauf kannst du dich verlassen.«
»Du, Gabriel,« sagte gleich darauf der kleine Leo aufgeregt zu dem weißgekleideten Knaben, »die neue Mama, die kommt, ist eine Hopfenstange – hat der Papa gesagt – und rote Haare hat sie wie unser Küchenmädchen ... Ich kann sie nicht leiden; ich will sie nicht haben – ich schlage mit der Gerte nach ihr, wenn sie kommt.«
3.
»Liane, da sieh her! Raouls Brautgeschenk! – Sechstausend Thaler wert!« rief die Gräfin Trachenberg in das Zimmer herein – dann rauschte die über die Schwelle.
Der Salon, in welchen sie trat, lag parterre in einem Seitenflügel des stolzen Schlosses. Seine ganze Vorderseite sah aus wie eine riesige, hier und da von feinem Bleigeäder und sehr schmalen Thürpfeilern unterbrochene Glasscheibe, welche einzig und allein das Fußgetäfel des Zimmers von der draußen in grandiosem Stil sich hinbreitenden Terrasse schied. Ueber das Terrassengeländer hinaus sah man auf breite Rasenflächen, durchschnitten von Kieswegen, deren Kreuzpunkte weiße Marmorgruppen bezeichneten. Dieses elegante Parterre umschloß ein Gehölz, scheinbar undurchdringlich wie ein Wald und gerade der Mittelthür des Salons gegenüber von einer schnurgeraden, fast endlos tiefen Allee durchlaufen, welche ein hochaufspringender, im Maienlicht funkelnder Wasserstrahl vor dem fernen blauduftigen Höhenzug abschloß.
Das Ganze – Schloß und Garten – war ein Meisterstück in altfranzösischem Geschmack; aber ach – aus dem Steingefüge der Terrasse stiegen keck und verwegen ganze Schwärme gelber Mauerblümchen, und die unvergleichlich schön modellierten Rasenflächen sträubten sich in despektierlich wuchernden Unkrautbüschen und fingen an, in die Wege auszulaufen; die breite Kiesbahn der Allee aber deckte bereits das intensivste Smaragdgrün ... Und auf was alles mußten erst die prachtvollen Stuckfiguren des Plafonds im Gartensalon niedersehen! ... Sie waren abscheulich blind und wackelig, diese Rokokomöbel an den Wänden; sie waren vor langen Zeiten als unmodern aus den brillanten Schloßräumen verstoßen worden und hatten alle Stadien der Demütigung durchlaufen müssen bis in die Stallknechtstuben hinab, wo sie dem Sand und Strohwisch verfielen und abgescheuert wurden ... Nun standen sie wieder da auf dem Parkett, hohnlächelnde Zeugen der unerbittlichen Konsequenzen eines herausgeforderten Schicksals. Alle die Prachtmöbel, die sie einst verdrängt, die kostbaren Spitzengardinen, die Bilder, Uhren, Spiegel, die nach ihnen gekommen, waren dem Hammer verfallen – sie wanderten hinaus nach allen vier Winden, und nur das alte verachtete Gerümpel durfte bleiben und wurde ängstlich reklamiert; denn es gehörte zum Fideikommiß und durfte nicht verkauft werden, als – die Sequestration über sämtliche Güter des Grafen Trachenberg verhängt wurde. Das war vor vier Jahren geschehen – »ein schmachvolles Zeichen der ruchlosesten Zeit, ein empörender Sieg des Kapitals über das Ideale, den ein gerechter Himmel nie hätte zugeben sollen,« sagte die Gräfin Trachenberg immer.
Inmitten des Gartensalons stand eine lange eichene Tafel, an deren einem Ende eine Dame von auffallender Häßlichkeit saß. Fast schreckerregend wirkte der große Kopf mit dem starren, entschieden roten Haar und der vollkommensten Negerphysiognomie unter der zwar zarten, weißen, aber mit Sommersprossen bedeckten Haut. Nur die Hände, die so emsig arbeiteten, waren von leuchtender Schönheit, wie Marmorgebilde. Sie drehte einen blauen Syringenzweig zwischen den Fingerspitzen – man meinte, der Duft müsse von der Blütendolde fliegen und das Zimmer erfüllen, so frisch gebrochen schwankte sie am Stengel; aber dieser Stengel wurde eben mit einem feinen, grünen Papierstreifen umwickelt – es war eine künstliche Blume.
Beim Eintritt der Gräfin Trachenberg fuhr die Dame erschrocken zusammen; die Blume flog auf die Werkzeuge, und mit eiligen Händen wurde ein weißes Tuch über die Zeugen der Arbeit geworfen.
»Ach – die Mama!« stieß ein junges Mädchen halb murmelnd heraus. Es stand am anderen Ende der Tafel, mit dem Rücken zur Thür. Ueber diesen Rücken hinab fiel es im flammenden Schein wie ein Mantel – die junge Dame hatte das Haar bis an den Scheitel aufgelöst; gleichmäßig, ohne sich in einzelne Strähnen zu teilen, hing das unglaublich reiche, stark rötliche Blond seine glänzenden Spitzen bis auf den Saum des hellen Musselinkleides.
Bei diesem Anblick hemmte die Gräfin einen Moment ihre Schritte.
»Weshalb so derangiert?« fragte sie kurz, nach dem aufgeflochtenen Haar deutend.
»Ich habe heftige Kopfschmerzen mit heimgebracht, liebe Mama, und da hat mir Ulrike die Flechten gelöst,« antwortete die junge Dame mit einem Anflug von Aengstlichkeit in der Stimme. »Ach, es ist eine entsetzliche Last!« seufzte sie auf und hing den Kopf in den Nacken, als gebe sie der Wucht nach.
»Du warst wieder einmal draußen im Sonnenbrand und hast zum Gaudium der Bauern Unkraut heimgeschleppt?« fragte die Gräfin streng und hohnvoll zugleich. »Wann endlich wird die Kinderei aufhören?« Sie zuckte die Achseln und ließ einen verachtungsvollen Blick über die Tafel gleiten. Da lagen ganze Stöße neben einer Pflanzenpresse – die junge Dame hatte eben mit vorsichtigen Fingern einige Orchideen aus der Botanisiertrommel genommen, um sie zwischen Papier zu legen.
Ihro Erlaucht, die Gräfin Trachenberg, geborene Prinzessin Lutowiska, wußte sehr genau, saß ihre älteste Tochter, Gräfin Ulrike, künstliche Blumen fertigte, die als Modelle nach Berlin wanderten und gut bezahlt wurden; das Geschäft ging durch die Hand der alten verschwiegenen Amme, und niemand ahnte die Grafenkrone über der Stirn der gesuchten Künstlerin ... Der Frau Gräfin war es auch nicht verschwiegen geblieben, daß ihr einziger Sohn, der Erbherr von Trachenberg, das verachtete Unkraut, im Verein mit seiner Schwester Juliane, vortrefflich präparierte und als Sammlung einheimischer Pflanzen – unter angenommenen Namen – nach Rußland verkaufte. Aber eine geborene Prinzessin Lutowiska durfte das nicht wisse – wehe der Hand, die sich beim Blumenmachen ertappen ließ, wehe der Zunge, die ein Wort über den Ursprung des erhöhten Einkommens fallen ließ – es war ja alles eitel Spielerei, zu der man ein Auge zudrücken mußte, und damit basta!
Die Dame griff im Nähertreten nach dem Haar des jungen Mädchens und wog »die entsetzliche Last« auf der Hand – etwas wie eine Regung mütterlichen Stolzes flog über das schöne, scharf gezeichnete Gesicht.
»Raoul