Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

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Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield


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uns nicht träumen lassen. Ich halte die Kreolinnen für die besten Tänzerinnen. Sie verschmelzen die zierliche Leichtigkeit unserer Französinnen mit der schmachtenden Üppigkeit der Spanierinnen. Erst im Tanz wird ihre Zaubergewalt unwiderstehlich.

      Die Palme des Abends gebührte Adelaide. Sie war unstreitig die schönste wie die stolzeste unter den wirklich herrlichen Gestalten, die uns diese Nacht so unvergeßlich machten. Wenn man nach zehnjährigen Kämpfen, Stürmen, Feldlagern, nach einem unsteten, flüchtigen Jagen und Gejagtwerden plötzlich in einen so fröhlich sprudelnden Wirbel hineingezogen wird, dann wird man berauscht, betäubt von dem plötzlichen Wechsel. Die Erinnerungen unserer Jugend, unserer Familienkreise, die späteren unseres Hoflebens, die glänzenden Nachtbilder der Tage von Versailles stiegen wie gaukelnde Traumgestalten vor uns auf.

      Es war ein schöner Zeitpunkt, unser Eintritt in die Attacapas, in das Haus Monsieur de Morbihans, einer jener Lichtpunkte, die durch ihre heitere Frische die trüben Schlagschatten düsterer Tage wieder aufhellen. Unvergeßlich bleibt uns diese Nacht. Wir tranken aus dem lange nicht gekosteten Freudenbecher mit vollen Zügen. Und keiner mehr als Ducalle. Er war zweifach glücklich.

      Für mich hat jene holde Befangenheit, die ein unverdorbener junger Mann in den ersten Augenblicken einer keimenden Liebe so zart und so schüchtern dartut, einen unaussprechlichen Reiz. Sie ist wie der Tau der duftenden, vom Reif der Wollust noch nicht versengten Blüte. Mit dieser zarten Schüchternheit verband Ducalle jenes bestimmte, entschiedene Wesen, das der kriegerische Geist jener Zeit schon früh unserer Jugend angelegt hatte. Obwohl sein Großvater noch Kaufmann in Nantes gewesen und erst sein Vater als Finanzpächter geadelt worden war, hatte er doch die feinen Manieren des alten Adels. Er war nach dem Ausbruch der Revolution mit seiner Familie nach England entwichen. Leidenschaftlich in die Tochter eines geschichtlich großen Hauses entbrannt, hatte er sich von ihr bestimmen lassen, seinen Arm der vertriebenen Königsfamilie zu leihen.

      So waren wir miteinander bekannt geworden, hatten miteinander gefochten und waren nach dem zweiten Vendéekrieg zusammen nach England zurückgekehrt. Er gerade noch zur rechten Zeit, um von seiner angebeteten Henriette einen ewigen Abschied zu nehmen. Der Verlust dieser ersten Liebe hatte ihm England unerträglich gemacht, nach Frankreich konnte er nicht, so schloß er sich uns an. Ein bedeutendes Vermögen sicherte ihm auch in dem neuen Land eine ruhige Zukunft und verlieh ihm jenes Selbstvertrauen, das nirgends mehr als hier vonnöten schien. Frank, frei, ein Freund bis zum Tode, begeistert für alles Gute und Schöne, dabei harmlos wie ein Kind, war er unser aller Liebling. Der jüngste von uns — er zählte nicht mehr denn vierundzwanzig Jahre —, war er unserem kleinen Kreise ganz das, was in spanischen Häusern der Niño der Familie ist.

      Adelaide war das erste weibliche Wesen, das ihm nach einer trostlosen dreimonatigen Seefahrt in den Weg trat. Ihre schönen Züge hatten Ähnlichkeit mit denen seiner toten Geliebten. Während des Balles fand sich das Paar, ungeachtet aller Bemühungen der Zeremonienmeister, sie zu trennen, doch immer wieder zusammen. Sie schienen wie füreinander geschaffen, aller Augen hingen an ihnen. Monsieur de Morbihans Stirn allein schien sich zu runzeln.

      De Morbihan stammte aus einer alten, aber heruntergekommenen Familie, die zur Zeit Heinrichs III. König Heinrich III. aus dem Haus Valois-Angoulème regierte von 1574 bis 1589 über bedeutende Besitzungen in der Touraine gebot, aber während der Unruhen der Fronde in Verfall geraten war. Louis de Morbihan war in seiner Jugend Page im Hause der Rohans gewesen. Der Prinz Rohan de Rohan gebrauchte ihn in einer der vielen Intrigen, die dieser ehrgeizige Schwächling zugunsten der piemontesischen Prinzessin gegen die unglückliche Tochter Maria Theresias einzufädeln sich so sehr gefiel. Darüber geriet Morbihan bei Hof in Ungnade und ging in der Verzweiflung nach Louisiana.

      Hier war es ihm geglückt, den Kommandantenposten am Red River und darauf die Hand einer reichen Erbin in den Attacapas zu gewinnen, wo er sich denn auch niederließ. Die Ehe war nicht glücklich gewesen. Seine Gattin war wenige Jahre vor unserer Ankunft an einem Gallenfieber gestorben. Von fünf Kindern war nur Adelaide am Leben geblieben, die Erbin aller Besitzungen der Mutter. Die Abhängigkeit, in die dieses Erbschaftsverhältnis den Vater zur Tochter versetzte, war uns bereits in den ersten Minuten unserer Bekanntschaft aufgefallen. Sie drückte dem ganzen Wesen des Mannes eine gewisse Unstetigkeit auf, die bald heftig gebieterisch, bald unterwürfig war und nichts weniger als vorteilhaft für seinen Charakter sprach. Noch lag in seinen Zügen etwas von jener List, die den Südfranzosen eigentümlich ist, aber die Tatkraft, die sie in der Regel veredelt, war verschwunden und hatte einem verbauerten Griesgram Platz gemacht.

      Sein Äußeres war übrigens ein treuer Spiegel seines Innern. Die Gesichtszüge waren unangenehm, eine gewisse Salzsäure hatte sich eingefressen, die mit den heruntergekommenen Körperformen übereinstimmte. Nur zuweilen trat noch etwas von angeborener französischer Fröhlichkeit und Gutmütigkeit hervor. Viele Ursachen mußten dieses zu besseren Dingen bestimmte Menschenleben verkümmert und zu einer so seltsamen, wenn nicht widrigen, doch wunderlichen Erscheinung verunstaltet haben.

      Erst lange nach Mitternacht trennte sich die Gesellschaft, und wir begaben uns in die angewiesenen Gemächer zur Ruhe.

      2

      Die Sonne senkte ihre Strahlen bereits durch die Liquidambarbäume, die die Ostseite der Pflanzung einsäumten, als mich ein brennendes Jucken an den Armen und im Gesicht aus dem Schlaf weckte.

      Amadée stand vor mir. Er hatte die Moskitovorhänge zurückgeschlagen, und sogleich waren einige dieser Insekten über mich hergefallen, um mein frisches ausländisches Blut zu versuchen.

      »Was willst du?« rief ich ein wenig unwillig.

      Amadée legte den Zeigefinger auf den Mund und deutete auf die halbgeschlossenen Rolläden.

      »Ich möchte noch schlafen!«

      Amadée legte nochmals den Zeigefinger auf den Mund und hielt mir den Schlafrock hin. Ich erhob mich, um seinen Willen zu erfüllen. Das Gemach, in dem ich mich befand, lag an der Ecke der Veranda. Aus den Rollläden sah man in ein dichtes Gebüsch von Orangen, Palmen und Catalpas hinein, das sich bis zu den erwähnten Liquidambarbäumen hinzog wie eine dichte Laube.

      Der Morgen war wunderbar erfrischend. Durch die goldenen und schneeweißen Früchte und Blüten schimmerte der Spiegel des Teche hindurch. Singvögel hüpften auf und zwischen den Zweigen, darunter zwei Spottvögel. Das Männchen saß auf einem Catalpazweig und besprach sich mit dem Weibchen, das einige Fuß tiefer sich wiegte. Es erhob sich, flatterte im Kreis um die Geliebte herum, auf diese zu, umflatterte sie, flog empor und brach in den herrlichsten Nachtigallengesang aus. Ich stand entzückt. Das liebliche Tierchen schwang sich abermals in die Höhe, umkreiste das Weibchen, ließ aus seiner winzigen Kehle die Töne einer miauenden Katze, eines bellenden Hundes, eines blökenden Lammes, aller Tiere hören, die im Hause den frohen Tag begrüßten. Das Weibchen gab einen seltsamen, wie lachenden Ton von sich, und das Männchen flog auf und brach wieder in den entzückenden Schlag unserer europäischen Nachtigall aus. Es war der erste amerikanische Spottvogel, den ich hörte. Wunderbar fühlte ich mich bewegt.

      Amadée unterbrach mich, indem er mit dem Finger durch die halb aufgerollte Jalousie in die Laube hineindeutete. Sie war mit zahllosen Winden-, Orangen- und Zitronenblüten überhangen. Gehänge von wilden Weinreben umwanden Bäume und Strauchwerk, hingen in die Laube hinein und umfingen eine aus Baumästen gezimmerte Bank, vor der als Tisch ein ungeheurer Stumpf von einem Liquidambar stand.

      Ich schaute genauer. Von der Bank glänzte es mir hell in die Augen. Überhangen von Windenblüten, saß Adelaide auf der Bank, das glänzend schwarze Haar um den Nacken geringelt, die schwimmenden Augen auf den kosenden Spottvogel gerichtet, dann wieder träumerisch zur Erde geschlagen. Jetzt fuhr sie mit der Hand über die Stirn, ein leiser Seufzer stahl sich aus ihrer Brust.

      Amadée legte abermals den Zeigefinger auf den Mund und deutete auf eine zweite Gestalt am Eingang der Laube. Dort stand Monsieur de Morbihan und betrachtete das Mädchen mit gerunzelter Stirn. Zuweilen verzerrte eine Grimasse seine Züge, dann wieder hellten sie sich auf, etwas wie schadenfrohe Bitterkeit schien sie zu durchzucken. Ein seltsames Gemisch von Empfindungen mußte die Brust des Mannes durchwühlen, seine Gesichtsmuskeln waren in einer eigentümlich rollenden


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