Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer

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Der Ochsenkrieg - Ludwig  Ganghofer


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      Ein freudiger Jubel erhob sich am Tisch. Es macht den Menschen die Seelen warm, wenn sie einen lachen sehen, der dem kalten Tod entronnen. Zärtlich sagte die blonde Magd: »O heilige Mutter, dem hast beigestanden!« Marimpfel, in dem das Abenteuer des Bruders ein stolzes Wohlgefallen weckte, schob ihm die Kinne hin: »Schluck, Herzbruder, schluck, daß dich das Zäpfl nit kitzelt!« Und als Malimmes nach festem Trunk die Kanne niederstellte, drängten die aufgeregten Stimmen schon: »Das andermal? Wie war’s das andermal?«

      »Das ist im Clevischen gewesen, vier Jährlein nach dem ungerischen Handel.«

      Die Zärtliche fragte: »Hast im Clevischen auch so treu gefochten wie im Ungerland?«

      »Nein, Maidl!« Malimmes bekam einen Zug von Ernst im Gesicht. »Da hab ich im trunken Übermut eine schieche Sache verübt.«

      »Was denn für eine?«

      »Dir sag ich’s nit! Junge Maidlen müssen nit alles wissen. Dem Kapuziner hab ich’s gebeichtet. Der hat arg geschumpfen. Und hat gesagt: ›Ich absolvier dich bloß, weil du sterben mußt!‹ So schiech ist die Sach gewesen, daß mein eigener Hauptmann mich zum Baum hat führen lassen, derweil ein grobes Unwetter am Himmel gehangen hat. An mein Zigeunerweibl hab ich gar nit denken mögen. Denn meine Straf ist redlich verdient gewesen. Auf dem Weg zum Eichbaum, der nit weit vom Geläger war, hat’s grau zu schütten angehoben. Derweil ich Reu und Leid gemacht hab, ist das Wasser von mir niedergeronnen. Unter dem Eichbaum bin ich neben dem Meister Ungut auf der Staffel gestanden. Und wie der Hänfene an den Ast gebunden war, tu ich ein Kreuz machen und sag: ›Stoß mich hinaus, Meister, ich hab’s verdient!‹ Und grad, derweil ich den Stoß verspür, da tut’s in den Lüften einen Böller als wie von der Cölnerin Unverzagt, und Feuer ist vom Himmel gefallen, daß die Welt wie in blauer Glut geschwommen hat. Der mächtige Eichbaum ist in Scherben gewesen. Wie die Fliegen, wenn’s zum Frieren anhebt, sind die Leut auf dem Boden gelegen und ich dabei, ich weiß nit wie. Viere hat der Blitz erschlagen. Und mit den andern, die sich aufrappeln, lauf ich ins Geläger hinein. Meine Zeltgnoten haben mir gesagt, wie das Feuer gefallen wär, da hätt ich am Ast gehangen und hätt einen großen Heiligenschein um den ganzen Leib herumgehabt. Jetzt denket, Leut! Ein grauslicher Sünder! Und schaut wie ein Benedeiter aus! Viel Ding im Leben sind hart zu verstehen, ist schon wahr! Und ich geh zum Herrenzelt und sag: ›Herr Hauptmann, morgen, da wird’s wohl wieder trücken Wetter geben, da muß man’s halt zum andernmal mit mir versuchen.‹ Und da ist mein grober Hauptmann wie ein gütiger Heiland worden und sagt: ›Geh hin und sündige nimmer! Ich muß vergeben, wenn der Herrgott mit himmlischen Pulverbüchsen nach deinen irdischen Richtern schießt.‹«

      Schweigen blieb an der Tafel, während Malimmes trank. Von seiner Geschichte, die ihn selber ernst gemacht, war’s wie der Hauch eines Wunders ausgegangen. Sogar Marimpfel schwieg. Aber sein Stolz auf den Herzbruder war im Schwinden. Hatte die Geschichte sich wirklich so zugetragen? Oder verstand sich Malimmes nur so fein aufs Lügen? So oder so — Marimpfel begann auf den Bruder eifersüchtig zu werden, begann es ihm zu neiden, daß diese Grübelnden am Tisch mit großen Augen und offenen Mäulern zu ihm aufstaunten.

      Die Zärtliche hatte einen feuchten Schimmer unter den Wimpern und fragte leis: »Hast nimmer gesündiget?«

      »Ein lützel schon. Weißt, Maidl, Mensch bleibt Mensch.« Malimmes schmunzelte. »Aber so grauslich wie selbigsmal im Clevischen ist’s niemals nimmer ausgefallen.« Er ließ die Bitsche kreisen. »Und wie sie mich das drittmal hätten hängen mögen, das ist bei Ulm gewesen, vor sieben Jahr. Da hab ich das feindliche Geläger ausspähen müssen. Und da haben sie mich hopp genommen.«

      Marimpfel reckte sich. »Wirst es halt dumm gemacht haben!«

      »So? Meinst?« Der Bruder blinzelte ihn heiter an. »Mach’s achtzehn Jahr lang mit, und nachher komm und sag mir, wie’s am besten ist.«

      Ein Gelächter surrte um den langen Tisch, und Marimpfel tat, als wäre ihm das Mitlachen ein Vergnügen. Da erschien der junge Knecht des Runotter in der Tür und rief dem Gadniscben Hofmann zu: »Mein Bauer ist heimgekommen, jetzt kannst ihm Botschaft sagen.«

      Marimpfel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die soll er sich holen! Der! Wo ich sitz, das siehst. Da kannst es ihm sagen. Fahr ab!«

      Der Knecht verschwand.

      Die am Tische guckten. Und verwundert sah Malimmes den Bruder an, beugte sich zu ihm hin und tuschelte: »Du! Es wird dir doch so ein Tröpfl Wein nit den Kopf verdösen! Hast mir nit gesagt, du hättest eilfertigen Herrendienst? Mensch, tu verständig, was deines Amtes ist!«

      »Was meines Amtes ist, das weiß ich schon!« Marimpfel wurde verdrießlich. »Das weiß ein Herrschaftsreiter besser wie du, Herr Baurenfreund! Schau deine lieben Knospen an der Tafel an! Die gluren auf deine Possen —«

      »Bruder!«

      »Wie Kinder in der Fasnacht auf die Schembarter! Erzähl doch! Erzähl! Wie! hat’s denn gegangen mit dem dritten Strick?«

      Auch die Ungeduldigen am Tische riefen: »Erzähl! Erzähl!«

      Malimmes sah den Bruder schweigend an. Dann legte er sich mit breiten Ellenbogen über die Tafel.

      »Also, die Ulmer haben mich hopp genommen! Und flink hat’s da geheißen: Ans Rappenholz, der Lump muß hängen! Aber der Ulmer Meister vom letzten Hanf ist ein junges Schaf gewesen. Hat gemeint, er verstünd was, und hat seine nötige Kunst traktiert wie der Sautreiber die Nachtigall. Und weil er allweil so dröselt an mir und bringt die Sache nit füreinand, da ist mir die Geduld vergangen. Und ich schlag dem Hammel eine Maulschelle über den Schnabel. Und schrei: ›Du! Richten muß flinke Barmherzigkeit sein. Komm her, du Lapp, ich will dir zeigen, wie man’s macht!‹ Da geht ein lustiges Lachen durch den Leuthaufen, der um uns her gewesen ist. Die Schwaben sind ein verständigs Völkl. Ein Sprüchl sagt: Der Schwab ist froh, und ist er arm, so tanzt er noch mit leerem Darm. Und wie die Leut so lachen, streckt sich ein junges, sauberes Maidl in die Höh und schreit: ›Um den wär schad, den sollt man gnadigen.‹ Und hundert Mannsleut schreien es gleich dem Maidl nach. Und richtig! Die Ulmer haben mich laufen lassen.«

      Am langen Tisch erhob sich ein glückseliges Gelächter. Und Malimmes, während er gemütlich mitlachte, sagte zu Marimpfel: »Jetzt nimm mich in die Lehr, Herzbruder! Wärst du auf dem Ulmer Schrägen gestanden, wie hättst es denn du gemacht?«

      Was Marimpfel brummte, war bei dem heiteren Rumor der Tafelrunde nicht zu hören. Die blonde Magd hatte ein heißes Gesichtl und lachte: »Für das schwäbische Maidl bet ich heut nacht drei Vaterunser!« Und viele sprangen von den Stühlen und Bänken auf, vergaßen das Selchfleisch und die billige Bitsche, drängten sich um Malimmes her und wollten aus nächster Nähe hören, wie die Geschichte des vierten Strickes ihr glückliches Ende finden würde.

      »Das ist in Landshut gewesen, vor dritthalb Jahr«, erzählte Malimmes, »und Landshut, Leut, das ist eine gefährliche Stadt. Da haben einmal die Wolf den Schultheiß auf offenem Markt gefressen. Die Landshuter haben zugeguckt aus ihren Fenstern. Und wie der Ärmste gefressen war, hat ein barmherziges Kindl gesagt: ›Der Schultheiß ist mager gewesen, die lieben Wolf lein müssen noch Hunger haben.‹ Im selbigen Landshut, in so einer gefährlichen Stadt, hätt ich schier mein Leben lassen müssen. Da haben wir Nüremberger, nit weit von Regensburg, einem Ritter die Burg gebrochen. Der ist mit dem Landshuter Herzog Heinrich im Bund gewesen. Auf dem Heimweg hab ich mit zwölf braven Gnoten die Nachhut gedeckt. Wir kommen zur Donau. Die zwölfe hocken schon im Fährboot. Da sprengt ein Häufl von des Herzogs Reitern auf uns ein. Ich stoß das Fährboot ins Wasser und will nachspringen. Aber weil mein Binkel ein lützel schwer gewesen ist, bin ich zu kurz gesprungen. Das Fährboot rinnt davon, ich platsche ins Wasser hinein, und die Landshuter greifen mich.«

      »Jesus!« stammelte die blonde Magd erschrocken. Und das magere Bäuerlein kreischte: »Gänsl, dummes! Ist ihm doch nichts geschehen! Er hockt doch bei uns und lacht.«

      »Aber selbigmal ist mir nit zum Lachen gewesen. In meinem Binkel haben sie fünf goldene Becher und viel schönes Geschmeid gefunden. Drum haben sie mich mitgezarrt bis auf Landshut. Zwischen den Nürembergern


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