Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten. Johann Gottlieb Fichte

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Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten - Johann Gottlieb Fichte


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Zweck dieses Schriftchens ist, Fichte zu zeigen, wie er war, vorzüglich in den Beziehungen zu seiner Familie: bei der Offenheit seines Herzens verbindet sich dem reinsten Wohlwollen auch hier die bei ihm überall durchschlagende Ehrlichkeit und Entschiedenheit des Willens.

      Es ist die Art edler Charaktere, daß sie uns um so mehr anziehen, je näher wir ihnen treten. Schon in meiner Studienzeit in Leipzig hatte ich, veranlaßt durch eine mir übertragene Bearbeitung der Fichte'schen Philosophie in Herrn Professor Dr. Weiße's philosophischer Gesellschaft, Fichte's Geist in seiner Stärke und Größe bewundern müssen; je mehr ich ihn kennen lernte, desto mehr lernte ich ihn auch lieben. Ich hoffe, auch Andere werden diese Erfahrung an sich machen. Eine glückliche Fügung verstattet mir, gegenwärtigen kleinen Beitrag zur Verherrlichung seines Andenkens zu liefern und so ihm meinen Dank abzutragen für Das, was er mir geworden durch seine Lehre und sein Leben.

      Dresden, Michael 1862.

Julius Moritz Weinhold,Cand. theol., Lehrer bei dem königlichen Cadettencorps und an der Wieland'schen Töchterschule &c

      Der erste Brief ist aus Schulpforta geschrieben, ein halbes Jahr nach der am 4. Oct. 1774 erfolgten Aufnahme des damals kaum zwölf und ein halbes Jahr alten Knaben. Zu der Schilderung, die wir in seiner Lebensbeschreibung (I, 10–17) von seinem Aufenthalte auf dieser Fürstenschule erhalten, fügt dieser Brief ein Genrebildchen, welches uns bereits in dem jungen Schüler einerseits den ehrlichen, strengen Charakter andeutet, andererseits eine zartfühlende Gewandtheit zeigt, mit der er das Anerbieten seines Vaters von sich weist, ihm eine Sorte seiner Waaren zu liefern, die Gottlieb unter seinen Mitschülern vertreiben sollte. An dem Briefe ist auch eine für das sehr jugendliche Alter des Schreibers auffallend ausgeschriebene Hand zu bemerken.

      1

      Herzliebster Vater

      Euren Brief habe ich erst heute, als den 1 Aprill erhalten. Ich habe bisher mit Schmerzen gewartet, und fast vor Freuden wurde ich außer mir als ich hörte es sey ein Brief an mich da, denn ich glaubte gewiß daß etwas darinn seyn würde. In etlichen Tagen ist der Examen aus welcher 14 Tage währet, und wo wir verschiedene Sachen ausarbeiten müßen, die nach Dreßden geschickt werden. Wir bekommen auch übermorgen die Censuren, da wir entweder wegen unseres Fleißes gelobt oder wegen unserer Faulheit gescholten werden. Dieses wird nun alles nach Dreßden in die Regierung berichtet. Da ich nun gewiß weiß daß ich ein sehr gutes ja fast das beste Lob bekommen werde, so kostet mich doch auch dieses entsetzlich Geld. Denn es ist hier die fatale Gewohnheit daß wer eine gute Censur bekommt den 6. Obersten in seiner Claße und 5. Obersten am Tische jeden ein ganz Stück Kuchen kauffen muß welches 1 Gr. 3 Pf. kostet also zusammen 13 Gr. 9 Pf. Ob ich nun gleich dieses Examen 5 Gr. 6 Pf. verdient habe, so bleibt doch noch 8 Gr. 3 Pf. welche mir auch schon mein Ober-Geselle ein sehr hübscher Mensch, geborgt hat. Doch was ich übrigens verdiene langt kaum zu den vielen Waßer Krügen welche man hier kaufen muß, denn die Untersten müssen Wasser holen, und mausen sich einander die Krüge dazu ganz entsetzlich welches ich aber nicht thun kann, denn es ist und bleibt gestohlen. Doch bey allen diesen kümmerlichen Dingen danke ich doch noch Gott daß ich keine Schulden als die vorhinerzählten 8 Gr. 3 Pf. habe. Daß es Euch mein lieber Vater sehr schwer fallen werde, glaube ich wohl, doch sollte ich denn nicht noch so ein gutes Andenken bei meinen Freunden haben. Mein unschickliches Verhalten wegen des Briefes an Herrn Boden, glaube ich durch beygelegten Brief gut zu machen. An zwey Personen aber kann man auf einmal einen Brief nicht schreiben. Doch noch eins, was schreibt ihr mir denn von 6. Geschwistern, ich habe gerechnet und gerechnet, bringe ihrer aber nur 5. heraus. Ihr schreibt mir von Strumpfbändern, ich weiß aber wohl nicht, ob es gut gethan seyn würde, denn leider fragt man hier nicht so viel nach dergleichen Sachen als nach Geld, ich würde auch noch dazu entsetzlich ausgehöhnt werden, wollt ihr mir aber so gut seyn und mir ein paar schicken, so wird es mir sehr angenehm seyn, nicht allein weil ich sie sehr nothwendig brauche, sondern weil es mir auch ein sehr angenehmes Andenken an Euch verschaffen würde. Ich habe weil ich hier bin eine beständige Gesundheit gehabt. Grüßt meine liebe Mutter mein Geschwister und besonders Gottloben und sagt ihn er solle mir doch schreiben. Ich würde ihm auch schreiben, wenn es jetzo im Examen die Zeit litte. Lebet wohl.

      P. S. Warum denn aber zur Oster Meße ihr könnt mir eure Brieffe immer auf der Post unfrancirt schicken, denn das bezahl der Hr. Rector

      Pforte d. 1 Aprill 1775

Johann Gottlieb Fichte

      Wer der im Briefe erwähnte Herr Boden sei, dafür finde ich keinen Anhalt. Der erwähnte Obergesell war der spätere Generalsuperintendent in Riga Karl Gottlob Sonntag, dessen Aufsicht er übergeben wurde, weil er die Behandlung seines ersten Obergesellen nicht länger ertragen mochte (I, 12. 14. f.). Die Zahl der Geschwister, über deren Vermehrung Fichte sich wundert, betrug überhaupt sieben, wie mir mündlich mitgetheilt worden; es waren sechs Brüder und eine Schwester.

      2

Wolfishein d. 13. Mai. 1787.

      Bester Vater,

      Ich hoffe, daß Er meinen Brief vom Ende vorigen Monats, im Einschlage an Herr Burschen schon erhalten hat. Ich habe darinnen von meinen Befinden, und von meinen Umständen alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt habe ich einen Auftrag an Ihn, den ich so bald, als möglich zu besorgen bitte.

      Ich weiß, daß in Rammenau ein ganzer Busch von Lerchenbäumen ist. Im Gespräch sagte ich das einmal meinem Herrn Principal, und er wünschte dergleichen Saamen zu haben, und hat mir Auftrag gegeben, ihn welchen zu verschaffen. Ich bitte Ihn also hiermit, mir bei dem Jäger (wenn er nicht gerne wollen sollte, so muß er ihn in seinem, und auch in meinen Namen sehr bitten, und ihm sagen, daß mir eine große sehr große Gefälligkeit damit geschähe, und daß ich zu allen möglichen Gegendiensten bereit sey –) Ein Loth Lerchen Saamen zu verschaffen, gegen baare Bezahlung, die ich Ihn vor der Hand auszulegen bitte, die ich aber gleich nach Erhaltung des Saamens überschiken werde: sich aber zugleich bei eben dem Jäger genau und sorgfältig zu erkundigen, wenn? (ob im Frühlinge, oder Herbst) und wie? (ob dichte, oder dünne) der Lerchen Saamen gesäet wird, und besonders was vor Boden, ob leimigten, oder schwarzen schweren, oder sandigten erfordert: und mir so bald als möglich mit der Post den Saamen, nebst dieser Nachricht, genau und deutlich, zu überschiken, und zu melden, was er kostet.

      Hierdurch, bester Vater, geschieht mir eine sehr große Gefälligkeit. Suche Er also ja mir sowohl den Saamen, als die dazu gehörigen Nachrichten zu verschaffen. Sollte, wie ich befürchte, der Jäger den Saamen nicht weggeben wollen, oder dürfen; oder sollte Er es sich nicht getrauen, es bei ihm dahin zu bringen, so bitte Er doch den Herrn Pfarrer Wagner, nebst vielen Empfehlungen von mir, die Sache zu übernehmen, der ihn vielleicht eher erhalten wird. Nur bitte ich mir auf jeden Fall baldige Antwort aus. Uebrigens ist meine Lage noch ganz die vorige. Ich wünsche, beste Eltern, daß Sie recht wohl, und glüklich leben, grüße alles mein Geschwister herzlich, und bin mit der kindlichsten Achtung

IhrGehorsamer SohnFichte.

      Viel Empfehlungen an den Hr. Pfarrer, Frau Mutter, und Herrn Bruder. Ich bitte auf jeden Fall um baldige Antwort.

      Dieser zweite Brief mit der Aufschrift:

HerrnHerrn FichteinRammenau.,

      ist aus Wolfishein, wo Fichte Hauslehrer gewesen sein muß. Ein »Wolfshain« oder »Wolfshayn«, welches wohl hier gemeint ist, liegt 2¾ Stunden östlich von Leipzig; das dortige Rittergut kaufte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Buchdrucker Breitkopf. Außerdem giebt es ein »Wolffshain« in der Niederlausitz, 5 St. östlich von Spremberg. Ueber diese Zeit seines Lebens berichtet sein Sohn nur (I, 27): »Von seinen äußern wechselnden Verhältnissen um diese Zeit wissen wir nur Einzelnes und Abgerissenes.« Der in dem Briefe erwähnte Herr Bursche wohnte nach anderen Briefen in Pulsnitz und war Seifensieder; der Pfarrer Wagner war der um Fichte hoch verdiente Pastor zu Rammenau. Hier ist nämlich ein doppelter Irrthum der Biographie zu berichtigen. Dieselbe (I, 7 f.) nennt diesen Mann Diendorf. – Es gab aber in Rammenau nur einen Pfarrer M. Johann Gottfried Dinndorf – so habe ich selbst den Namen in dem Kirchenbuche gelesen – und dieser starb, nachdem er ziemlich 53 Jahre sein Amt verwaltet, am 19. März 1764, also kaum zwei Jahre nach Fichte's Geburt. Auf


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