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Читать онлайн книгу.zu lange“, brummte sie mit widerstrebender Zufriedenheit.
„Ah, junge Dame“, sagte Hauptmann Gaver, als er sie fast umlief. „Ist es nicht ein schöner Tag?“
Bis zu diesem Moment, dachte Claudile, und ging rasch einen weiteren Schritt zurück als ihre gesteigerten Sinne seine Abneigung gegen das Waschen mitteilten. „Du musst Gaver sein, stimmt es?“
„Ja, so ist es, nja. Hauptmann Gaver für dich, fürchte ich“, sagte Gaver und räusperte sich mit böser Vorbedacht. „Habe gehört, dass gestern Abend im Bärendrücker Glücksspiel“, für einen Moment überlegte er, bis ihm das passende Verb einfiel, „gespielt wurde. Dabei tauchte eine junge Dame mit deiner Beschreibung auf. Gestehe!“
Claudiles gelbe Wolfaugen richteten sich auf Gaver.
Gaver bedachte Claudile mit einem strengen Blick. Er sollte folgende Botschaft vermitteln: Wir wissen alles über dich, und deshalb solltest du uns alles über dich erzählen. Aber er war nicht besonders gut darin. „Dort wurde um Geld gespielt. Um eine ziemlich große Summe, fürchte ich. Du hast ziemlich viel Geld verloren, nja, das ist schade, aber du bist selbst schuld. Glücksspiel ist seit der Satzung, nja, nach der Bengelsbacher Rechtsprechung vierzehn B verboten. Angesichts der angespannten Lage wäre das genug für die Todesstrafe.“
Brain, der zufällig noch in Hörweite war, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Hah! Gaver, zeig es ihr!“
Langsam drehten sich die Leute zu ihnen beide um. Einige wisperten, wenige tuschelten aufgeregt. Aber sie bemerkte zu ihrem Vergnügen, dass manche auch grinsten. Und sie lachten bestimmt nicht über sie.
Claudile erwiderte den Blick ungerührt. „Ich gestehe.“
„Wie lautet dein Name?“ fragte Gaver, als er begriff, dass sie der bessere Starrer war.
Claudile lächelte in die Runde und sprach deutlich und laut. „Ich gebe dir ein Rätsel auf, Hauptmann: was hat gelbe Wolfsaugen, einen Kater und hat heute noch nicht gefrühstückt?“
Kichern. Selbst Brain grinste verschmitzt.
„Nja, das Witzereißen wird dir noch…OH!“
Einige Passanten lachten hinter vorgehaltener Hand. Brain schüttelte schließlich den Kopf und zeigte Gaver einen Vogel.
„Verdammt und zugenäht“, hauchte Gaver.
„Verdammt und zugenäht, Herrin“, sagte Claudile. Wendig wie eine Viper schoss ihre Hand vor und packte seinen Arm. Noch bevor Gaver vor Schreck und Schmerz quicken konnte, hatte sie ihn schon in eine Gasse gezehrt.
„Es ist nützlich, dich zu kennen“, flüsterte Claudile. „Da bin ich mir sicher.“
„Nja, denke schon“, sagte Gaver und stand auf den Zehenspitzen.
„Du hälst Augen und Ohren offen, wie? Kennst jeden in der Stadt, was?“ Ohne den Griff zu lockern strich sie ihm mit ihrer Klauenhand über die Wange. „In jeder Stadt gibt es einen Hauptmann, der jeden Kniff kennt. Der seine Pflichten ernst nimmt. Der sich um das Wohl der Bürger sorgt.“
„Nja, ja, Herrin.“
„Ich habe einen Auftrag für dich, Gaver.“ Sie erhob sich und drehte den Kopf, als wolle sie sich vergewissern, dass auch niemand zuhörte. „In dieser Stadt gibt es eine Religionsgruppe, die im Geheimen operiert. Mit mir will niemand darüber sprechen, aber du bist aus einem anderen Holz geschnitzt.“
„Religion?“
„Ja. Halte die Ohren am Boden und hör dich mal um. Bis morgen Abend will ich was hören, Gaver. Ich weiß, dass ein Mann wie du das kann. Und es springt auch etwas für dich heraus, Gaver.“
„Was denn, Herrin?“ fragte Gaver, der Claudiles Griff als unangenehm empfand.
„Meine Freundschaft“, sagte Claudile. „Sie ist selten und kostbar.“
„Verstanden, nja.“
„Sehr gut, Gaver.“ Sie nickte ihm freundlich zu und richtete ihn wieder auf. „Du wirst es noch weit bringen. Vielleicht ernenne ich dich sogar zum Leitenden Hauptmann. Würde dir das gefallen?“
Gaver schluckte. „Sehr gerne, Herrin. Mit Vergnügen, Herrin. Nja, Ihr könnt Euch auf mich verlassen!“
„Gut, dann gehe ich mal.“ Und wasche mich gründlich.
Gaver salutierte eifrig und hüpfte davon.
Als sie zum Brunnen ging um sich die Hände im kalten Wasser zu waschen, blickte sie zum grauen Himmel. Ein Wind aus dem Norden kündigte einen Wetterwechsel an. Es war kein plötzlich aufleuchtendes Signal, wie eine aufflammende Kerze in einer mondlosen Nacht, sondern ein Sog aus der Ferne, der kontinuierlich anschwoll, sich langsam aufbaute. Tiere spürten es nahen. Das taten sie jeden Herbst. Nicht ohne Grund zogen viele Tiere in den Süden.
Ihre gute Laune verblasste, als sie zur Nordwand des nächsten Berges blickte. Menschen sahen eine weiße Wand aufragen, schräg und steil, und voller Schnee und Eis. Der Wolf in ihr witterte eine knackende Fläche voller Versprechungen. Nicht heute, nicht morgen… aber sehr bald.
Hoch im Norden kam der Winter schneller und mit weiten Schritten heran, und er würde lange anhalten, das wusste sie aus Erzählungen. Die Unterredung mit Gaver und all die kleinen Ereignisse der letzten Tage bekamen plötzlich eine ganz neue Bedeutung, als sie an Schnee und eiskalte Nächte dachte. Und an Lawinen.
Eine bedrohliche Wahrheit.
Nicht für sie. Werwölfe litten kaum Hunger und würden selten an Unterkühlung sterben.
Nein, es kam etwas aus dem Norden und wehe dem, der nicht vorsorgen konnte.
„Verzeihen Sie“, sprach sie eine ältere Frau an, die zufällig des Weges kam. „Wie lange dauern die Winter hier?“
Sie hörte geduldig zu. Langsam bekam sie eine Ahnung, von dem, was bald unweigerlich bevorstand. Ein eisiger Winter.
Feuer und Nahrung sollte die Menschen am Leben erhalten. Sofern genügend davon vorhanden war.
Sofern…
Sie warf einen prüfenden Blick auf die breiten Giebelhäuser der Stadt, auf die vermoderten Wände und die undichten Fenster. Anders als bei Menschen witterte sie die Vorboten des beinahe sicheren Todes, aber sie widerstand der Versuchung Alarm zu schlagen. Das wäre unangebracht gewesen. Trotzdem mussten sie sich beeilen. Sonst würde Claudile Alemont bald Fürstin eines Totenreichs sein.
Sie schluckte hart, als unweigerlich in ihrem Blickfeld eine einzelne Schneeflocke sacht und sanft zu Boden sank.
2
Die Tage zogen sich hin.
Die Speisekammer der Burg füllte sich mit zunehmender Geschwindigkeit – großen Dank an die Glückliche Bettina, die viele Suppenrezepte kannte und peinlich genau darauf achtete, das von allem genug da war. Ja, es würde für die Hohen Herren ausreichen. Nicht aber für die Stadt, wie Claudile im Kopf überschlug.
Mit dem Geld aus der Schatzkammer ließ sie einen vertrauenswürdigen Boten mit der Kutsche schicken, der im nächsten Ort Winterkleidung in großer Zahl sowie Mehl und gedünsteten Fisch einkaufen sollte. Gottlob verfügte die Burg über einen abschließbaren Keller, in dem die Sachen gelagert wurden. Kurzerhand ernannte Claudile zwei Männer zu Burgwächter, um Menschen in Not nicht in Versuchung zu führen. Immer öfter nahm sie bei ihren Vorbereitungen Brain in die Pflicht, der nach langen Überlegungen endlich zugesagt hatte, der neue Stadtvogt zu werden. Zu ihrem Glück nahmen die Leute ihre Befürchtungen über den nahen Winter sehr ernst. „Wir haben zwei Friedhöfe“, stellte Brain selbst klar. „Den an der Nordseite und den auf der Ostseite. Wir kennen die Kälte. Diejenigen, die nicht vorbereitet sind, liegen dort.“ Kurz und knapp.
„Wir brauchen sauberes Stroh und lassen