Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
Читать онлайн книгу.250 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 StGB,[403] mit dem Ergebnis, dass das StGB nun zwischen drei verschiedenen Arten von Werkzeugen unterscheidet, so dass sich die Frage stellt, inwieweit hiermit die gleichen Gegenstände gemeint sind. Die „anderen gefährlichen Werkzeuge“ müssen sowohl von den „sonstigen Werkzeugen“[404] als auch von den „gefährlichen Werkzeugen“ nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unterschieden werden.[405]
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Nach herrschender und zutreffender Meinung ist bei der Begriffsbestimmung der „anderen gefährlichen Werkzeuge“ keine Anlehnung an § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB möglich.[406] Im Gegensatz zur gefährlichen Körperverletzung bedarf es zur Erfüllung der Nr. 1a gerade keines Gebrauchs des Werkzeugs, so dass ein Rückgriff auf die gängige Definition von der „Art der Beschaffenheit und der (die Definition dominierenden!) konkreten Verwendung“ unbrauchbar erscheint. Wie in Abgrenzung hierzu das „andere gefährliche Werkzeug“ konkret zu bestimmen ist, ist umstritten.[407] Hierbei ist aber festzuhalten, dass bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes – im Unterschied zu den „sonstigen Werkzeugen“ nach Nr. 1b) – eine objektive bzw. abstrakte Gefährlichkeit vorliegen muss, mit der Konsequenz, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Scheinwaffen aus dem Anwendungsbereich von Nr. 1a herausfallen.[408] Auch die Tatsache, dass in §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB sowie in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB der gleiche Begriff verwendet wird, was systematisch einerseits ein einheitliches Verständnis nahe legt, während andererseits gerade bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Auslegung unter Berücksichtigung der konkreten Verwendung (eher) möglich erscheint[409] und von der Rechtsprechung im Ergebnis auch vorgenommen wird, macht eine Begriffsbestimmung schwierig (vgl. → BT Bd. 5: Petra Wittig, Raub, § 30 Rn. 135).
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(2) Eine Ansicht zieht lediglich die objektive Gefährlichkeit heran, so dass jeder Gegenstand ein anderes gefährliches Werkzeug ist, der nach seiner Beschaffenheit geeignet ist, mehr als nur unerhebliche Verletzungen herbeizuführen.[410] Eine andere Ansicht vertritt hingegen einen subjektiven Ansatz und bestimmt den Begriff allein nach der Zielsetzung des Täters, weshalb nach dieser Ansicht „andere gefährliche Werkzeuge“ solche Gegenstände sind, die der Täter allgemein[411] oder in der konkreten Situation als Waffe einsetzen will.[412]
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(3) Es erscheint jedoch zweifelhaft, den Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ allein anhand des Verletzungspotentials des Gegenstandes zu bestimmen, denn es gibt kaum einen Gegenstand, der nicht entsprechend geeignet sein kann, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Der subjektive Ansatz führt zwar zu einem gewissen Gleichklang mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, was jedoch dem Umstand widerspricht, dass §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a eben keine Gebrauchsabsicht verlangt, sondern es nur auf die Verfügbarkeit des Gegenstandes ankommt.[413] Richtigerweise sind daher unter dem Begriff der „anderen gefährlichen Werkzeuge“ letztlich nur solche Gegenstände einzuordnen, die bei wertender Betrachtung waffenähnlich sind und aufgrund ihrer Beschaffenheit und der Tatumstände aus (objektivierter) Tätersicht dazu bestimmt erscheinen, eine „Waffenersatzfunktion“ auszuüben, so dass der Täter auf die jeweiligen Gegenstände in einer Bedrängnissituation typischerweise zurückgreifen würde.[414] Damit kann im Einzelfall durchaus eine Rolle spielen, ob der Gegenstand von Anfang an nur den Schluss zulassen kann, im Bedarfsfalle wie eine Waffe eingesetzt zu werden, was bei einem Baseballschläger (wenn der Täter nicht auf dem Heimweg vom Sport ist) eher der Fall ist als bei einem Brecheisen, das zu einem Einbruchdiebstahl mitgeführt wird.[415] Durch die Kombination der genannten Kriterien kann einerseits eine uferlose Ausdehnung des Begriffs verhindert werden und andererseits dem Umstand der fehlenden Gebrauchsabsicht Rechnung getragen werden. Diese Waffenähnlichkeit darf freilich nicht so verstanden werden, dass der Gegenstand originär dazu bestimmt sein muss, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, da sonst immer zugleich eine Waffe im strafrechtlichen Sinn zu bejahen wäre.[416]
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(4) Die Rechtsprechung des BGH zum gefährlichen Werkzeug ist allgemein stark von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB her geprägt.[417] Dieser stellt meist auf die konkrete Verwendung ab und greift nicht auf die (abstrakte) Waffenähnlichkeit des Gegenstandes zurück.[418] In Fällen des bloßen Beisichführens sieht der 2. Strafsenat auf Grund der „missglückten Gesetzesfassung“ dagegen „von vornherein keine Auslegung des Begriffs des anderen gefährlichen Werkzeugs“ als möglich, die „unter Anwendung allgemeiner und für jeden Einzelfall gleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung gewährleisten könnte“ und bezweifelt, dass „mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechnik eine umfassende, sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle (…) zu erreichen ist“, weshalb er den Versuch einer allgemeingültigen Definition ablehnt, insgesamt aber einer Bestimmung anhand von objektiven Kriterien zuneigt.[419]
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Insbesondere aber bei Gegenständen des täglichen Lebens, die von jedermann in sozialadäquater Weise mitgeführt werden können (wie z.B. Taschenmesser), bleiben die Ausführungen der Rechtsprechung insofern mitunter vage.[420] Es bedarf hier eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf subjektiver Ebene, den Gegenstand zur Bedrohung oder Verletzung von Personen einzusetzen. Dieses ist umso wahrscheinlicher gegeben, je mehr der Gegenstand einer Waffe ähnelt.[421]
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cc) Beim Diebstahl mit sonstigen Werkzeugen ergibt sich insbesondere ein Problem im Umgang mit ungefährlichen Tatmitteln, also solchen, die auch nach der Art ihrer (geplanten) Verwendung vollends ungefährlich sind. Zwar war vor dem 6. StrRG noch heftig umstritten, ob die §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. auch Scheinwaffen erfassen würden,[422] dieser Streit ist heute aber im Wesentlichen geklärt. Zum einen steht fest (auch schon vor dem 6. StrRG), dass es sich bei Scheinwaffen nicht um (Schuss-)Waffen bzw. abstrakt gefährliche Werkzeuge i.S.v. §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB handelt.[423] Des Weiteren spricht seit der Gesetzesänderung mit dem 6. StrRG alles dafür, Scheinwaffen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB einzubeziehen. Dies ergibt sich bereits aus der Unterscheidung zwischen Nr. 1a und 1b, da die jeweilige Nr. 1a „andere gefährliche Werkzeuge“ mit enthält, so dass von der jeweiligen Nr. 1b gerade auch objektiv ungefährliche Gegenstände erfasst sein müssen. Diese Einbeziehung entspricht – für § 250 StGB wie auch für § 244 StGB – auch dem expliziten Willen des Gesetzgebers[424] und ist mittlerweile ganz h.M.[425]
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Sofern der Täter aber nicht eine (täuschend) echt aussehende Scheinwaffe mit sich führt, sondern einen auch äußerlich ganz offensichtlich ungefährlichen Gegenstand, wie einen Lippenstift („Labello-Fälle“) oder ein Plastikrohr, verwendet und mittels Täuschung beim Opfer lediglich den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Waffe, gilt etwas anderes. Der BGH verneinte seit jeher die Anwendbarkeit von § 250 Abs. 1 StGB a.F.[426] Es entsprach dem Willen des Gesetzgebers, diese Rechtsprechung fortgeführt zu lassen,[427] was entgegen teilweise kritischen Anmerkungen in der Literatur[428] auch keineswegs unklar und willkürlich ist. Denn stellt man auf die objektiv-äußere Erkennbarkeit der (Un-)Gefährlichkeit ab, so entspricht dies vielmehr der überragenden Bedeutung des Gesichtssinnes für die Wahrnehmung einer etwaigen Gefährlichkeit durch das Opfer.[429] Jeder Einsatz einer „Scheinwaffe“ ist in gewissem Maße zwar auch eine Täuschung; im Rahmen der „Labello-Fälle“ steht aber die Täuschung des Täters viel stärker im Vordergrund (und wäre letztlich auch ganz ohne irgendeinen Gegenstand denkbar, was unstreitig nicht unter Nr. 1b fallen würde),[430] denn in diesen Fällen geht die einschüchternde Wirkung gerade erst von dem damit verbundenen (expliziten oder konkludenten) kommunikativen Akt aus, und eben nicht vom Gegenstand als solchem. Dies entspricht im Ergebnis auch der Meinung des BGH (trotz gewisser Abgrenzungsschwierigkeiten).[431]
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