Der Doppelgänger. Dostoyevsky Fyodor

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Der Doppelgänger - Dostoyevsky Fyodor


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er entwickelte eine außerordentliche Tätigkeit. Aus dem Kaufhofe begab sich unser Held in ein bekanntes Möbelmagazin, wo er Möbel für sechs Zimmer erhandelte, einen modernen, höchst eigenartigen Damentoilettentisch im allerneuesten Geschmack bewunderte und dem Kaufmann versicherte, er werde bestimmt alles abholen lassen, worauf er das Magazin verließ, nach seiner Gewohnheit mit dem Versprechen einer Anzahlung; dann fuhr er noch hierhin und dahin und feilschte um dieses und jenes. Mit einem Worte: seine mühsamen Geschäfte schienen gar kein Ende zu nehmen. Schließlich schien Herr Goljadkin selbst dieser ganzen Tätigkeit recht überdrüssig zu werden. Es begannen ihn sogar Gott weiß bei welcher Gelegenheit ohne rechten Anlaß Gewissensbisse zu quälen. Um keinen Preis hätte er jetzt z. B. mit Andrei Filippowitsch oder auch nur mit Krestjan Iwanowitsch zusammentreffen mögen. Endlich schlug die Stadtuhr drei Uhr nachmittags. Als Herr Goljadkin sich nach Beendigung seiner Einkäufe in den Wagen setzte, hatte er von allen Erwerbungen dieses Tages in Wirklichkeit nur ein Paar Handschuhe und ein Fläschchen Parfüm für anderthalb Rubel bei sich. Da es für Herrn Goljadkin noch sehr früh war, so befahl er seinem Kutscher bei einem bekannten Restaurant auf dem Newski-Prospekt zu halten, das er bisher nur vom Hörensagen kannte, und stieg aus, um einen Bissen zu essen, sich zu erholen und die richtige Zeit abzuwarten.

      Er aß nur so viel, wie eben jemand ißt, der ein üppiges Diner in Aussicht hat, zu dem er eingeladen ist, das heißt, er genoß eine Kleinigkeit, um, wie man sich ausdrückt, das Würmchen zu töten, und trank ein Glas Schnaps dazu; dann setzte sich Herr Goljadkin in einen Lehnstuhl und griff, bescheiden um sich blickend, nach einer mageren russischen Zeitung. Nachdem er ein paar Zeilen gelesen hatte, stand er auf, sah in den Spiegel, brachte seinen Anzug in Ordnung und strich sich das Haar glatt; hierauf ging er zum Fenster und sah zu, ob auch sein Wagen da sei … dann setzte er sich wieder auf seinen Platz und nahm von neuem die Zeitung zur Hand. Man konnte bemerken, daß sich unser Held in großer Aufregung befand. Er blickte nach der Uhr, sah, daß es erst ein Viertel auf vier war und er folglich noch geraume Zeit zu warten hatte, überlegte dabei, daß es unpassend sei, so dazusitzen, und ließ sich daher Schokolade geben, obgleich er im Augenblick keinen großen Appetit darauf hatte. Nachdem er die Schokolade ausgetrunken und bemerkt hatte, daß die Zeit ein wenig vorgerückt war, ging er zum Büfett, um zu bezahlen. Auf einmal schlug ihn jemand auf die Schulter.

      Er drehte sich um und sah zwei seiner Kollegen vor sich, dieselben beiden, denen er vorher in der Liteinaja-Straße begegnet war, ein paar im Lebensalter noch sehr junge und im Dienstrange noch sehr niedrig stehende Leutchen. Unser Held stand mit ihnen weder auf gutem noch auf schlechtem Fuße: sie waren weder seine Freunde, noch auch lebte er mit ihnen in offener Feindschaft. Selbstverständlich wurde von beiden Seiten der Anstand beobachtet; aber eine weitere Annäherung fand nicht statt und konnte auch nicht stattfinden. Das jetzige Zusammentreffen war Herrn Goljadkin äußerst unangenehm. Er runzelte ein wenig die Stirn und geriet für einen Augenblick in Verwirrung.

      „Jakow Petrowitsch, Jakow Petrowitsch!“ plapperten die beiden Registratoren. „Sie hier? durch welchen Zufall …“

      „Ah, Sie sind es, meine Herren!“ unterbrach Herr Goljadkin sie eilig; er war ein bißchen verlegen und ärgerte sich über das Erstaunen der beiden Beamten und zugleich über die Familiarität ihres Benehmens, kehrte aber unwillkürlich ein ungeniertes, forsches Wesen heraus. „Sie sind vom Dienst desertiert, meine Herren, he-he-he! …“ Hier versuchte er sogar, um sich von seiner Würde nichts zu vergeben und sich mit den jungen Kanzleibeamten nicht zu gemein zu machen, von denen er sich immer in gebührendem Abstande gehalten hatte, einem derselben auf die Schulter zu klopfen; aber diese populäre Handlung gelang Herrn Goljadkin in diesem Falle nicht, und statt einer Gebärde anständiger Familiarität kam etwas ganz anderes heraus.

      „Nun, wie ist’s? Sitzt unser Bär noch da?“

      „Wer soll das sein, Jakow Petrowitsch?“

      „Nun, der Bär! Als ob Sie nicht wüßten, wer ‚der Bär‘ genannt wird!“ Herr Goljadkin lachte auf und drehte sich zu dem Büfett hin, um das Geld in Empfang zu nehmen, das er herausbekam. „Ich rede von Andrei Filippowitsch, meine Herren,“ fuhr er fort, als er mit dem Kassierer fertig war, und wandte sich, diesmal mit sehr ernster Miene, wieder zu den Beamten. Die beiden Registratoren wechselten bedeutsame Blicke miteinander.

      „Der sitzt noch da und hat nach Ihnen gefragt, Jakow Petrowitsch,“ sagte der eine von ihnen.

      „Also er sitzt noch da! Nun, dann wollen wir ihn dasitzen lassen, meine Herren. Und er hat nach mir gefragt, wie?“

      „Ja, das hat er getan, Jakow Petrowitsch. Aber was ist denn mit Ihnen los? Sie sind ja parfümiert und pomadisiert, der reine Elegant?“

      „Ja, meine Herren, das ist nun einmal so! Hören Sie auf davon …“ erwiderte Herr Goljadkin, indem er zur Seite blickte und gezwungen lächelte. Als sie Herrn Goljadkin lächeln sahen, brachen die Beamten in ein lautes Gelächter aus. Herr Goljadkin machte ein etwas beleidigtes Gesicht.

      „Ich will Ihnen als Freund etwas mitteilen, meine Herren,“ sagte unser Held nach kurzem Stillschweigen, wie wenn er sich in Gottes Namen entschlossen hätte, den Beamten ein Geheimnis zu enthüllen. „Sie kennen mich alle, meine Herren; aber bisher haben Sie mich nur von einer Seite gekannt. Ein Vorwurf trifft dafür niemanden, und ich bekenne, daß ich zum Teil selbst schuld daran bin.“

      Herr Goljadkin preßte die Lippen zusammen und blickte die Beamten bedeutsam an. Diese blinkten einander wieder zu.

      „Bisher haben Sie mich nicht gekannt, meine Herren. Ihnen ausführliche Aufklärungen darüber zu geben, ist jetzt und hier nicht passend. Ich werde Ihnen nur etwas weniges sagen, nur so nebenbei und andeutungsweise. Es gibt Leute, meine Herren, die keine Schleichwege lieben und eine Maske nur auf dem Maskenballe tragen. Es gibt Leute, die die wahre Bestimmung des Menschen nicht in der Geschicklichkeit sehen, das Parkett mit den Stiefeln zu polieren. Es gibt auch Leute, meine Herren, die nicht sagen, daß sie glücklich sind und das Leben wahrhaft genießen, wenn ihnen z. B. die Beinkleider gut sitzen. Es gibt endlich Leute, die es nicht lieben, unnützerweise herumzuspringen und sich herumzudrehen, zu witzeln und zu schmeicheln, und besonders, meine Herren, ihre Nase dahinein zu stecken, wo es gar nicht verlangt wird … Nun habe ich Ihnen so ziemlich alles gesagt, meine Herren; gestatten Sie jetzt, daß ich mich entferne …“

      Herr Goljadkin hielt inne. Da die Herren Registratoren sich jetzt vollständig befriedigt fühlten, schlugen sie auf einmal beide in äußerst unhöflicher Manier ein lautes Gelächter auf. Herr Goljadkin wurde rot vor Ärger.

      „Lachen Sie nur, meine Herren; lachen Sie nur einstweilen! Wenn Sie länger leben, werden Sie schon sehen,“ sagte er im Gefühl beleidigter Würde, nahm seinen Hut und zog sich zur Tür zurück.

      „Aber ich möchte Ihnen noch eines sagen, meine Herren,“ fügte er, sich zum letzten Male zu den Herren Registratoren umwendend, hinzu, „ich möchte Ihnen noch eines sagen; Sie stehen mir hier beide Auge in Auge gegenüber. Mein Grundsatz, meine Herren, ist der: ‚Mißlingt’s, dann nicht verzagen; gelingt’s, dann weiter wagen,‘ und jedenfalls suche ich niemandes Stellung zu unterminieren. Ich bin kein Intrigant, und darauf bin ich stolz. Zum Diplomaten tauge ich nicht. Man sagt auch, meine Herren, der Vogel komme selbst auf den Jäger zugeflogen. Das ist richtig, und ich gebe es zu; aber wer ist hier der Jäger und wer der Vogel? Das ist noch die Frage, meine Herren!“

      Hier schwieg Herr Goljadkin in rednerisch effektvoller Weise, machte mit sehr bedeutsamer Miene, d. h. indem er die Augenbrauen in die Höhe zog und die Lippen ganz fest zusammenpreßte, den Herren Beamten eine Abschiedsverbeugung und ging dann hinaus, indem er die beiden im äußersten Erstaunen zurückließ.

      „Wohin befehlen Sie?“ fragte Petruschka ziemlich mürrisch, da er des Umherfahrens in der Kälte wahrscheinlich bereits überdrüssig geworden war. „Wohin befehlen Sie?“ fragte er Herrn Goljadkin noch einmal, als er dessen furchtbarem, alles vernichtendem Blicke begegnete, mit dem unser Held sich schon zweimal an diesem Morgen gesichert hatte, und zu dem er jetzt zum dritten Male seine Zuflucht nahm, während er die Treppe hinunterstieg.

      „Nach der Ismailowski-Brücke.“

      „Nach der Ismailowski-Brücke! Vorwärts!“

      „Das Diner


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