Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band - Gerstäcker Friedrich


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und Gefahren von Kindheit an preisgegeben sind, besonders eigen ist.

      Jack Owen war mit einem Wort ein prächtiges Urbild jener kräftigen, stählernen Menschenrace, die den westlichen Urwald der Union erst als Jäger durchziehn, und dann mit ihren keck bis weit über die Grenzen der Civilisation vorgeschobenen »improvements« besiedeln, dem Indianer und Bären ihre Heimath abtrotzen, und nur mit Büchse und Axt bewehrt, im Schatten der dichten Wildniß eine Heimath schaffen. Diese Race bildet den Übergang von der Rothhaut zum weißen Mann, und wie der Wolfshund, der halb dem Wolfgeschlecht noch angehörig ist, keinen ärgeren Feind kennt als gerade den Wolf, so haßt der Pionier nichts ärger auf der Welt als den, in dessen Fußstapfen er doch hier getreten, den rothen Sohn der Wälder.

      Als diese Männer, die mit dem freien, natürlichen Leben um sich her, auch eben solche Sitten angenommen haben, und sich, von Anderen dasselbe verlangend und glaubend, ebenso geben wie sie sind, das Zimmer betreten hatten, gingen sie auf die fremde Dame zu, boten ihr zum Willkommen freundlich die Hand, und dann ihre Sitze am Feuer einnehmend, an dem sie ihre Moccasins auszogen, und zum Trocknen aufhingen, war ihre erste Sorge den Frauen Bericht über die entlaufenen oder ausgebliebenen Kühe, die wie es schien wieder eingefangen waren, abzustatten. Das Gespräch drehte sich jetzt ausschließlich um Kühe, Rinder und Schweine, bis zum Abendbrod, welches die beiden Töchter der alten Mrs. Rosemore indeß bereitet hatten, und alle Theile der range, oder des Weidegrundes, wo sich noch ein oder das andere Stück verhalten, wurden durchgenommen. Die Frauen selber interessirten sich dabei so viel dafür wie die Männer, und Fräulein von Seebald, die dabei als stille Zuhörerin mit am Kamin saß, war wirklich erstaunt so viel Ortskenntniß bei ihnen zu finden, mit der sie die nach Meilen entfernten Stellen im Wald bezeichneten, und ihre Richtung dabei nicht etwa bei bestimmten Wegen, sondern nach den Himmelsgegenden und kleineren sie durchströmenden Wassercoursen bezeichneten.

      Mit dem Abendbrod, bei dem sich Alle um die im Zimmer zusammengerückten Tische sammelten, nahm aber auch das Gespräch eine andere Wendung; Jack Owen wurde der Fremden als der nächste Nachbar ihrer Schwester und jenes »Mr. Olnitzki« bezeichnet, und dann selber aufgefordert einen Rath zu geben, wie die junge Deutsche am Besten und Leichtesten mit ihrem Gepäck hinüber kommen könne.

      Jack Owen schien übrigens die letzte Frage ganz zu überhören, denn wie er erfuhr daß die Fremde eine Schwester der »Missis Olnitzki« und über das Weltmeer nur einzig und allein herübergekommen sei sie zu besuchen, sah er sie mit den klaren treuherzigen Augen eine ganze Weile ernst und sinnend an, und fing dann auf einmal wieder, ohne ein Wort darauf zu äußern, von vorn an zuzulangen, als ob er bis dahin ganz vergessen habe zu essen.

      »Und können Sie mir nicht etwas Näheres über die Schwester sagen?« bat Amalie, »ich habe schon so oft und oft gefragt, und wie verschollen schien sie dort im Wald zu wohnen; Niemand konnte mir Rede stehn, Niemand erinnerte sich in der That sie je gesehn zu haben.«

      »Lieber Gott,« sagte der Jäger, ohne sein Essen auch nur auf einen Augenblick zu unterbrechen, »unsere Frauen kommen Alle wenig fort; manchmal zu einer Betversammlung oder irgend einem Nachbarfest beim Klötzerollen oder Decken-Steppen, und da die Nachbarn so dünn gesäet sind bei uns, fällt selbst das nicht häufig vor.«

      »Aber Sie kennen sie doch?«

      »Ich? – oh gewiß – wohne keine halbe Meile davon.«

      »Und es geht ihr gut? – «

      »Das kalte Fieber hat sie neulich einmal ein klein wenig abgeschüttelt, hatte aber nicht viel zu sagen, und ist bald vorüber gegangen.«

      »Und ihr Kind? hat sich das arme kleine Mädchen erholt?«

      »Das Mädchen?« – wiederholte der Mann, zum ersten Mal zu ihr aufschauend – »der Knabe, meinen Sie.«

      »Hat Sidonie einen Knaben?« rief Amalie überrascht.

      »Hm,« meinte der Jäger, sich ein neues Stück Wildpret auf den Teller nehmend, »seit wann haben Sie denn eigentlich keine Nachricht von ihr gehabt?« —

      »Seit über zwei Jahren.«

      »Lieber Gott,« sagte die alte Mrs. Rosemore.

      »Dann freilich,« brummte der Jäger halb laut vor sich hin – »seit der Zeit ist das Mädchen gestorben und vor einigen Monaten ein Knabe geboren worden, und das Kind allerdings ist jetzt schwer krank.«

      »Das Mädchen todt – du großer Gott – die arme, arme Sidonie.«

      »Das Herz wird ihr wohl zu voll und schwer gewesen sein in der Zeit Briefe zu schreiben,« sagte die Matrone bedauernd, »ja aussprechen und ausweinen mag man sich dann wohl gern, aber zum Schreiben zwingt man die Hand da nicht.«

      »Aber wie bekommt die Fremde die vielen Sachen hinüber Mr. Owens?« fiel Sarah hier ein, Amalie zu zerstreuen, daß sie sich nicht dem traurigen Gedanken zu sehr hingebe – »es wird schwer sein das Alles zu Pferde zu transportiren.«

      »Ist's denn so viel?« frug Jack Owen.

      »Ei die beiden Kisten hier, dann jene Koffer dort, und diese Schachteln und Reisesäcke.«

      »Hm, das allerdings – packt sich auch verd – ungemein schlecht auf ein Pferd; aber das ist das wenigste – sind es Sachen für Mrs. Olnitzki bestimmt?«

      »Zum großen Theil; wie auch mein eigenes Gepäck.«

      »Sehr gut, dann schaffen wir auch Rath,« sagte der Jäger gutmüthig – »solltet Ihr nicht mit Euerem kleinen Wagen über die greenbriar ridge hinüberkommen können, Rosemore? nachher geht's glatt und leicht durch den offenen Wald, dicht an der Bayo hin.«

      »Über die greenbriar ridge mit dem Wagen, Mann,« sagte aber der Alte, dabei mit dem Kopfe schüttelnd, »wo denkt Ihr hin; da müßten wir erst eine ordentliche Straße durch brushy hollow aushauen, und blieben nachher noch immer im Sumpf an der andern Seite stecken. Nein nicht in acht Tagen brächten wir das fertig, aber mit den Thieren an der overcup flat hin geht es ganz gut; die Kisten und Koffer sind eben nicht übermäßig schwer, und lassen sich recht gut auf einen Packsattel laden. Freilich muß man nachher tüchtig im Wald herumlaviren mit den Thieren, freie Bahn durch die Bäume durchzufinden, aber es geht doch, und ich getraue mich sie in fünf bis sechs Stunden hinüber zu führen.«

      »Aber Euer Falbe wird das nicht tragen wollen.«

      »Bah, ich habe gerade Widdersons beide Maulthiere in meiner Fenz, die er von Santa Fé mitgebracht hat und nach Batesville hinaufnehmen will, die mögen ihr Futter abverdienen.«

      »Das wäre vortrefflich!« rief Jack Owen, »wann wird aber die Dame nach Olnitzkis zu aufbrechen wollen?«

      »Oh so bald nur irgend möglich« – rief Fräulein von Seebald – »ich ginge die Nacht hindurch, die Schwester nur eine Stunde früher zu sehen, zu begrüßen.«

      »Das möchte uns durch den Wald doch wohl schwer werden,« lachte der Jäger gutmüthig, »aber morgen mit Tagesgrauen steh' ich zu Diensten, und bin gern bereit Sie hinüberzuführen; ich gehe doch zu Haus.«

      »Aber nicht vor dem Frühstück,« fiel ihnen hier Mrs. Rosemore in die Rede, »mit leerem Magen verläßt Niemand mein Haus, wenn ich's verhindern kann, und die Mädchen werden schon früh auf sein, daß es nicht zu lange dauert.«

      Amalie von Seebald fügte sich gern dem freundlichen Wunsch, noch dazu da sie ihren Führer nicht auch vor dem Frühstück fortziehen mochte, und die Männer besahen sich jetzt das Gepäck, und trafen ihre Eintheilung mit den Packen, die auf die beiden Maulthiere vertheilt werden sollten, wonach dann Jack Owen selber noch einmal mit seinem Pferd zurückkommen, und den Rest nachholen wollte. Die Maulthiere sollte Bill Jones selber mit seinem Knecht hinüber bringen, Jack Owen aber wollte rascher mit der Lady voraus nach Olnitzkis improvement gehn.

      Der Morgen kam, und mit klopfendem Herzen hatte Amalie ihre Vorbereitungen zu dem Marsch getroffen, als Jack Owen, nach beendigtem Frühstück, einen Damensattel auf sein Pferd geschnallt, vor der Thür erschien, und die Lady einlud sein Thier zu besteigen, während er selber zu Fuß voran ging. Die junge Dame gestand jetzt freilich mit Erröthen, daß sie noch nie auf einem Pferd gesessen, der Einwand wurde aber


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