Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi

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Anna Karenina | Krieg und Frieden - Leo Tolstoi


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schnell noch einmal hinzu.

      Der Geistliche schwieg eine Weile, wie in Gedanken versunken.

      »Wie ich gehört habe, beabsichtigen Sie mit der Tochter meines Pfarrkindes und Beichtsohnes, des Fürsten Schtscherbazki, in die Ehe zu treten?« fragte er dann lächelnd. »Ein vortreffliches Mädchen!«

      »Ja«, erwiderte Ljewin und errötete über diese ihm ungehörig scheinenden Worte des Geistlichen. ›Wozu braucht er mich danach in der Beichte zu fragen?‹ dachte er.

      Und wie wenn er auf diesen Gedanken Ljewins antwortete, sagte der Geistliche zu ihm:

      »Sie beabsichtigen in die Ehe einzutreten, und Gott wird Sie vielleicht mit Nachkommenschaft segnen, nicht wahr? Nun, welche Erziehung werden Sie Ihren Kleinen geben können, wenn Sie nicht in Ihrer eigenen Seele die Versuchung des Teufels, der Sie zum Unglauben verleitet, besiegt haben?« fragte er mit mildem Vorwurf. »Wenn Sie ihr Kind lieben, so werden Sie als ein guter Vater ihm nicht nur Reichtum, Wohlleben und Ehren wünschen, sondern Sie werden auch sein wahres Heil wünschen, seine geistige Erleuchtung durch das Licht der Wahrheit. Nicht wahr? Was werden Sie ihm nun aber antworten, wenn das unschuldige Kindlein Sie fragt: ›Lieber Vater, wer hat alles das erschaffen, was mich in dieser Welt ergötzt: die Erde, und die Gewässer, und die Sonne, und die Blumen und die Gräser?‹ Wollen Sie ihm wirklich antworten: ›Ich weiß es nicht‹? Und es ist ja nicht möglich, daß Sie es nicht wissen sollten, da Gott der Herr es Ihnen in seiner großen Gnade geoffenbart hat. Oder aber Ihr Kind wird Sie fragen: ›Was erwartet mich nach dem Tode im Jenseits?‹ Was werden Sie ihm sagen, wenn Sie nichts darüber wissen? Welche Antwort werden Sie ihm geben? Wollen Sie Ihr Kind der Hinterlist der Welt und des Teufels überlassen? Das wäre nicht recht gehandelt!« sagte er, hielt inne, beugte den Kopf zur Seite und blickte Ljewin mit seinen guten, sanften Augen an.

      Ljewin antwortete ihm jetzt nichts mehr, nicht deshalb, weil er sich mit dem Geistlichen nicht in einen Streit einlassen wollte, sondern weil ihm noch niemand solche Fragen vorgelegt hatte. Er meinte, wenn einmal seine Kleinen diese Fragen an ihn richten würden, dann würde es immer noch Zeit sein zu überlegen, was er ihnen antworten solle.

      »Sie treten jetzt in einen Abschnitt Ihres Lebens ein«, fuhr der Geistliche fort, »wo Sie Ihren Weg werden wählen und dann unbeirrt verfolgen müssen. Beten Sie zu Gott, daß er in seiner Gnade Ihnen helfe und sich Ihrer erbarme!« schloß er. »Unser Herr und Gott Jesus Christus verzeihe dir, mein Sohn, in seiner Gnade und in der Fülle seiner Liebe zu den Menschen ...«, und nachdem der Geistliche das Absolutionsgebet zu Ende gesprochen hatte, segnete er Ljewin und entließ ihn.

      Als Ljewin an diesem Tage nach Hause zurückkehrte, hatte er die angenehme Empfindung, daß seine unbehagliche Lage beendet war, und zwar beendet war, ohne daß er hatte zu lügen brauchen. Außerdem war ihm eine unklare Erinnerung haftengeblieben, daß das, was dieser gute, liebe Alte gesagt hatte, ganz und gar nicht so töricht sei, wie es ihm am Anfang vorgekommen war, und daß etwas darin liege, worüber er sich klarwerden müsse.

      ›Natürlich nicht jetzt gleich‹, dachte Ljewin, ›sondern später einmal.‹ Ljewin hatte jetzt in höherem Grade als früher die Empfindung, daß etwas in seiner Seele unklar und unrein sei und daß er sich in religiöser Hinsicht in derselben Lage befinde, die er bei anderen so deutlich wahrnahm und so wenig leiden konnte und die er auch seinem Freunde Swijaschski zum Vorwurf machte.

      Den Abend dieses Tages brachte Ljewin mit seiner Braut bei Dolly zu; er war besonders vergnügt und sagte zu Stepan Arkadjewitsch zur Erklärung der aufgeräumten Stimmung, in der er sich befand, er sei vergnügt wie ein Hund, den man dazu abrichtet, durch den Reifen zu springen, und der, nachdem er endlich das, was von ihm verlangt wird, begriffen und ausgeführt hat, nun aufjohlt und schwanzwedelnd vor Entzücken auf die Tische und Fensterbretter springt.

      2

      Am Hochzeitstage durfte Ljewin dem Brauche gemäß (auf der genauen Innehaltung aller Bräuche bestanden die Fürstin und Darja Alexandrowna mit großer Strenge) seine Braut nicht sehen und speiste in seinem Hotel zu Mittag, und zwar mit drei Junggesellen zusammen, die sich zum Teil zufällig zu ihm gefunden hatten. Dies waren: erstens Sergei Iwanowitsch; dann Katawasow, ehemals sein Kommilitone auf der Universität, jetzt Professor der Naturwissenschaften, den Ljewin auf der Straße getroffen und mit sich ins Hotel geschleppt hatte; und endlich Tschirikow, Friedensrichter in Moskau, Ljewins Genosse auf der Bärenjagd und jetzt sein Hochzeitsmarschall. Das Mittagessen gestaltete sich höchst vergnügt. Sergei Iwanowitsch war in heiterster Laune und hatte seine Freude an Katawasows eigenartigem Wesen. Sobald Katawasow merkte, daß seine Art Verständnis und Würdigung fand, begann er geflissentlich, sie zur Schau zu stellen. Tschirikow beteiligte sich fröhlich und gutmütig an jedem Gespräche.

      »Wenn man so bedenkt«, sagte Katawasow und zog dabei nach einer Gewohnheit, die er sich auf dem Lehrstuhl zu eigen gemacht hatte, die Worte in die Länge, »was für ein hochbefähigter junger Mensch unser Freund Konstantin Dmitrijewitsch gewesen ist! Ich rede von jemand, der nicht hier ist; denn dieser Konstantin Dmitrijewitsch lebt nicht mehr. Auch liebte er damals, als er von der Universität abging, die Wissenschaft und interessierte sich für das Wohl der Menschheit; aber jetzt hat er die eine Hälfte seiner Fähigkeiten darauf gerichtet, sich selbst zu betrügen, und die andere, diesen Betrug zu rechtfertigen.«

      »Einen entschiedeneren Gegner der Ehe als Sie habe ich noch nie gefunden«, sagte Sergei Iwanowitsch.

      »Nicht doch, ich bin kein Gegner der Ehe. Ich bin nur für Arbeitsteilung. Leute, die nichts anderes hervorbringen können, die sollen Menschen hervorbringen; die übrigen aber sollen an der geistigen Bildung und dem Glück der Menschheit arbeiten. Das ist meine Auffassung. Unzählige versuchen, die beiden Berufsarten miteinander zu vereinigen; ich gehöre nicht zu diesen.«

      »Wie glücklich werde ich sein, wenn ich einmal hören werde, daß Sie sich verliebt haben!« sagte Ljewin. »Bitte, laden Sie mich dann zu Ihrer Hochzeit ein.«

      »Verliebt bin ich schon.«

      »Ja, in den Tintenfisch. Weißt du«, wandte sich Ljewin zu seinem Bruder, »Michail Semjonowitsch schreibt eine Abhandlung über die Ernährung und ...«

      »Na, richten Sie keine Verwirrung an! Aber es ist ja ganz gleichgültig, worüber ich schreibe. Die Hauptsache ist, daß ich wirklich den Tintenfisch liebe.«

      »Aber der wird Sie nicht hindern, eine Frau zu lieben.«

      »Der Tintenfisch würde mir nicht hinderlich sein, wohl aber die Frau.«

      »Wieso denn?«

      »Das werden Sie schon noch sehen. Sie lieben ja die Landwirtschaft und die Jagd; na, da passen Sie mal auf!«

      »Heute war Archip hier und sagte, es gäbe in Prudnoje eine Unmenge Elentiere und zwei Bären«, sagte Tschirikow.

      »Na, die müssen Sie also schon ohne mich schießen.«

      »Das wird wohl nicht anders gehen«, erwiderte Sergei Iwanowitsch. »Und auch für die Zukunft kannst du nur der Bärenjagd Lebewohl sagen; da wird dich deine Frau nicht mehr hinlassen!«

      Ljewin lächelte. Die Vorstellung, daß seine Frau ihn nicht werde auf die Jagd gehen lassen, hatte für ihn etwas so Angenehmes, daß er bereit war, für immer auf das Vergnügen zu verzichten, einen Bären wieder zu Gesichte zu bekommen.

      »Aber schade ist es doch, daß diese beiden Bären ohne Ihre Mitwirkung erlegt werden sollen. Denken Sie wohl noch an das letztemal in Chapilowo? Das war eine wundervolle Jagd«, sagte Tschirikow.

      Ljewin wollte ihm nicht den Wahn benehmen, daß es irgendwo ohne Kitty etwas Schönes geben könne, und antwortete deshalb nicht.

      »Nicht ohne guten Grund hat sich doch dieser Brauch herausgebildet, vom Junggesellenleben förmlich Abschied zu nehmen«, meinte Sergei Iwanowitsch. »Mag sich einer bei seiner Verheiratung auch noch so glücklich fühlen, es tut ihm doch leid um seine Freiheit.«

      »Gestehen Sie es nur ein: es ist Ihnen auch wohl so zumute


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