Wilhelm Meisters Wanderjahre — Band 1. Johann Wolfgang von Goethe

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Wilhelm Meisters Wanderjahre — Band 1 - Johann Wolfgang von Goethe


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bemüht, erhitzte Brotschnitten mit Butter zu tränken und durchziehen zu lassen, köstlich fette Bissen den hungrig Lüsternen bereitete.

      Indes nun darauf die Knaben durch die kaum erhellten Fichtenstämme Versteckens spielten, wie Wölfe heulten, wie Hunde bellten, so daß auch wohl ein herzhafter Wanderer darüber hätte erschrecken mögen, besprachen sich die Freunde vertraulich über ihre Zustände. Nun aber gehörte zu den sonderbaren Verpflichtungen der Entsagenden auch die: daß sie, zusammentreffend, weder vom Vergangenen noch Künftigen sprechen durften, nur das Gegenwärtige sollte sie beschäftigen.

      Jarno, der von bergmännischen Unternehmungen und den dazu erforderlichen Kenntnissen und Tatfähigkeiten den Sinn voll hatte, trug Wilhelmen auf das genaueste und vollständigste mit Leidenschaft vor, was er sich alles in beiden Weltteilen von solchen Kunsteinsichten und Fertigkeiten verspreche; wovon sich jedoch der Freund, der immer nur im menschlichen Herzen den wahren Schatz gesucht, kaum einen Begriff machen konnte, vielmehr zuletzt lächelnd erwiderte: "So stehst du ja mit dir selbst im Widerspruch, indem du erst in deinen ältern Tagen dasjenige zu treiben anfängst, wozu man von Jugend auf sollte eingeleitet sein." "Keineswegs!" erwiderte jener; "denn eben daß ich in meiner Kindheit bei einem liebenden Oheim, einem hohen Bergbeamten, erzogen wurde, daß ich mit den Pochjungen groß geworden bin, auf dem Berggraben mit ihnen kleine Rindenschiffchen niederfahren ließ, das hat mich zurück in diesen Kreis geführt, wo ich mich nun wieder behaglich und verjüngt fühle. Schwerlich kann dieser Köhlerdampf dir zusagen wie mir, der ich ihn von Kindheit auf als Weihrauch einzuschlürfen gewohnt bin. Ich habe viel in der Welt versucht und immer dasselbe gefunden: in der Gewohnheit ruht das einzige Behagen des Menschen; selbst das Unangenehme, woran wir uns gewöhnten, vermissen wir ungern. Ich quälte mich einmal gar lange mit einer Wunde, die nicht heilen wollte, und als ich endlich genas, war es mir höchst unangenehm, als der Chirurg ausblieb, sie nicht mehr verband und das Frühstück nicht mehr mit mir einnahm."

      "Ich möchte aber doch", versetzte Wilhelm, "meinem Sohn einen freieren Blick über die Welt verschaffen, als ein beschränktes Handwerk zu geben vermag. Man umgrenze den Menschen, wie man wolle, so schaut er doch zuletzt in seiner Zeit umher; und wie kann er die begreifen, wenn er nicht einigermaßen weiß, was vorhergegangen ist. Und müßte er nicht mit Erstaunen in jeden Gewürzladen eintreten, wenn er keinen Begriff von den Ländern hätte, woher diese unentbehrlichen Seltsamkeiten bis zu ihm gekommen sind?"

      "Wozu die Umstände?" versetzte Jarno; "lese er die Zeitungen wie jeder Philister und trinke Kaffee wie jede alte Frau. Wenn du es aber doch nicht lassen kannst und auf eine vollkommene Bildung so versessen bist, so begreif' ich nicht, wie du so blind sein kannst, wie du noch lange suchen magst, wie du nicht siehst, daß du dich ganz in der Nähe einer vortrefflichen Erziehungsanstalt befindest." — "In der Nähe?" sagte Wilhelm und schüttelte den Kopf. "Freilich!" versetzte jener; "was siehst du hier?" — "Wo denn?" — "Grad hier vor der Nase." Jarno streckte seinen Zeigefinger aus und deutete und rief ungeduldig: "Was ist denn das?" — "Nun denn!" sagte Wilhelm, "ein Kohlenmeiler; aber was soll das hierzu?" — "Gut! endlich! ein Kohlenmeiler! Wie verfährt man, um ihn anzurichten?" — "Man stellt Scheite an — und übereinander." — "Wenn das getan ist, was geschieht ferner?" — "Wie mir scheint", sagte Wilhelm, "willst du auf sokratische Weise mir die Ehre antun, mir begreiflich zu machen, mich bekennen zu lassen, daß ich äußerst absurd und dickstirnig sei."

      "Keineswegs!" versetzte Jarno; "fahre fort, mein Freund, pünktlich zu antworten. Also! was geschieht nun, wenn der regelmäßige Holzstoß dicht und doch luftig geschichtet worden?" — "Nun, denn! man zündet ihn an." — "Und wenn er nun durchaus entzündet ist, wenn die Flamme durch jede Ritze durchschlägt, wie beträgt man sich? läßt man's fortbrennen?" — "Keineswegs! man deckt eilig mit Rasen und Erde, mit Kohlengestiebe und was man bei der Hand hat, die durch und durch dringende Flamme zu." — "Um sie auszulöschen?" — "Keineswegs! um sie zu dämpfen." — "Und also läßt man ihr so viel Luft als nötig, daß sich alles mit Glut durchziehe, damit alles recht gar werde. Alsdann verschließt man jede Ritze, verhindert jeden Ausbruch, damit ja alles nach und nach in sich selbst verlösche, verkohle, verkühle, zuletzt auseinandergezogen als verkäufliche Ware an Schmied und Schlosser, an Bäcker und Koch abgelassen und, wenn es zu Nutzen und Frommen der lieben Christenheit genugsam gedient, als Asche von Wäscherinnen und Seifensiedern verbraucht werde."

      "Nun", versetzte Wilhelm lachend, "in Bezug auf dieses Gleichnis, wie siehst du dich denn an?" — "Das ist nicht schwer zu sagen", erwiderte Jarno, "ich halte mich für einen alten Kohlenkorb tüchtig büchener Kohlen, dabei aber erlaub' ich mir die Eigenheit, mich nur um mein selbst willen zu verbrennen, deswegen ich denn den Leuten gar wunderlich vorkomme." — "Und mich?" sagte Wilhelm, "wie wirst du mich behandeln?" — "Jetzt besonders", sagte Jarno, "seh' ich dich an wie einen Wanderstab, der die wunderliche Eigenschaft hat, in jeder Ecke zu grünen, wo man ihn hinstellt, nirgends aber Wurzel zu fassen. Nun male dir das Gleichnis weiter aus und lerne begreifen, wenn weder Förster noch Gärtner, weder Köhler noch Tischer, noch irgendein Handwerker aus dir etwas zu machen weiß."

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