Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

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Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield


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unter den Domestiken und erzählt ihnen wer weiß was für Geschichten! Und sie hören alle mit offenem Munde zu!«

      Neues Gelächter.

      »Ma foi, c‘est drôle!«

      »Wer ist dieser Amadée?« fragte Howard.

      »Kennst du Amadée nicht? Es ist der Amadée von Papa Vignerolles. Da kommt er!«

      Und der liebe Amadée kam wirklich mit Menou Hand in Hand. Dieser flüsterte dem Grafen und Maman ein paar Worte in die Ohren. Die gute Maman schaute auf und reichte dem Alten freudig die Rechte, die er recht französisch galant an die Lippen drückte. Die Kreolen steckten die Köpfe zusammen, und ihre Gesichter erheiterten sich. Sie wurden kindisch ausgelassen, die guten Kreolen. Nichts als »Amadée, bon Amadée« war zu hören.

      »So sag mir nur, was das alles soll?« fragte Howard leise.

      »Später!« raunte Luise ihrem Mann zu. »Du wirst hören!«

      »Amadée, deine Gesundheit!« rief der Papa und hob das Glas, und alle folgten seinem Beispiel.

      Und der alte Amadée hob das ihm von Maman gereichte Glas gleichfalls, salutierte mit Anstand rings umher und leerte es dann auf aller Gesundheit. Seltsam, wirklich seltsam. Der alte Vendéer oder Gascogner führte die Diener der Gäste mir nichts dir nichts aus dem Saal, um ihnen alte Geschichten zu erzählen, statt sie das Dessert aufstellen zu lassen, und dafür tranken ihm sämtliche Kreolen zu, als ob er eine Heldentat vollbracht hätte.

      Auf alle Fälle war er ein ganz einzigartiges Muster eines ehemaligen Kammerdieners oder was er gewesen war. Ein wahres Laternengesicht, das bloß Haut und Knochen vorwies und Runzeln und eine scharfe spitze Nase, am äußeren Ende rot punktiert, ein Paar kleine funkelnde Augen, grauweiße Wimpern, das ganze Profil ungemein scharf, eine wahre Häscher- oder Polizeidirektors-Physiognomie. Für das ihm übriggebliebene Haarkapital trug er übrigens viele Sorge, ein kurzer dicker Haarzopf saß ihm im Nacken und zwei eisgraue Wülste über den Ohren, die zu dem spiegelglatten ehrwürdigen Scheitel keinen üblen Gegensatz bildeten. Sein Rock war aus dem feinsten blauen Tuch mit weißen Aufschlägen, aber in einem Schnitt, der wenigstens ein halbes Jahrhundert alt war. Auch seine Gamaschen datierten in diese Zeit zurück.

      Jetzt war er ganz mit der Aufstellung des Desserts beschäftigt, das er recht kunstgerecht vor die Augen zu bringen wußte. Die Ananastorte verriet Meisterhand. Und wie er den Schwarzen die Teller, Schüsseln und Schüsselchen abnahm und sie gefällig auf die Tafel stellte, ging Howard ein Licht auf. Der Alte hatte die Diener zweifelsohne aus dem Saal bugsiert, um zwischen ihre Ohren und die Zunge Vergennes‘ die gehörige Entfernung zu legen.

      »Nicht wahr, Luise?«

      Sie nickte, legte aber mit einem vielsagenden Blick auf Vergennes den Finger auf den Mund.

      »Weiß nicht, liebe Luise, wer so rücksichtslos jede Schicklichkeit verletzt wie dieser junge Mensch und den fanatischen Apostel spielt, verdiente eigentlich eine ernste Zurechtweisung. Achtung vor jeder Meinung, aber Feingefühl ist da am unrechten Ort, wo unsere und der Unsrigen Sicherheit und Leben in Gefahr stehen. Ohne die Dazwischenkunft dieses alten Amadée würde ein Dutzend Sklaven Dinge gehört haben, die in Zeit von einer Woche unseren fünfundzwanzigtausend Negern am River — auf die wir nicht fünfundzwanzighundert Weiße haben — die Köpfe leicht lichterloh hätten anbrennen können. Ist nicht zu scherzen in diesem Punkt, ist furchtbarer Ernst! Wir sitzen auf einem Vulkan, einem Pulvermagazin, wir dürfen es uns nicht verhehlen. Aber wie wir unsere Lage kennen sollten, sollten wir auch nicht jeden Unbesonnenen mit glimmender Lunte in dieses Magazin eintreten lassen! Wie Männer sollten wir unsere Lage ins Auge fassen, nicht wie alte törichte Weiber, und die Kreolen sind in diesem Punkt leichtsinnige, schnatternde Weiber. Ich befürchte und gestehe es aufrichtig: Diese Kreolen bringen früher oder später eine St. Domingo-Teufelei Anspielung auf den blutigen Sklavenaufstand in St. Domingo im Jahre 1791. über uns und unser Louisiana! Zum Glück haben wir Uncle Sam im Norden!«

      Doch die Stimmen wurden immer fröhlicher, die Reden lauter. Alle fühlten sich so wohl, wie man es nur immer sein kann, wenn Ananas- und Bananentorten und Granadillos und Pecans und Orangen und zwanzigerlei Arten tropischer Früchte mehr und Champagner- und Madeirawein einen anlächeln. Einige saßen bereits wie im Traum, die Akazien vor dem Hause begannen ihnen Menuetts zu tanzen, die Tafel, die Sessel fingen an zu promenieren.

      Mistreß Houston hatte mit einiger Ungeduld der französischen Sitte, an der Tafel zu bleiben, das Opfer gebracht. Nun erhob sie sich, mit ihr die übrigen. Es war auf alle Fälle Zeit, den Aufruhr, den die Weinfluten angerichtet, mit dem Öl der Mokkabohne zu beschwichtigen.

      »Mesdames et Messieurs! Ist‘s gefällig, in den Salon zurückzukehren?«

      Keine Einwendung gegen den Vorschlag des guten Papa kam — alle ordneten sich in Reih und Glied.

* * *

      An der Spitze zog der Graf de Vignerolles mit Mistreß Houston ein. Wirklich ein vollendeter Gentleman. Elegante Formen, leichte, ungezwungene, anmutige Haltung, die alles Auffallende zu vermeiden weiß, lebendiges, geistreiches Gesicht, von einem fortwährenden Lächeln aufgehellt, das bald mild ironisch, bald schärfer spöttisch oder freundlich gutmütig ihm so wohl anstand. Er hatte vieles vom Höfling im besseren Sinne des Wortes. Wie unvergleichlich hatte er die krampfhafte Spannung zu lösen gewußt, in die der heillose Vergennes die ganze Tischgesellschaft versetzt hatte! Wie gefällig, leidenschaftslos der Wortfluß seiner Rede! Auch nicht die mindeste Aufregung. Sprache, Ton, Haltung, Kleidung, alles verriet den geborenen Aristokraten jenes alten Regimes, bei dem Leidenschaften und Tränen längst versiegt waren.

      Chevalier d‘Ecars sagte, er hätte herbe Tage in seinem Leben gesehen. In seiner Jugend am Hofe Ludwig XVI. und Vertrauter eines der Brüder des Königs, sollte de Vignerolles nach dem Tod des unglücklichen Monarchen in wichtigen Aufträgen gebraucht worden sein, die Aufstände in der Vendée mit organisieren geholfen, gegen die Westermanns, die Marceaus, die Dumas und Hoches gefochten haben. Als alles verloren war außer der Ehre, entwich er nach England und von da nach Amerika, wo seine Familie noch aus früheren Zeiten her eine bedeutende Schenkung an Ländereien in den Attacapas besaß. Auf diesen hatte er eine Pflanzung gegründet, die zu den bedeutendsten in Louisiana gehörte und sich durch musterhafte Zucht und Ordnung auszeichnete.

      So lieb sollte ihm sein neuer Wirkungskreis geworden sein, daß er es abschlug, nach Frankreich zurückzukehren, wo ihm nach der Restauration seine Familiengüter mit einer ansehnlichen Entschädigung anheimfielen. Welche Gründe immer ihn bestimmt haben mochten, die ewig grünen Wiesen und Orangenwäldchen der Attacapas den glänzenden Vorzimmern der Tuilerien vorzuziehen, sie verrieten einen selbstbewußten Charakter.

      Der Graf hatte sich mit Mistreß Houston und Luise auf einem Sofa niedergelassen. Ein zweites wurde herangeschoben und nahm Genièvre, Lassalle und Howard auf. Die übrigen Gäste gruppierten sich in kleinen Abteilungen und musterten die Gemälde. D‘Ermonvalle erging sich im Reich der Töne und verlor sich in einer stürmischen Symphonie Beethovens. Er spielte meisterhaft, auch Vergennes bewies nach ihm eine ungemeine Fertigkeit.

      Der alte Amadée begann mit Kaffee die Runde zu machen.

      »Amadée, woran denkst du jetzt?« fragte ihn der Graf.

      »Vergebung, Herr Graf, ich denke mir so allerlei.«

      »Zum Beispiel?« Der Graf nippte an seiner Tasse. »An das Scharmützel bei St. Florent?«

      »Nein, Herr Graf!«

      »Oder an die furchtbaren Tage von Nantes? Wo deine Schwester und — du armer Knabe! — in dem Boot mit den zwanzig Fuß breiten Falltüren ...«

      »Nein, Herr Graf, das alles habe ich zu vergessen gesucht!«

      »Jaja, alter Freund, du hast zu deiner Zeit den Hof und die königliche Familie gekannt, den Marquis von Beaulieu und Charette und Marigny.«

      Er streckte dem alten Diener die Hand hin, die dieser mit Herzlichkeit erfaßte, wobei er dem Grafen gerührt in die Augen schaute. Ein schöner Zug, diese freundliche, beinahe brüderliche Umgangsweise der alten Franzosen mit


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