Borgia. Klabund
Читать онлайн книгу.meiner Antwort an Seine Heiligkeit – Gott selbst hat sie geformt und stilisiert – da —
Und er zeigte auf die nackte Julietta.
Wirf ihr einen Mantel um – nichts weiter – und nimm meine Antwort an Seine Heiligkeit mit dir – aber hüte dich, ihr im Wagen ein Postskriptum anzufügen. Geh mit Gott, mein Sohn.
Und zu Julietta, die kein Wort fand: Geh mit Gott, meine Tochter.
VII
Der Bildhauer Umberto arbeitete an einer Statue der Juno.
Rodrigo Borgia sah sie in seinem Atelier. Er war entzückt.
Er ging auf Zehenspitzen um sie herum. Er zog den Vorhang am Fenster auf und zu, um Licht und Schatten zu studieren.
Er strich ihr mit der Hand über Wangen und Brüste und streichelte zärtlich die Knie. Was willst du dafür haben, Umberto?
Umberto wand sich vor Verlegenheit wie ein Regenwurm.
Die Statue ist bestellt, Eure Eminenz.
Ich zahle das Doppelte.
Sie ist bestellt – von dem Urbild.
Wie – Juno sitzt Euch Modell?
Der Bildhauer nickte.
Ich zahle Euch das Dreifache – und Ihr könnt die Statue behalten – wenn Ihr mich einer Sitzung beiwohnen laßt.
Eure Eminenz —
Hinter dem Teppich dort – oben auf dem Hängeboden oder —
Es klopfte.
Der Kardinal sprang hinter den Vorhang.
Die Vanozza erschien.
Wir sind allein?
Allein.
Sie warf die Kleider ab.
Zitternd führte der Bildhauer Meißel und Hammer.
Die Vanozza wurde aufmerksam.
Was habt Ihr, Umberto? Seid Ihr nicht wohl?
Umberto wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Es ist heute heiß im Atelier.
Der Teppich verschob sich.
Die Vanozza kehrte sich um.
Nackt wie sie selbst trat Rodrigo Borgia auf sie zu.
Möge Juno verzeihen, wenn Zeus ohne Ankündigung seines Besuches sich ihr zu nahen wagt.
Und zu dem Bildhauer:
Umberto – geht – Ihr müßt neuen Ton besorgen – es gilt, ein Duo in Stein zu schaffen: Zeus wirbt um Juno.
Blasser als Marmor schlich Umberto, der Bildhauer, ohne sich noch einmal umzusehen, aus seinem Atelier.
VIII
Von oben bis unten ist der Kardinal mit Blut befleckt. Er sieht wie ein Metzger aus, der einen Ochsen schlecht geschlachtet hat. Sein feistes, öliges, aber schönes Gesicht verzieht sich zwischen Grinsen und Greinen.
Die Soutane ist hin, denkt er, der Stoff – von Bontempoli in Mailand – war gut. Aber zu teuer, zu teuer. Ich werde es einmal mit einem kleinen jüdischen Restehändler in der Via Veneto versuchen. Der Mann soll äußerst preiswert liefern. Spare ich am Meter drei Groschen, so —
Er verlor sich in komplizierte Berechnungen. Plötzlich fiel sein Blick auf die Vanozza, der er Geburtshelferdienste geleistet hatte. Auf der Piazza Prizzi di Merlo hatte er ihr in der Nähe seines Palastes ein Haus eingerichtet. Es fehlte nichts an der Einrichtung. Nicht einmal ein Mann. Er verheiratete sie mit Giorgio de Croce, einem nachgiebigen, käuflichen Herrn, den er zum Vater seiner Kinder bestimmte. – Die Vanozza lag, nach der Qual der Wehen in tiefen Schlaf versunken, auf dem Lager. Arzt und Hebamme liefen lautlos wie zwei Eichhörnchen auf dem Teppich hin und her. Im Hintergrund am Fenster saß ein spanischer Astrologe mit seinen Instrumenten und Karten, sah nach dem Himmel und stellte dem Kind das Horoskop.
Die Hebamme hatte das Kind gebadet. Sie brachte es in einem reinlichen Steckkissen, das sie dem Vater vor die dicke, mit Sommersprossen bedeckte Nase hielt.
– Es ist ein Mädchen, sagte sie.
Rodrigo Borgia fuhr mit dem rechten Zeigefinger über die Stirn des winzigen Wesens und schlug mechanisch das Kreuz. Ein Mädchen! dachte er. Ich hatte einen Knaben erwartet. Davon kann man nie genug haben. Stammhalter. Borgia. Aber es sei. Juan und Cesare sind ja schon eingetroffen. Man sagt, daß es einen Knaben gibt, wenn der Mann mehr liebt, und ein Mädchen, wenn die Frau mehr liebt.
Er sah von dem Kind zur Mutter hinüber. Was müßte es da eigentlich geben, wenn weder Vater noch Mutter liebten?
Er grübelte.
Das Kind verzog jetzt sein verwittertes, greisenhaftes Gesicht noch mehr, so daß es aussah, als ob eine unsichtbare Hand ein Paket Pergamentpapier zerknittere. Dann öffnete es plötzlich die verklebten Augen einen kleinen Spalt. Es schien zwischen den Lidern hindurch den fetten, großen Mann, der vor ihm stand, prüfen und ergründen zu wollen.
Du bist mein Vater? fragte es erstaunt. Hast du irgendwelche Vorstellungen von mir gehabt, als du mich schufst? Wolltest du einen Menschen deines unreinen Blutes; oder wolltest du vielleicht etwas Liebliches, Schönes, Sanftes, Zartes, Edles – alles Eigenheiten, die dir und deiner Familie fremd sind? Wolltest du dich selber überdauern – einen Hauch Ewigkeit in den Sturm der Zeit blasen —, oder bin ich dir nur zufällig so entwischt – wie du nach dem Essen, dich zu erleichtern, einen Dampf aus dem Darm fahren läßt?
Die Augen des Kindes hinter den Lidern fragten, ohne eine Antwort zu bekommen. Sie glitzerten in einem unbestimmten, silbrigen Glanz, und es war noch nicht zu erkennen, ob es blaue, braune oder schwarze Augen geben würde.
IX
Am siebenten Geburtstag Cesares erscheint Rodrigo Borgia in seines Sohnes Zimmer, um ihn mit einem väterlichen Kuß zu wecken.
Adriana Mila, die Tante, trägt einen Maiskuchen, in dem sieben Kerzen stecken, die eine verdächtige Ähnlichkeit mit Phallen haben. Rodrigo dreht eine Pergamentrolle in der Faust.
Der Knabe, noch ganz verschlafen, streckt die Hände danach aus.
Sollst du haben, mein Söhnchen, sollst du haben, und alles, was auf dem Papier geschrieben steht, dazu.
Und Rodrigo Borgia entfaltet die Rolle und beginnt zu lesen:
Alle Einkünfte der Präbenden und Kanonikate des Domes von Valencia fallen Signor Cesare Borgia zu. – Der Signor Cesare Borgia bist du! sagt stolz der Vater und tippt dem Knaben auf die Stirn. – Er wird zum Schatzmeister von Cartagena ernannt. – Der Schatzmeister von Cartagena, das bist du. Rodrigo lacht, daß seine etwas feisten Wangentaschen scheppern.
Der Knabe wird böse.
Lach nicht, Papa. Das Leben ist ernst. Don Rodrigo hält inne, stutzt. Dann streichelt er den Sohn zärtlich mit der päpstlichen Bulle.
Du hast recht, Cesarino, bist sieben Jahre alt und so klug, so klug. Wirst es weit bringen. Er geht und läßt das Pergament.
Der Knabe springt aus dem Bett. Ihn kommt ein natürliches Bedürfnis an. Er zieht ein silbernes Nachtgefäß unter dem Bett hervor. Und da es ihm an Papier mangelt, zerreißt er die päpstliche Bulle Sixtus‘ IV., die ihn soeben zum Schatzmeister von Cartagena ernannte.
X
Lucrezia wird als Primadonna d‘Italia von ihrer Tante Adriana zusammen mit Julia Farnese, genannt ‚die Schöne‘, aufgezogen.
Die beiden jungen Mädchen wetteifern miteinander an Schönheit und Grazie.
Jeden Abend, wenn die Tante zu Bett gegangen, treten sie nebeneinander nackt vor den Spiegel.
Sie beobachten, wie ihre Brüste sanft sich zu runden beginnen, wie immer dichter der Flaum zwischen ihren Schenkeln sproßt.
Jede ist auf die andere eifersüchtig, und jede preist verlogen die Schönheit der andern. Julia sagt:
Wie