Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich

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Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich


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Vater hat mich gefragt, Mama, und er verlangt ja doch Wahrheit von mir.«

      »Das allerdings, mein Herz,« sagte der alte Herr ruhig, während sein Blick forschend an dem Antlitz der Tochter hing, »die verlangt er in der That – aber kannst Du mir einen Grund angeben?«

      »Und wäre es Liebe, Vater, wenn man einen Grund dafür nennen könnte?«

      »Hm,« sagte der alte Herr, dadurch selber in Verlegenheit gebracht, »Du scheinst Nutzen aus Deiner Lectüre gezogen zu haben, mein Töchterchen. Die Sache ist denn aber doch zu ernsthafter Natur, um ihr durch ein Wortspiel auszuweichen; so höre denn, was ich Dir darüber zu sagen habe. Über die Familie Bolten selber brauchte ich kein Wort zu verlieren; wir haben sie Alle gern und sind lange, lange Jahre damit befreundet – wie geachtet und geschätzt sie im ganzen Lande sind, weißt Du außerdem, und unser alter Name braucht sich wahrlich nicht zu schämen, neben dem ihrigen genannt zu werden. Hubert ist dabei ein junger, liebenswürdiger Mensch, talentvoll, gutmüthig, ein bischen aufbrausend zwar, aber das wird sich mit den Jahren geben, und außerdem der einzige Sohn. Daß er Dich gern hatte, habe ich – und ich muß gestehen, zu meiner Freude – schon seit längerer Zeit bemerkt; daß Du ihm nicht abgeneigt warst, konnte Jeder sehen, der Euch ein paar Mal zusammen beobachtet hat. Dazu kommt, mein liebes Kind, daß uns Beide, Deine Mutter und mich, diese Verbindung mit dem Bolten'schen Hause glücklich machen würde, und ich bin überzeugt, daß alles dies zusammen genommen, wenn Du es Dir überlegst, Deinen Entschluß bestimmen muß. Ich brauche Dir nur noch zu sagen, daß heute Morgen, als wir in der Stadt waren, der alte Graf bei mir förmlich um Dich für seinen Sohn angehalten hat, und ich hoffe, wir können ihm heut Abend eine gute Antwort mit hineinnehmen – wie, mein Schatz?«

      »Mein lieber Vater, ich – ich bin noch so jung!«

      »Darin hast Du Recht, und das habe ich meinem Freunde Bolten selbst entgegnet; er sieht das auch vollkommen ein, und Du sollst nicht gedrängt werden. Wir haben deshalb Beide ausgemacht, daß die Trauung nicht früher als an Deinem achtzehnten Geburtstage stattfindet; um uns aber das Glück unserer Kinder zu sichern, wollen wir die Verlobung am nächsten Freitag hier bei uns feiern, wozu uns Deine gütige Mama einen kleinen Ball arrangiren wird – bist Du damit einverstanden?«

      »Dränge sie nicht zu sehr, George,« sagte jetzt die Mutter freundlicher, als sie bis dahin gesprochen. »Ihr Männer seid Euch darin doch alle gleich, das folgt Schlag auf Schlag, und da soll das arme Kind auf jede Frage auch augenblicklich antworten! Versteht sich, wird sie wollen, aber Du siehst doch, daß sie jetzt bald roth, bald blaß wird – laß ihr doch nur Zeit, erst Athem zu holen!«

      »Meine liebe, liebe Mutter!« rief Paula und warf sich, von ihren Gefühlen überwältigt, an der Mutter Brust.

      »Aber, ma fille!« sagte sie, sich rasch und erschreckt losmachend – »komm, mein Herz, komm, wozu diese Aufregung – Du weißt, Kind, wie das immer meine Nerven angreift, und mein Kopf schmerzt mich überhaupt heute.«

      »Aber ich liebe ihn nicht, Mama!« bat Paula in Todesangst. »Der junge Graf ist ein braver, lieber Mensch, aber – aber…«

      »Aber, mein Kind?« fragte die Mutter streng.

      »Er – er paßt nicht für mich – er – hat für nichts Sinn, als für seine Pferde und Gewehre – er haßt Musik und Bücher – er…«

      »Lauter Verbrechen, nicht wahr?« lächelte die Mutter spöttisch – »und kann er deshalb nicht ein guter Ehemann werden?«

      »Und soll das Herz denn gar keine Stimme haben, Mama?« flüsterte das arme, gequälte Mädchen – »soll denn nur immer todter Rang und Reichthum Verbindungen schließen und Menschen auf ewig an einander ketten, die sich ohne diese nie gefunden oder nur gesucht hätten?«

      »Todter Rang und Reichthum, meine Tochter?« sagte der Vater ernst – »ich glaube, Du solltest uns dankbar dafür sein, daß wir Dir die Dir gebührenden Vorrechte auch erhalten und verwahren, Du wirst doch nicht glauben, daß ich Dich je unter Deinem Stande verheirathen würde?«

      »Willst Du mich nicht glücklich sehen, Papa?« fragte Paula herzlich.

      »Gewiß, mein Kind, das ist mein heißester Wunsch,« erwiderte der Vater, »aber eben deshalb muß ich jetzt über Dich wachen, daß Dich Dein leicht erregtes Herz nicht zu einem Schritt hinführt, den Du später schwer bereuen und dann sicher unglücklich dadurch werden würdest. Aber wie ich Dir schulde, für Dein Glück zu sorgen, so schuldest Du auch uns, die Ehre unseres Hauses aufrecht zu erhalten, und wer Dir dabei am besten rathen kann, sind denn doch wohl Deine Eltern selber.«

      »Und wenn ich vorher wüßte, daß ich unglücklich werden würde?«

      »Paula,« sagte der Vater ernst, »ich bitte Dich, nur jetzt, wo es sich um Deine ganze Zukunft handelt, Deine überspannten Romane und phantastischen Ideen aus dem Spiel zu lassen! Du hast uns schon neulich einmal so eine Andeutung gemacht, daß Du Dich an der Seite des ärmsten Mannes glücklich fühlen könntest, wenn »Eure Seelen«, wie Du Dich beliebtest auszudrücken, mit einander harmonirten. Es ist der alte Unsinn mit »eine Hütte und ihr Herz«, der so lange stichhaltig bleibt, bis das Herz eben in die Hütte hineinziehen soll und die Räumlichkeit dann überall zu beengt findet. Glaube mir, mein Kind, solche Ideen sehen sehr hübsch auf dem Papier aus und lassen sich vortrefflich bei einer warmen, mondhellen Nacht durchschwärmen, aber sie gleichen jenen wunderbar schillernden Quallen, die an der Oberfläche der See herumschwimmen und von Weitem einen prachtvollen Anblick gewähren, nimmt man sie aber in die Hand, so bleibt nichts übrig, als eine graue, schlammige Blase, die man mit Ekel wieder von sich wirft. »Gleich und Gleich gesellt sich gern!« ist ein altes, gutes und wahres Sprüchwort, und wir finden das in der Natur bestätigt, wohin wir blicken. Ein Adler könnte sich da eben so wenig daran gewöhnen, einen Bund für das Leben mit einem Truthahn zu schließen und von Körnern und Kartoffelschalen zu leben, weil ihre Seelen vielleicht sympathisiren – es geht eben nicht, und die Grafentochter würde sich elend und unglücklich fühlen, wenn sie aus der gewohnten Sphäre niedersteigen und in einer Hütte leben sollte. Das sind eben jugendliche Träume, die ich auch nicht zu hoch anschlage und deshalb gern verzeihe. Nun sei aber vernünftig, mein Töchterchen, Du bist alt genug dazu. Wir haben eine Wahl für Dich getroffen, die Dein Herz nur mit Freude und Dankbarkeit gegen uns erfüllen kann, also füge Dich dem; denn Du weißt auch, daß Deine Eltern nie ihre Einwilligung zu einer Verbindung unter Deinem Range geben würden, solltest Du wirklich je thöricht genug sein, selber an etwas Derartiges ernsthaft zu denken.«

      »Mein Vater…«

      »Laß nur sein, mein Kind – ich wußte ja, daß mein gutes Töchterchen nicht den Lieblingsplan ihrer Eltern kreuzen würde; also werde ich das Weitere schon selber mit Boltens in Ordnung bringen. Du darfst Dir indessen immer Deinen Ballstaat zurecht machen,« setzte er lächelnd hinzu, indem er ihr leise das Kinn emporhob und einen Kuß auf ihre Stirn drückte, »und daß wir nachher ein recht munteres, fröhliches Bräutchen haben, davon bin ich überzeugt…«

      Ein Diener öffnete in diesem Augenblick die Thür und meldete, in steifer Haltung an der Schwelle stellen bleibend: »Baronesse von Halldorf läßt fragen, ob es der gnädigen Herrschaft genehm wäre…«

      »Wird uns sehr angenehm sein,« sagte die Gräfin, die froh war, einen Vorwand gefunden zu haben, das Gespräch abzubrechen – »aber, Schatz, Du hast ganz rothe Augen bekommen – geh auf Dein Zimmer und bade sie ein wenig mit Rosenwasser, wir erwarten Dich dann unten.«

      Der Besuch mußte empfangen werden, und die arme Paula, das Herz zum Brechen schwer, zog sich auf ihr Zimmer zurück, schob den Riegel hinter sich vor und sank auf das Sopha.

      »Kein Mitleid mit den Gefühlen ihres eigenen Kindes,« flüsterte sie dabei – »keine Frage selber danach, ob dieses Herz schon gewählt, schon entschieden haben könnte – nichts, nichts als der leere, hohle Schein, als Stand und Rang und Reichthum – oh, ich bin recht, recht unglücklich!« und still weinend barg sie ihr Antlitz in den Händen.

      5.

      Paradies und Hölle

      In der Schloßgasse zu Haßburg – denn die alte Stadt, welche in längstvergangenen Zeiten einmal der Sitz eines


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