Eva Siebeck. Bertha von Suttner

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Eva Siebeck - Bertha von Suttner


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Genugthuung, dieser hochmüthigen Verwandten, welche sie stets ein wenig von oben herab behandelt hatte, mittheilen zu können, daß sie nun in Bälde eine gesellschaftliche Stellung einnehmen werde, welche sie über jedes »Protegirtwerden« erhöbe. Auf die Antwort der Tante war sie sehr gespannt; noch gespannter auf die Briefe ihres Bräutigams. Mit der Feder in der Hand würde er wohl das Feuer und die Innigkeit wiederfinden, welche er in seine Gedichte zu legen verstanden, und die er in seinem persönlichen Auftreten so sehr vermissen ließ.

      Aber diese ersehnten Briefe kamen nicht. Am zweiten Tage nach seiner Abfahrt lief ein Telegramm ein des Inhalts:

      »Kleiner Unfall. Rechte Hand verletzt. Nichts von Bedeutung, nur schreiben unmöglich. Wetter miserabel. Herzliche Grüße. Robert.«

      Auch von Tante Rosa langte kein Antwortschreiben an, wohl aber kam dieselbe in eigener Person nach Krems gefahren.

      »Liebes Herz – ich hole Dich ab, Du kommst zu mir! Das war ja stets der Wunsch Deiner verstorbenen Eltern – und auch der meine. Du wirst von meinem Hause aus fortheirathen – aus dem Hause Deiner Tante, das ist doch viel schicklicher und passender als hier, bei fremden Leuten. Ich werde mir auch ein Vergnügen daraus machen, Dir ein hübsches Trousseau mitzugeben – es soll nicht heißen, daß meine Nichte Eva Holten wie eine verlassene Kirchenmaus in der Welt gestanden hat. Ich kenne die Großmutter Deines Bräutigams sehr gut. Ich habe sie an dem Tage besucht, wo ich Deinen Brief bekommen, und sie war gleichzeitig durch ihren Enkel benachrichtigt worden, – sie ist mit der Partie ganz einverstanden. Es ist schon lange der Wunsch vom alten Siebeck – d. h. alt ist er nicht – ich meine von Siebeck senior, – daß der Junge quittire, und die Großmutter wünschte, daß er heirathe. Da nun seine Wahl auf ein makelloses Fräulein aus gutem Hause gefallen ist (Du weißt, die jungen Herren heirathen jetzt alle Augenblicke Mädeln vom Theater), so freute sich der alte Siebeck sehr. Was den Papa betrifft, so ist der jetzt auf einer Reise irgendwo in Asien – aber das thut nichts; er hat für den Fall einer anständigen Partie seine Einwilligung schon anticipando gegeben. Du kommst also mit mir, heute noch. Packe Deine sieben Sachen zusammen, bedanke Dich bei der Oberstin für die genossene Gastfreundschaft … weißt Du, ich hätte Dich schon früher zu mir genommen – wenn die Reise ins Seebad nicht gewesen wäre – aber siehst Du, hier hast Du diese gute Partie gefunden, das war so bestimmt.«

      Eva war mit dem Vorschlag ganz einverstanden. Aus dem vornehmen Haus einer Verwandten in ihr neues Heim treten zu können, eine anständige Ausstattung mitzubekommen, in Wien als Braut des Grafen Siebeck in die Gesellschaft eingeführt zu werden: das Alles lächelte ihr zu. Herr und Frau von Borowetz – besonders Letztere – stimmten sehr bereitwillig bei und so reiste noch am selben Abend Gräfin Koloman mit ihrer Nichte von Krems nach Wien.

      Unter den »sieben Sachen«, die das junge Mädchen mitgenommen, befand sich ein Kästchen, welches ihren größten Schatz barg, nämlich – neben einigen von ihrer Mutter hinterlassenen Schmuckstücken – die berühmten Gedichte: »Ich harre aus« und das gewisse, jetzt schon vertrocknete, aber noch immer duftende Kräutchen, das ihr aus der ersten anonymen Blumensendung gar so süße Dinge zugeweht.

      Gräfin Rosa Koloman, die ziemlich reiche und kinderlose Witwe eines einflußreichen Ministers, nahm in der Wiener Gesellschaft eine sehr angesehene Stellung ein. Sie war es von Jugend auf gewohnt, in der sogenannten »Welt« zu glänzen, Bälle, Soireen und dergleichen mitzumachen, und da dies für eine alleinstehende Frau in den Fünfzigern nicht recht thunlich ist, so flankirte sie sich stets mit einer mutterlosen Schönheit. Man hatte ihr den Spitznamen die General-Ballmutter gegeben. Die Aussicht, in ihrem Hause nächstens eine glänzende Hochzeit zu veranstalten, war ihr eine ganz willkommene.

      Eva war von Wien entzückt. Sie war nur kurze Zeit – als Kind – in der Hauptstadt gewesen und hatte stets die Sehnsucht gehegt, wieder dahin zurückzukommen. Jetzt war dieser Wunsch erfüllt und unter so glänzenden Umständen dazu. Ihre Tante bewohnte einen schön eingerichteten zweiten Stock eines Ringstraßenpalais, hatte Equipage, Viertelloge in der Oper und Viertelloge in der Burg; gab allwöchentlich ein kleines Diner, empfing und machte viele Besuche, dies alles in Begleitung ihrer lieben Nichte Eva, der Braut des Grafen Siebeck von Großstetten.

      Der erste Besuch ward bei Roberts Großmutter abgestattet. Dieselbe empfing das junge Mädchen mit wohlwollender Freundlichkeit. Eine Enkelin der alten Gräfin Siebeck – Kind ihrer, verstorbenen Tochter – Irene v. Clarezay, schloß sich der künftigen Cousine mit übersprudelnder Liebenswürdigkeit an und erbat sich sofort die Auszeichnung, bei der bevorstehenden Hochzeit Brautjungferamt zu bekleiden.

      Schon am Tage nach ihrer Ankunft begann Gräfin Koloman, ihre Nichte in allerlei Mode- und Wäschehandlungen zu führen, um die Ausstattungsberathungen und -Bestellungen vorzunehmen. Der jungen Braut wurden die verschiedensten Stoffe, Muster und Zeichnungen vorgelegt, und was ihr vor Allem den lebhaftesten Eindruck machte, waren die zur Auswahl gebotenen Monogramme. Die verschlungenen E und S mit Grafenkrone: das war ihr wie ein Symbol ihrer neuen Geschicke. Der Anfangsbuchstabe ihres Namens verschlungen mit dem Namenszeichen desjenigen, mit dem ihre ganze Zukunft vereint sein sollte – Herz und Seele und liebende Arme verschlungen unter einer stolzen Krone: gerade so wie diese Linien.

      Das waren nun freilich recht angenehme Dinge, der Aufenthalt in dem schönen Heim der Tante, die freundliche Aufnahme von Seiten der künftigen Verwandten, die Trousseau-Vorbereitungen; aber bei alledem mußte Eva Eins schmerzlich vermissen: nämlich Liebeszeichen von ihrem Bräutigam. Die trockenen Drahtnachrichten, welche er ihr von Zeit zu Zeit schickte: »Ich bin wohl. Gestern ziemlich stark abgehetzt bei dreistündiger Attacke; Erzherzog Albrecht unsere Truppen belobt« und dergleichen mehr, das war für ein liebedürstendes Gemüth wahrlich keine Labung. Immer wieder die alten Gedichte durchlesen, immer wieder an dem dürren Kräutchen riechen – solche Vergangenheitsschwärmerei konnte für die Mängel der Gegenwart auch keinen genügenden Ersatz bieten.

      Nach einigen Wochen langte ihres Verlobten erster Brief an. Die rechte Hand war angeblich so weit hergestellt, um ein paar Zeilen – ja nicht anstrengend viel – schreiben zu können. Der Brief war nicht viel länger und nicht viel herzlicher abgefaßt, als die Telegramme. Was aber dessen erschreckendste Eigenschaft war: die Schrift bot nicht die geringste Aehnlichkeit mit den so liebgewordenen Zügen von »Ich harre aus«. Mit der gleichen Post erhielt Eva auch Nachricht von Dorina. Dieselbe berichtete allerlei Stadtklatsch: und unter Anderem erzählte sie Folgendes: »Du hast hier, ohne es zu wissen, großes Unheil angerichtet, meine liebe Eva. Stelle Dir vor: neulich haben sie einen Jungen aus dem Wasser gezogen, der aus unglücklicher Liebe den Tod gesucht und zwar, wie es sich herausstellte, aus unglücklicher Liebe zu Dir. Aber sei beruhigt, sie haben ihm rechtzeitig die Lebensluft wieder eingepumpt, und er ist außer Gefahr. Es ist der achtzehnjährige Kommis der hiesigen Buch- und Papierhandlung. Bei Deinen einschlägigen Einkäufen hast Du es ihm angethan. Er gestand, daß er die Nachricht von der Verlobung der schönen Baronesse Holten nicht habe überleben wollen. Jetzt sei er aber entschlossen, sich diese Leidenschaft aus dem Kopfe zu schlagen. Und zur Bekräftigung dieses Entschlusses warf er ein zehn Strophen langes Gedicht ins Feuer, welches bestimmt war, Dir nach seinem Tode zugeschickt zu werden.«

      Hätte der arme Junge gesehen, wie bitterlich die schöne Baronesse geweint, nachdem sie von seinem Schicksal erfahren, er hätte glauben müssen, sie sei bis zu Gegenliebe gerührt.

      Indessen, ihr Schmerz galt nicht dem schwärmerischen Buchhändlergehilfen, dessen Physiognomie sie nicht einmal im Gedächtniß behalten; ihr Schmerz galt einem grausamen Verlust, den sie eben erlitten, dem Verlust ihres ganzen schönen Liebesromans! – So besaß denn ihr Bräutigam nicht den strebenden, idealen Sinn, den sie ihm zugemuthet; so war er für sie niemals von den innigen Gefühlen durchglüht gewesen, die aus jenen zwar mangelhaften, aber immerhin poetischen Ergüssen sprachen. Was konnte sie nunmehr noch an ihm lieben? Hatte sie nicht, seit sie ihn persönlich kennen gelernt, durch sein Auftreten sich eher unsympathisch berührt gefunden und nur durch den Gedanken an seine Gedichte ihr Verliebtsein gerechtfertigt? … Es war nun, als sei ihr plötzlich etwas im Herzen gestorben; sie fühlte sich wie beraubt, verarmt, verwaist. Eine Stimme in ihrem Gewissen mahnte sie, daß diese Verlobung sofort rückgängig zu machen wäre; daß – nachdem derjenige, dem sie eigentlich ihr Herz geschenkt, gar nicht mehr existirte, eine zerflatterte Traumgestalt war – daß sie nunmehr auf dem


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