Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band - Gerstäcker Friedrich


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gleich« sagte Frau von Kaulitz, als die junge Frau sie unter Thränen lächelnd noch einmal geküßt hatte und dann mit sich fortziehen wollte – »apropos William, spielen Sie Whist?«

      »Nein liebe Mutter« – sagte der junge Mann, verlegen lächelnd über die etwas abgebrochene Frage.

      »Kein Whist?« – rief Frau von Kaulitz, fast erschreckt stehen bleibend – »wo bekommen wir denn heute Abend den dritten Mann her? – Pauline spielt.«

      »Mein Compagnon spielt vortrefflich und wird heute Abend bei uns sein« sagte ihr Schwiegersohn, jetzt wirklich verlegen.

      »Ah, das ist schön!« rief Frau von Kaulitz, sichtlich beruhigt, »und nun kommt Kinder – adieu, adieu!« sagte sie dabei freundlich ihren bisherigen Mitpassagieren, von denen sie sich in diesem Augenblick wahrscheinlich auf immer trennte, zunickend – »adieu,« und von dem Capitain geführt, der sie, jetzt schon wieder in seinen entsetzlichen Schwalbenschwanzfrack mit den engen Ärmeln hineingezwängt, sehr artig bis an die Fallreepstreppe begleitete, verließ sie das Quarterdeck.

      Der junge Mann folgte ihr, seine Frau am Arm, die Cajütspassagiere an denen er vorüberging, freundlich grüßend, als sein Blick auf den, gerade an Deck kommenden Henkel fiel. Fast unwillkürlich blieb er einen Moment stehn und sah ihn starr an, wie es oft geschieht daß uns ein Gesicht plötzlich auffällt, dem wir nicht gleich Namen und Stelle zu geben wissen in unserem Gedächtniß. Auch Henkel begegnete, wie es schien ebenso überrascht dem Blick; beide Männer verbeugten sich dann leicht gegeneinander und der Engländer verließ, seine Frau am Arm das Schiff.

      Das Boot stieß ab von Bord, und die beiden Seeleute die es führten legten sich kräftig in ihre Ruder, waren aber noch keine vier Längen in den Strom hinausgehalten, als Frau von Kaulitz ein ängstliches »Halt« rief.

      »Ach bitte William, ich habe meinen Regenschirm an Bord vergessen!«

      Der junge Mann, der am Steuer saß, lenkte den Bug des Bootes rasch wieder herum dem kaum verlassenen Schiffe zu, an dessen Railing der Steuermann schon stand und mit einem vergnügten Gesicht – er war an derlei gewohnt – hinunter rief:

      »Etwas vergessen, Madame?«

      »Meinen Regenschirm – er steht unten in der Coye – schwarze Seide mit Elfenbeingriff« —

      »Nun natürlich« lachte der Seemann leise vor sich hin, und rief dann laut – »Steward, den Regenschirm von Frau von Kaulitz« —

      »Und mein rothsaffian Brillenfutteral muß auch noch unten liegen!« rief die Dame hinauf.

      »Steward – rothsaffianen Brillenfutteral« repetirte der Steuermann – »sonst noch etwas, Madame?«

      »Nein – nicht daß ich jetzt wüßte.« —

      Die Sachen wurden durch einen Matrosen, der die Fallreepstreppe niederlief, hinunter gereicht, und das Boot stieß zum zweitenmale ab.

      »Liebe Mutter, jener Herr Soldegg, den ich auf dem Quarterdeck fand, ist doch nicht mit Ihnen von Deutschland, sondern wahrscheinlich erst hier an Bord gekommen?« frug der junge Mann die alte Dame, als sie wieder eine kleine Strecke vom Schiff ab waren.

      »Soldegg? – ich weiß nicht« sagte Frau von Kaulitz, »ich kenne die Zwischendeckspassagiere nicht, und habe den Namen nie gehört.«

      »Er sah nicht aus wie ein Zwischendeckspassagier, und stand auch auf dem Quarterdeck bei den Damen« sagte Bloomfield.

      »Soldegg – Soldegg? – kenne ich nicht – vom Land ist aber auch Niemand herüber gekommen, den Steuerbeamten ausgenommen.«

      »Dort drüben steht er, etwas rechts vom Besahnmast – den meine ich, der jetzt gerade den Hut aufsetzt.«

      Die alte Dame, die ihre Brille noch aufbehalten hatte, drehte den Kopf dorthin und sagte dann:

      »Das ist ein Herr Namens Henkel, der sich eine junge hübsche Frau von Deutschland geholt hat, aber nicht mit ihr durchgebrannt ist, wie gewisse Leute.«

      »Liebe – liebe Mutter« bat Pauline, tief erröthend, und die Hand nach ihr ausstreckend —

      »Schon gut, schon gut« lächelte die alte Dame, die Hand ergreifend und streichelnd —

      »Henkel?« sagte Bloomfield, dem die eben gesehene Persönlichkeit selbst in diesem Augenblick nicht aus dem Sinne wollte – indem er still vor sich hin mit dem Kopf schüttelte.

      »Haben Sie die auffallend schöne junge Frau nicht bemerkt, die mit auf dem Quarterdeck stand?« frug Frau von Kaulitz.

      »Dieselbe die so außerordentlich bleich aussah?«

      »Dieselbe – das ist seine Frau – aber nehmen Sie sich um Gottes Willen in Acht. Sie fahren uns ja mitten auf das Schiff hinauf!«

      Bloomfield lenkte den Bug des Bootes noch zur rechten Zeit zur Seite, der Rudernde warf seinen Riemen rasch aus der Dolle, und das schlanke Boot schoß, den Augen der ihm nachschauenden Passagiere der Haidschnucke entzogen, zwischen die dort ankernden Schiffe hinein an Land, wo schon ein leichter eleganter Wagen sie erwartend hielt.

      Des Capitains Jölle war indessen ebenfalls auf das Wasser niedergelassen und bemannt worden, und der Capitain noch einmal in seine Cajüte gegangen seine Schiffspapiere, die in einer langen, festschließenden Blechbüchse staken, mitzunehmen, wie Geld und abzugebende Briefe zu sich zu stecken.

      Schon vorher war ein Mauthbeamter an Bord gekommen, der aber die Koffer der Passagiere, nach flüchtiger Öffnung, passiren ließ. Einwanderern wird darin viel nachgesehn, und wo nicht durch zu große Massen oder zu geschäftsmäßige Verpackung gegründeter Verdacht vorliegt daß sich Sachen zum Verkauf darin vorfinden, läßt man sie keineswegs selten uneröffnet, oder wenigstens nach ganz oberflächlichem Darüberhingesehn, passiren.

      Clara ging, als Frau von Kaulitz das Schiff verlassen hatte, in ihre Cajüte hinab, wohin ihr, wie des Capitains Boot auf das Wasser niedergelassen wurde, Henkel folgte.

      »Clara« sagte da ihr Gatte mit leiser unterdrückter Stimme, als er den kleinen Raum betrat – »ich gehe heut Abend an Land und kehre vielleicht erst spät, vielleicht erst morgen Früh zurück. Du wirst wohl thun Alles indeß zu ordnen daß wir das Schiff dann gleich verlassen können – ich werde indeß Quartier für uns besorgen.«

      Clara hatte ihn ruhig angehört, aber ihr Körper zitterte während er sprach und sie brauchte Minuten sich soweit zu sammeln daß sie ihm nur erwidern konnte, dann aber sagte sie mit leiser, doch von innerer Heftigkeit fast erstickter bebender Stimme, indem sie ihm fest und entschlossen in das scheu abweichende Auge sah.

      »Für uns? für uns? – unsere Bahnen trennen sich hier – mein Herr – ich kenne Sie nicht mehr und wagen Sie es mich zu zwingen.«

      »Du bist eine Thörin, Clara« – sagte Henkel ungeduldig – »was helfen Dir die unnützen Reden – wer soll Dir hier Beschuldigungen, die Du etwa vorbringen könntest, glauben. Sei vernünftig« setzte er dann ruhig hinzu – »laß den wahnsinnigen Verdacht, den Du nun einmal kindischer Weise gegen mich gefaßt zu haben scheinst, fahren, und füge Dich in das Unvermeidliche. Du kennst die Amerikanischen Gesetze nicht.«

      »Und Du wagst es mir mit dem Gesetz zu drohen?« rief aber jetzt Clara, in furchtbarer Aufregung selbst den Ort vergessend an dem sie sich befanden, und wie leicht sie von Anderen in dem belauscht oder gehört werden konnten was sie sprachen – »Du zitterst nicht, nur vor dem Namen des Richters, dem Dein Kopf verfallen wäre, wenn Gerechtigkeit nicht eine Lüge hieß.«

      »Du bist wahnsinnig!« zischte der Mann, in scheuer Furcht daß die Worte draußen zu dem Ohr eines Dritten gedrungen wären, durch die zusammengebissenen Zähne – »ich will Dir Zeit geben Dich zu sammeln;« und die Thüre öffnend, die er wieder hinter sich ins Schloß drückte, verließ er rasch die Cajüte. Clara aber blieb wie sie der Gatte verlassen, die Augen in grimmem Zorn fest auf die Thüre geheftet durch die er verschwunden, stehn und wollte sich dann umdrehen ihren Sitz wieder einzunehmen. Die Aufregung jedoch und Alles was das arme Herz in den letzten Tagen bedrängt und jetzt in furchtbarer Gewalt wieder über sie hereinbrach, war zu viel für sie gewesen, sie fühlte wie ihr die Sinne schwanden


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