Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

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Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


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Statthalter eben mit einem toten Buckligen und seinem Mörder beschäftigt sei, wie er diesen habe hängen wollen, aber immer andere gekommen seien, die behaupteten, sie haben ihn umgebracht, und jeder dann seine Geschichte dem Statthalter erzählt habe. Als der König von China dies hörte, sagte er zu einem seiner Türwächter: »Lauf geschwind zum Polizeiobersten und bringt ihn mir her nebst dem Erschlagenen und den Mördern.« Der Pförtner eilte und traf gerade den Henker, als er dem Schneider das Seil um den Hals geworfen hatte und ihn aufhängen wollte; er schrie: »Hänge ihn nicht!« wandte sich zum Beamten und teilte ihm des Königs Befehle mit. Jener machte sich sogleich auf und ging mit dem Buckligen, dem Schneider, dem Juden, dem Aufseher und dem Christen zum König, stellte sie ihm alle vor, küßte die Erde vor ihm und wiederholte die ganze Geschichte des Buckligen von Anfang bis zu Ende. Als der König von China dies hörte, war er sehr verwundert und erstaunt; er befahl, alles aufzuschreiben und sagte nun zu den Umstehenden: »Habt ihr je eine wunderbarere Geschichte, als diese, gehört?« Der Christ trat nun hervor, küßte die Erde und sprach: »O König der Zeit, wenn du es erlaubst, will ich dir eine Geschichte erzählen, die mir selbst widerfahren und worüber selbst Steine weinen müssen.« Der König von China sagte: »Erzähle«. — Der Christ begann:

      Geschichte des Christen

      Wisse, daß, ehe ich in dieses Land gekommen — denn meine Heimat ist weit von hier — ich bin mit Waren hierher gezogen und erst in den letzten Jahren habe ich mich durch die Fügung des Schicksals hier ansässig gemacht — lebte ich in Ägypten und gehörte zu den Kopten; mein Vater war ein großer Makler, und nach seinem Tode setzte ich sein Geschäft zwei Jahre lang fort. Nun hört, was mir wunderbares widerfahren. Ich saß in Kahirah auf dem Getreidemarkt, da kam ein schöner junger Mann, herrlich gekleidet, auf einem Esel reitend und grüßte mich; ich stand vor ihm auf, er zeigte mir ein Tuch voll Sesam und fragte mich, was das Malter davon wert sei?

      Ich sagte ihm, fuhr der Christ in seiner Erzählung vor dem König von China fort: »Der Ardeb von diesem Sesam ist hundert Drachmen wert.« — »Nun«, sprach er, »geh, hole die Träger und die Messer, komme ans Siegestor in den Chan Aldjawali, du wirst mich dort finden. Er verließ mich dann und setzte seinen Weg fort. Ich machte mich auf die Beine, nahm die Probe und besuchte die Getreidehändler und die Magazine der anderen Kaufleute, die Sesam aufkauften. Man bot mir 110 Drachmen für das Malter. Ich nahm dann vier Träger und ging mit ihnen nach der Herberge Aldjawali, wo mich der junge Mann erwartete. Als er mich sah, stand er auf, ging vor mir ins Magazin und sagte mir: »Laß die Messer hereinkommen und messen, und die Träger die Esel beladen.« Die Träger gingen so hinaus und herein, bis das Magazin leer war; es enthielt 50 Malter für 5000 Drachmen. Der junge Mann sagte mir dann: »Es kommen dir 10 Drachmen vom Malter als Maklergeld zu, bewahre mir also 4500 Drachmen auf; wenn ich mit dem Verkaufe aller meiner Magazine fertig sein werde, will ich zu dir kommen und sie bei dir abholen.« Ich sprach: »Es soll geschehen, wie Ihr befehlt«, küßte ihm die Hand und er verließ mich. Ich bewunderte seine Freigebigkeit und erwartete ihn einen ganzen Monat lang, bis er endlich kam und mich fragte: »Wo ist das Geld?« Ich hieß ihn willkommen und bat ihn, ein wenig bei mir einzukehren und etwas zu genießen; er wollte aber nicht und sagte: »Geh, bereite das Geld, während ich fortgehe, ich komme bald wieder zu dir um es zu holen.« Er kehrte dann mit seinem Esel um; ich stand auf, brachte das Geld herbei und wartete; als er wieder einen Monat ausblieb, dachte ich: Sonderbar, daß dieser edelmütige Jüngling nicht kommt, seine 4500 Drachmen bei mir zu holen. Er blieb nun drei Monate aus, kam dann wieder auf einem Esel geritten, mit schönen Kleidern angetan; er sah aus, als käme er aus dem Bade.

      Als ich ihn erblickte, ging ich aus meinem Laden auf ihn zu und sagte ihm: »Mein Herr, kommst du nicht, dein Geld zu nehmen?« Er antwortete: »Was habe ich zu eilen? Wenn ich alle meine Geschäfte beendigt haben werde, so komme ich diese Woche noch, es zu holen«, und entfernte sich wieder. Ich dachte, wenn er wiederkommt, werde ich ihn zu mir einladen. Er blieb aber ein ganzes Jahr weg; ich handelte mit seinem Gelde und gewann ein großes Vermögen damit. Am Ende des Jahrs kam der junge Mann wieder schön gekleidet. Als ich ihn sah, ging ich ihm entgegen und beschwor ihn beim Evangelium, er möge doch mein Gast sein und bei mir essen. Er sagte: »Gut, aber mit der Bedingung, daß die Kosten von meinem Gelde gehen.« Ich war zufrieden, ging mit ihm ins Zimmer und ließ Teppiche vor ihm ausbreiten. Als er Platz genommen, lief ich auf den Markt, kaufte allerlei Getränke, gefüllte Hühner und süße Speisen und legte sie ihm vor; er näherte sich dem Tische; als ich »im Namen Gottes«Sowohl vor Tisch, als beim Anfang und oft auch bei Vollendung irgendeiner Handlung sagen die Muselmänner: Im Namen Gottes, d.h. geschehe dies. sagte, streckte er seine linke Hand aus und aß mit mir. Ich wunderte mich sehr über ihn und dachte: Nur Gott ist vollkommen, dieser junge Mann ist so freigebig und so schön, doch so hochmütig, daß er vor Stolz sich nicht der rechten Hand zum Essen bedient; ich aß aber doch mit ihm.

      Als wir gegessen hatten, fuhr der Christ fort, goß ich Wasser über seine Hand und reichte ihm ein Tuch zum Abtrocknen; nachdem ich ihm auch einige süße Speisen angeboten und wir uns zu unterhalten anfingen, sagte ich zu ihm: »Mein Herr! zerstreue meinen Kummer, sage mir, warum du mit der linken Hand gegessen; hast du vielleicht irgend ein Übel an der rechten Hand?« Als der Jüngling dies hörte, zog er weinend den rechten Arm aus seinem Ärmel hervor und zeigte ihn mir, und siehe da: er war verstümmelt, es war ein Arm ohne Hand; als er meine Verwunderung darüber bemerkte, sagte er: »Wundere dich nicht, denke aber nicht, daß ich aus Hochmut mit der linken Hand gegessen habe, und höre die wunderbare Geschichte, wie ich meine Hand verlor.« Als ich mein Verlangen danach äußerte, erzählte er unter Seufzen und Weinen folgendes: »Wisse, daß ich in Bagdad geboren hin, mein Vater gehörte zu den Vornehmsten der Stadt. Als ich das Mannesalter erreicht hatte und oft viele Leute und Reisende Wunderdinge von Ägypten erzählen hörte, blieben mir diese Gedanken immer im Herzen, bis mein Vater starb und ich ihn erbte; dann packte ich eine Partie Bagdader und Mossuler Waren zusammen, nahm auch tausend Stück Seidenstoffe und andere Stoffe mit und reiste damit von Bagdad weg nach Kahirah. In Kahirah ließ ich mich mit meinen Waren im Chan Masrur nieder; ich packte meine Ladung aus und ging damit in die Magazine, gab meinem Diener Geld, um etwas Essen zuzubereiten und ruhte mich aus, während meine Jungen aßen. Dann ging ich ein wenig zwischen den Palästen spazieren und legte mich hierauf schlafen. Nachdem ich völlig ausgeruht hatte, öffnete ich mehrere Ballen Waren und beschloß, einige bekannte Bazare zu besuchen, um mich nach dem Preise zu erkundigen. Ich nahm einige Proben, bepackte damit einen meiner Jungen, zog mein schönstes Kleid an und ging bis auf den Markt des Djeherkaß. Als ich hineintrat, kamen mir die Makler, die von meiner Ankunft schon wußten, entgegen, nahmen die Muster meiner Waren und riefen sie aus, aber niemand bot dafür, was sie mich kosteten; ich war sehr verstimmt darüber und sagte: »Ich werde ja mein eigenes Kapital auf diese Art nicht herausbringen.« Die Makler antworteten: »Wir wissen dir einen Rat, wodurch du nicht nur nichts verlieren, sondern auch noch gewinnen wirst.«

      »Du mußt nämlich«, sagten die Makler, »wie andere Kaufleute deine Waren in kleinen Partien, nach bestimmten Terminen, verkaufen und dir einen Zeugen, einen Schreiber und einen Wechsler nehmen; du kannst dann jeden Montag und Donnerstag dein Geld bei den Leuten holen und die übrigen Tage dich in Kahirah unterhalten oder am Nil dich ergötzen.« Ich gab diesem Rate meinen Beifall, führte die Makler in meinen Chan und gab die Ware heraus. Sie trugen sie mit mir auf den Markt, ich verkaufte sie einzeln, ließ mir Handschriften, von Zeugen unterschrieben, von den Käufern geben, und übergab sie den Geldwechslern zum einkassieren; ich kehrte dann wieder in den Chan zurück, blieb einige Tage dort, frühstückte jeden Tag einen Becher voll Wein, Hammelfleisch, Tauben und süße Speisen, und lebte so einen ganzen Monat hindurch. Nun kam der zweite Monat, an welchem ich mein Geld einzufordern hatte; ich ging jeden Montag und Donnerstag auf den Markt, setzte mich zu einem Kaufmanne, bis der Geldwechsler mit dem Schreiber mir das Geld von den Käufern brachte. So blieb ich bis nach dem Nachmittagsgebet, dann rechnete ich das Geld zusammen, versiegelte es und ging wieder in den Chan. Nachdem ich eine Zeitlang so gelebt, ging ich einmal an einem Montage früh ins Bad; als ich herauskam, zog ich herrliche Kleider an, begab mich auf mein Zimmer im Chan, frühstückte mit Wein, schlief, aß dann ein gekochtes Huhn, salbte und beräucherte mich mit wohlriechenden Essenzen und ging auf den Markt, wo ich mich neben einen Kaufmann setzte, den man Bedruddin den Gärtner nannte. Als ich mich eine Weile mit ihm unterhielt, kam eine reichgekleidete


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