Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer

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Der Ochsenkrieg - Ludwig  Ganghofer


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Fürst die Küh futtern und die Milch vergüten. Derweil kriegen wir auf der Alb mehr Gras, wenn minder gefressen wird. Ist ein Nutzen. Den Schaden muß das Stift gutmachen. Tät der Fürst für seines Amtmanns Unrecht nit aufkommen, so geht man zum deutschen König. Dafür ist der König da. Wozu denn sonst? Und den Weg zum deutschen König weiß der Seppi Ruechsam. Sonst tät er nit Albmeister sein. Was denn sonst? Jetzt tummel dich, Mensch! Und reit!«

      Das war die längste Rede, die man vom Seppi Ruechsam seit vielen Jahrzehnten gehört hatte. Er sollte in seinem Leben keine so lange mehr halten.

      Der Richtmann überquerte die Ache wieder, und sein unermüdlicher Schimmel, dessen Heubauch schlank geworden, jagte zum Taubensee.

      Die Sonne bekam schon goldene Glut, und alle Farben der Erde und des Himmels vertieften sich zu sanftem Glanz.

      Im Wiesgarten am Taubensee schleppten Mareiner und sein Weib das fein geratene Heu in großen Tüchern zur Scheune. Die Bäuerin, als sie den Reiter sah, bekam gleich wieder einen Schreck; ein Herr war der Runotter freilich nicht, aber der Richtmann war er.

      »Du, Mareiner«, rief der Ramsauer und sprang vom Gaul, »ist’s wahr, daß dein Bruder Malimmes gekommen ist?«

      »Wohl!« Das konnte der Bauer ruhig sagen. Seine dreiundachtzig und ein halb Pfund Pfennig waren in Sicherheit; und Malimmes tat, als möchte er geben wie ein Christ, nicht nehmen wie ein Hofmann. »Vor der Haustür hockt er bei der Mutter.«

      »Mein Gaul ist heiß gelaufen. Magst ihn ein lützel führen, derweil ich mit deinem Bruder red?«

      »Gib her!«

      Runotter ging zum Haus. Er dachte zwei Menschen in Freude zu finden und fand zwei Leute, von denen sich keins ums andre zu kümmern schien. Wohl saßen sie nebeneinander, die alte Frau im Sessel und Malimmes auf dem Boden, ohne Wams und mit nackten Füßen, recht wie einer, der daheim ist; doch er hielt die Arme um die aufgezogenen Knie geschlungen und guckte verdrossen vor sich hin; die große Narbe brannte wie Feuer.

      Er war nicht wehleidig. Aber wie die Mutter seine Heimkehr nahm, das war doch wunderlich. Eine kurze Freude, wie beim Besuch einer Nachbarin, die man lange nicht gesehen. Und nun saßen die beiden so nebeneinander, schon den ganzen Nachmittag. Wenn Malimmes erzählen wollte, hörte die Mutter nicht zu und guckte zum Himmel hinauf; und wenn er stumm wurde, redete sie vom andern, immer vom andern. Jetzt wieder. Und plötzlich fragte sie: »Malimmes, bist du noch da?«

      »Noch allweil, ja!«

      »Wie lang, sagst, hast du laufen müssen bis zu deiner Mutter?«

      »Sieben Täg.«

      »Ein weiter Weg. Und der ander steht am Zäunl. Steht am Zäunl. Und geht nit herein zu mir.«

      »Das hast du mir schon gesagt, Mutter! Oft schon. Magst nit ein lützel mit mir reden?«

      »Steht am Zäunl und geht nit herein zu mir.«

      Malimmes sah den Richtmann kommen, streckte sich, stand auf und ging ihm lautlos durch das Gras entgegen. »Bist du nit der Runotter?«

      »Freut mich, daß du mich noch kennen magst.« Erschrocken sah Runotter die brennende Narbe an.

      »Kommst du zu mir?«

      »Wohl! Hab gehört, du wärst wieder da.«

      »Gelt! So wirft das Leben die Leut umeinand, man weiß nit, warum.« Das klang ein bißchen katzenjämmerlich. Und doch war an Malimmes keine Spur von Trunkenheit. Er sah über die Schulter zu der alten Frau hinüber. Dann zwang er sich zu heiterem Ton. »Ja, weißt, in Nüremberg hat’s mir nimmer gefallen, seit man um der Franzosen willen die Badstuben geschlossen hat. Ich hab allweil ein lützel auf Sauberkeit gehalten. Wie kleiner ein Gärtl ist, um so feiner muß man’s hegen.«

      Der Richtmann schien nicht zu verstehen. »Franzosen? Im Reich? Ist Krieg?«

      Jetzt konnte Malimmes lachen. »Ein harter, ja! Aber Gott sei Dank, von der Ramsau müssen die blauen Marodier noch weit sein! — Jetzt red, Richtmann! Ich sehe doch, du willst was.«

      »Bleibst lang daheim?«

      Wieder sah Malimmes über die Schulter. »Glaub nit. Was tu ich denn da? Man ist der Niemand. Der Schlechter ist allweil der Besser! — Und was tu ich draußt in der Welt? Nit wissen, wo man daheim ist. Pfui Teufel!«

      »Hast keinen Herren?« fragte der Richtmann rasch.

      Malimmes schüttelte den Kopf.

      Dem Runotter schoß die Freude heiß ins Gesicht. »Ich tät dir was wissen. Aber du wirst nit mögen.«

      »Schieß los!« Der Soldknecht lachte. »Laß den Bolzen fahren! Gut oder schlecht geschossen, ein Plätzl trifft er allweil.«

      »Mein Bub müßt im Winter zur Holdenwehr. Dienen kann er nit, weil er bresthaft ist.«

      Der Söldner nickte.

      »Das weißt? — Weißt auch warum?«

      Wieder nickte Malimmes. »Selbigsmal bin ich doch fort. Hab flüchten müssen, weil ich über den Hartneid Aschacher geschumpfen hab.«

      Jäh streckte Runotter die Hand.

      Malimmes nahm sie nicht. »Laß gut sein! Deinetwegen hab ich nit geschumpfen. Ich hab geschumpfen, weil mir gegraust hat. — Also? Was willst?«

      Zögernd sagte der Richtmann: »Für meinen bresthaften Buben, daß er das Erbrecht nit verliert, such ich einen Stellmann zur Holdenwehr.«

      Jetzt verstand Malimmes und brach in heiteres Gelächter aus, wie über einen guten Spaß. »Jöija, Bauer! Bist voll und toll? Wer heut mit mir gesoffen hat, das weiß ich nimmer. Aber du bist doch nit dabei gewesen?«

      »Spotten brauchst nit!« Runotter war bleich geworden. »Hab mir eh schon gedacht, du wirst nit mögen.«

      Im Klang dieser Worte war ein so schwerer Kummer, daß Malimmes sein Lachen sein ließ und verwundert aufsah.

      »Gottes Gruß!« Der Richtmann wollte gehen.

      Da faßte ihn Malimmes flink am Arm. »Du!« Ein langes Schweigen. »Wenn ich um Allerheiligen noch leb und frei bin, meiner Seel, ich tu’s.«

      Mit jagenden Worten sagte Runotter: »Wenn du möchtest, Mensch, ich tät dir Sold geben von heut an. Verlang, was du magst. Hab ich so viel, so geb ich’s.«

      Nun mußte Malimmes wieder lachen. »Da tätest ja du mein Herr sein bis zum Winter!« Immer heiterer wurde er. »Dem König hab ich gesoldet, einem Kurfürsten, einem Herzog, einem Bischof, einer schönen Frau, einem Heckenreiter und einer Stadt. Noch nie einem Bauren! Jöija, schau, da hätt ich ja gar was Neues im Leben!«

      »Red nit so!« sagte Runotter unwillig. »Mir ist das kein lustig Ding.«

      »Aber mir! Eines Bauren Soldmann? Ist was Neues! Freilich, die Bauren führen allweil Krieg, eines Sauren Kriegsmann sein, ist gefährlich. Könnt sein, da geht’s mir flink an das kitzlige Zäpfl. Aber wissen möcht ich, wie das ist, wieder einmal was Neues haben.« Lustig klatschte Malimmes die Hand auf seinen Schenkel. »Einmal im Clevischen, da hat mich auch ein Gusto gekitzelt. Hab gemeint: Um des Wissens wegen muß man alles verkosten. Da hätten sie mich schier gehenkt. Ein Blitz hat einschlagen müssen, daß ich vom Baum wieder ledig worden bin.«

      Der Richtmann sagte hart: »Laß dein narrisches Reden sein, das ich nit versteh. Tust mich foppen? Oder ist es dein Ernst?«

      »Die Hand her! So schlag ich ein!«

      Die beiden Fäuste umklammerten sich. Malimmes lachte, Runotter blieb ernst, doch die steinerne Härte seines Gesichtes milderte sich. »Was verlangst?«

      »Ich schätz dich nit minder ein als wie die Nüremberger: doppelt Gewand, für Sommer und Winter, Wehr und Eisen nach Not, Trank und Speis nach Landsbrauch, im Frieden Stub und Bett, bei Krieg einen Polster im Zelt, zwanzig Pfund Pfennig als Doppelsold, viermal im Jahr ein frummes Weibl und nach jeder gewonnenen Schlacht das Raubrecht.«

      Im


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