Die Ahnen. Gustav Freytag

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Die Ahnen - Gustav Freytag


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des Bischofs war«, und schnell eilten sie davon, bevor der Wächter nach den Nachtgestalten aussah.

      Dasselbe riefen sie in alle Höfe, die an ihrem Wege lagen, und als sie vor das Heimatdorf kamen, mahnte Ingram den schlafenden Wächter in der Torhütte ebenso. Es war nach Mitternacht, als sie über das Dorf hinaufkamen; die letzten Strahlen des niedersteigenden Mondes fielen auf die neuen Gebäude des Meierhofes, der Hof Ingrams lag dunkel im Schatten der Bäume. Wo der Weg sich von der Dorfstraße trennte, hielt Ingram an: »Dort liegt der Hof meiner Väter und dort hausen deine Brüder und die Priester. Vielleicht nehmen sie dich wieder bei sich auf, obgleich du den Frieden verloren hast. Wähle, Walburg.«

      »Ich habe dich gewählt,« antwortete Walburg, »du aber gedenke der Knaben.«

      Ingram bewegte zufrieden das Haupt und wandte sich dem Meierhofe zu. »Wo ist das Schlafhaus der Priester?« Walburg führte ihn vor die neue Halle. »Wahre dich,« flüsterte sie, »die Reisigen des Grafen liegen im Hofe.« Aber Ingram achtete nicht darauf. Er pochte an den Laden. »Ist der Jüngling hier, den sie Gottfried nennen, so möge er hören.«

      Drinnen regte sich‘s. »Ist es deine Stimme, Ingram, die mich ruft? Ich höre, mein Reisegeselle.«

      »Wolfsgenoß heiße ich,« rief Ingram zurück, »und dein Reisegeselle will ich nicht sein, sondern dein Feind. Du aber hast deine Hände den Weiden geboten, damit ein anderer frei werde, darum bringe ich dir von ihm, der im wilden Steine haust, eine Warnung. Durch den Wald schallt es, daß der Ratiz über die Berge reitet, um den Bischof zu fangen und euch auszutilgen. Siehe zu, ob du dein Haupt und andere, die dir lieb sind, zu retten vermagst, denn nahe ist euch das Verderben.«

      Die Tür öffnete sich, Winfried trat auf die Schwelle. Der Speer in Ingrams Hand zuckte, aber er wendete sein Gesicht ab, als der Bischof sprach: »Die Warnung kündet, was Sorge macht, doch meldet sie zu wenig, um andere zu retten. Sahst du oder ein anderer den Anzug der Sorben?«

      »Nur ihr Anschlag wurde verraten«, rief Ingram zurück.

      »Und wann erwartest du den Einbruch?«

      »Vielleicht heut zum Frühlicht, vielleicht erst in den nächsten Tagen.«

      »Heut ist der Tag des Herrn, im Frühlicht sammelt der Himmelsgott die Getreuen bei seinem Heiligtum, dort wird er die Flehenden gnädig beschirmen. Auch dem Friedlosen ist die Freistätte bereitet, suchst du Frieden, so tritt ein.«

      »Deinen Frieden begehre ich nicht,« rief Ingram über die Achsel zurück, »Wolf und Wölfin springen abwärts von deinem Pferch.« Er entwich mit schnellen Schritten, gleich darauf sah Winfried zwei Schatten über den Weg gleiten und in der Richtung des Rabenhofes verschwinden.

      Ingram öffnete eine schmale Pforte, welche von außen unkennbar durch das Pfahlwerk seines Hofzauns führte, und half der Jungfrau über Graben und Zaun in den Rabenhof. »Unrühmlich ist solcher Eintritt der Braut in den Hof des Verlobten,« murmelte er zornig, »meine eigenen Rüden fallen mich an«, aber im nächsten Augenblick umsprangen ihn die Hunde mit freudigem Gebell. »Schweigt, ihr Wilden, allzu deutlich schallt euer Willkommen in das Tal.« Er pochte an den Stall, in welchem die Kammer Wolframs war.

      »Ich verstehe den Gruß der Hunde und den Schlag der Herrenhand«, rief eine fröhliche Stimme, und Wolfram trat heraus. Unter der Linde standen die drei in eiliger Beratung. »Darum also lachte der schurkische Weißbart, als ich ihm das Tuch gab,« rief der erstaunte Wolfram, »und darum fuhr er mit den Blicken so freundlich über unsere Dächer. Ist alles wie du sagst, Herr, so drohen die Sorben heut oder in den nächsten Tagen. Noch sind sie nicht da, und wir vermögen auf die Verteidigung des Hofes zu denken.«

      »Das Dach des Gebannten ist preisgegeben,« versetzte Ingram, »die Speere der Landgenossen werden es nicht schützen, auch wenn sie vermöchten. Was aber immer dem Hofe geschehe, dennoch denke ich den Pferdedieben ihre Freude zu verderben. Haben sie auch den Raben, das übrige edle Blut meines Stalles will ich ihnen nimmermehr hinterlassen, die Zucht der Mähren, welche seit meinen Ahnen berühmt war, soll gerettet werden und ebenso die Sorbenbeute, die ich am Herde bewahre. Ich sattle hier, was ich bedarf; mit der ledigen Koppel und der Kampfbeute jage du talab zum Hirschwald und birg sie dort in der Schlucht, wo unser Versteck ist.«

      Wolfram wies auf Walburg. »Du sprichst gut. Doch die Jungfrau weiß recht wohl mit den Pferden Bescheid, leicht weise ich ihr den Weg nach der Tiefe, denn ungern weiche ich in diesen Stunden von dir.«

      »Ich bleibe, Ingram,« bat Walburg, »wo ich dir nahe bin.«

      »Dann muß ich den Nachtritt tun«, schloß Wolfram unzufrieden. »Doch kenne ich einen, der sich nicht in der Tiefe duckt. Auf dem Wege schlage ich an den Herrenhof des Albold und lade ihn zur Sorbenjagd.«

      Hastig regten sich die Hände, nach kurzer Zeit stob Wolfram mit den Rossen talab. Bevor er schied, sagte er zu Walburg: »Dir binde ich unseren Falben an das Tor, wenn du ihn brauchst; er gebührt dir, denn er stammt aus der Zucht deines Vaters.«

      Ingram trat, sein Roß am Zügel führend, zu der Jungfrau und faßte sie an der Hand. »Komm aus dem Hofe in das Sternenlicht. Ich stehe hier, um die letzte Wache zu halten vor dem Hofe meiner Ahnen, und ich fürchte, keiner von den Göttern und keiner von allen Menschen sorgt um den Ausgestoßenen. Wenn hier Speere geworfen werden, so weiß ich nicht, ob mich zuerst eine Waffe meiner alten Kampfgenossen trifft, oder der Fremden. Preisgegeben bin ich dem Eisen und preisgegeben ist mein Hof den Bränden, freundlos und ohne Gesellen stehe ich auf der Männererde vor meinem letzten Kampf. Denn hier denke ich den Sorben zu erwarten. Du aber sage, wenn später noch jemand nach mir fragt, daß ich nicht unmännlich auf die letzte Wunde geharrt habe. Nur um dich fühle ich heißen Schmerz, du hast um meinetwillen den Frieden verloren, verachtet bist du wie ich und allein. Und meine schwere Sorge ist, daß du nicht wieder in die Hände der Sorben fällst. Darum beachte meine Bitte, bleibe bei mir, solange die Nacht uns deckt, damit ich eine Menschenhand halte; und wenn das graue Licht auf die Wege fällt, so reite abwärts bis zu meinem alten Gesellen Bruno, er ist ein ehrlicher Mann, und wenn du ihm meinen letzten Gruß bringst, so wird er um meinetwillen für dich sorgen. Bin ich erst dahingeschwunden, dann werden sie auch im Volke dich wieder ehren.« Er hielt ihre Hand fest, und die Trauernde fühlte den bebenden Druck.

      »Du gedenkst zu sterben, Ingram, wie ein Hoffnungsloser; ich aber will, daß du leben sollst, und mein ganzes Glück hoffe ich von den Tagen deiner Zukunft. Darum bin ich zu dir in den Wald gekommen und darum mahne ich dich jetzt, wenn ich gleich nur ein Weib bin. Anderes erwarte ich von dir, als daß du hier, auf die Speere harrend, am leeren Hofe die Wache hältst. Haben deine Landgenossen auch hart an dir gehandelt, dennoch leben viele in der Nähe und weiter unten im Tale, deren Wohl auch dir am Herzen liegt. Du bist hochsinnig und darfst nicht tatlos weilen, bis sie von den Räubern überrascht werden. Niemand kennt den Wald wie du und niemand ist zur Stelle, nach den Feinden auszuspähen, darum flehe ich, Held, daß du vor den anderen selbst prüfest, ob dich die Ahnung betrogen hat. Kündest du, wo die Feinde nahen, so mögen Waffenlose sich retten, und die Krieger den Feind leichter abwehren.«

      »Du sendest mich in der Notstunde von dir?« fragte Ingram düster. »Willst du dich zu den Christen flüchten? Sie selbst sind schutzlos wie du.«

      »Du sprichst hart und deine Worte tun mir weh«, rief Walburg. »Nicht um mich sorge ich. Aber deinetwegen denke ich der heiligen Lehre; haben andere Übles an dir getan, dir geziemt es, gut an ihnen zu handeln.«

      »Du sagst es«, versetzte Ingram. »Die zu mir in den wilden Wald gekommen ist, soll nicht umsonst fordern, daß ich dahin zurückgehe, lebe wohl, Walburg, ich reite.«

      Aber Walburg hielt ihn fest. »Noch nicht, Geliebter. Da du gehen willst, graut mir davor, daß ich selbst dich in die Gefahr sende. Du darfst nicht reiten, wenn du kämpfen willst, denn warnen sollst du, damit andere sich retten. Hier weile ich, an deiner Statt halte ich die Wache am leeren Hofe, bis du zu mir kehrst. Daran denke. Willst du aber den Sorben dort im Kampfe bestehen, so halte ich flehend deinen Leib fest, damit du mir nicht im Walde vergehest.« Sie umschlang ihn leidenschaftlich mit ihren Armen, Ingram küßte sie auf das Haupt. »Sei ruhig, Mädchen, wenn ich nicht will, umstellen mich die Sorben schwerlich, und ich will zurückkehren und die Botschaft bringen dir und deinen Freunden. Entlaß mich, Geliebte; denn der


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