Unter Palmen und Buchen. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Unter Palmen und Buchen. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich


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ihn, und zwar nicht etwa durch eine Aehnlichkeit ihres Charakters, sondern eher durch einen Gegensatz, durch welchen sich die beiden Gatten vollständig ergänzten, denn man darf ja nicht glauben, daß zu einer glücklichen Ehe stets gleiche Neigungen und Ansichten, gleiche Tugenden und Fehler gehören. Auguste war denn auch, während ihr Mann ganz entschieden dem praktischen und realen Leben angehörte, weit mehr schwärmerischer Natur, ohne jedoch im Geringsten überspannt zu sein. Unermüdlich thätig in ihrem Hausstand, beschäftigte sie sich aber auch gern mit Lectüre, und vorzüglich mit solcher, die einer ideellen Richtung angehörte. Sie phantasirte vortrefflich auf dem Piano, und liebte es sogar, selbst noch nach ihrer Verheirathung – was ihr Gatte entschieden mißbilligte – bei mondhellen Nächten im Garten zu sitzen.

      Lebhaft und heiter dabei, mit einem warmen Gefühl für alles Schöne, wob sie bald mit diesen Tugenden und Vorzügen einen ganz eigenen Zauber um ihre Häuslichkeit, dem sich ihr Gatte nicht entziehen konnte und wollte, so daß er bald von anderen Frauen, ihren Männern gegenüber, als das Muster eines vortrefflichen Ehemannes aufgestellt wurde.

      So hatten die jungen Leute – denn der Justizrath zählte kaum ein und dreißig und seine Frau erst zwanzig Jahr – etwa zwei Jahre in glücklicher, durch nichts gestörte Ehe gelebt, als eine schwere Krankheit – ein damals in Alburg umgehendes Nervenfieber – die junge Frau erfaßte und lange Wochen auf das Lager warf.

      Ihr Mann wich in dieser Zeit fast nicht von ihrer Seite und nur die wichtigsten Geschäfte konnten ihn abrufen – ja oft versäumte er selbst diese und ganze Nächte hindurch wachte er neben ihrem Bett. Allerdings paßte ihm das nicht zu seinem sonst gewohnten, bequemen Leben, aber die Angst, sein Weib durch irgend eine Vernachlässigung zu verlieren, oder auch nur ihren Zustand gefährlicher zu machen, ließ ihn das Alles nicht achten, und so ward ihm denn auch endlich die wohlverdiente Freude zu Theil, die schlimmste Krisis überstanden und die geliebte Frau nach und nach genesen zu sehen. Aber es dauerte lange – sehr lange, bis sie sich wieder vollständig von dem überstandenen Leiden erholen konnte.

      Der Körper gewann dabei noch verhältnißmäßig am Schnellsten die frühere Frische wieder, wenn auch die Wangen bleicher, die Augen glänzender schienen, als sie sonst gewesen. Sie hatte aber in ihrer Krankheit besonders viel phantasirt und dabei oft ganz laut und deutlich die tollsten, wunderlichsten Dinge gesprochen. Darum bedurfte es weit längerer Zeit, ehe der Geist wieder Herr über diese Träume wurde, die sich mit der Erinnerung früherer wirklich erlebter Scenen so vermischten, daß sie oft anhaltend nachdenken mußte, um das Wahre von dem Falschen und Eingebildeten oder nur Geträumten zu sondern und auszuscheiden.

      Auch das gab sich nach und nach oder stumpfte sich doch wenigstens ab. Die Erinnerungen an diese Träume wurden unbestimmter, wenn auch einzelne von ihnen noch manchmal wiederkehrten und sie oft, mitten in der Nacht, plötzlich und ängstlich auffahren machten, ja sogar wieder bestimmte Bilder und Eindrücke annahmen.

      Bertling behagte das nicht recht, denn er wurde dadurch ein paar Mal sehr nutzloser Weise alarmirt. Einmal – und noch dazu in einer sehr kalten Nacht – behauptete seine Frau nämlich bei ihrem plötzlichen Erwachen, es wäre Jemand im Zimmer und unter das Sopha gekrochen – sie habe es deutlich gehört, ja sogar den Schatten durch das Zimmer gleiten sehen. Bertling protestirte gegen die Möglichkeit, aber es half ihm nichts; um seine Frau nur endlich zu beruhigen, mußte er aufstehen und die Sache untersuchen, was er denn gründlich mit Hülfe einer Elle that. Natürlich fand er nicht das geringste Verdächtige, vielweniger einen dort versteckten Menschen, und Beide lachten nachher über dies kleine Abenteuer, – aber der Justizrath trug doch einen Schnupfen davon, der ihn sogar auf ein paar Tage zwang das Bett zu hüten.

      Das andere Mal wollte Auguste im Nebenzimmer ein verdächtiges Flüstern gehört haben und wenn sich auch dieses nach sorgfältiger nächtlicher Untersuchung, die der Justizrath im Schlafrock, in der Linken das Licht, in der Rechten den Feuerhaken, vornahm, als unbegründet herausstellte, so wurde der Mann doch durch diesen verschiedentlich erweckten Verdacht endlich selber so mißtrauisch gemacht, daß er sich für weitere derartige Fälle stillschweigend rüstete. Er holte nämlich ein Paar alte, schon lange zur Rumpelkammer verurtheilte Sattelpistolen hervor, reinigte und lud sie und gab ihnen einen Platz in der obersten Schieblade seiner Kommode, um sie bei einer etwa wieder vorzunehmenden Patrouille wenigstens bei der Hand zu haben.

      Wochen vergingen indeß, ohne daß sich eine derartige Scene wiederholt hätte, und Bertling beruhigte sich endlich vollständig mit dem Gedanken, daß jene Ideen nur die Nachwehen der überstandenen Krankheit gewesen seien; der jetzt kräftig gewordene Körper nun aber alle derartigen Phantasiebilder ausgestoßen, und für die Zukunft unmöglich gemacht habe.

      Auguste war in der That wieder so frisch und lebenslustig als je geworden, wenn ihre Gesichtsfarbe auch etwas »intressanter« als früher geblieben sein mochte. Sie sah bleicher aus, als sie sonst gethan, aber keineswegs kränklich oder leidend und besuchte auch wieder gern und oft Gesellschaften und Bälle, wobei es manchmal einige Schwierigkeiten hatte, den etwas phlegmatischen Gatten für solche Vergnügungen mitzubegeistern.

      Auch gestern Abend war in der »Erholung« ein brillanter Ball gewesen, auf dem Auguste bis vier Uhr morgens getanzt, während ihr Gatte, als treuer Gefährte, bis etwa um zwei Uhr Whist gespielt, und noch ein paar Stunden in einer bequemen Sophaecke verträumt hatte. Heute sollte dafür recht früh zu Bett gegangen werden, und die beiden Eheleute saßen Abends allein zusammen in der Stube am Theetisch.

      Es war im Februar, aber ein ganz entsetzlich naßkaltes und stürmisches Wetter. Noch vor wenigen Tagen hatte harter Frost die Erde gedeckt; heute peitschte der Regen die kaum aufgethauten Fenster und die Windsbraut heulte zwischen den Giebeln und riß an Thüren und Fensterflügeln, wie zornig darüber, daß es einen Platz geben solle, in den man ihr, der Gewaltigen, den Eintritt verweigere.

      Und wie das draußen durch die Straßen fegte! Der Justizrath war aufgestanden und ans Fenster getreten, denn die Unterhaltung wollte heute nicht recht fließen. Seine Frau war abgespannt, klagte über ein leichtes Kopfweh und Brennen in den Augen und war schon ein paar Mal, wie krampfhaft zusammengefahren – jedenfalls in Folge des gestrigen Balles.

      Unten brannten die Gaslaternen, aber sie erleuchteten die Straße nicht, sondern warfen nur einen matten, flackernden Schein auf das schmutzige, von halbgeschmolzenem Eis bedeckte Pflaster, denn selbst die Glasscheiben schützten die Flammen nicht vor diesem Sturm, der sie rastlos hin und her wehte und manchmal auszulöschen drohte. Die Straße selbst war menschenleer, denn wer heute nicht nothgedrungen mußte, verließ wohl nicht das schützende Haus, um sich einem solchen Unwetter preiszugeben. Nur dann und wann floh ein einzelner später Wanderer entweder mit dem Wind durch aufspritzenden Schmutz und Schlamm dahin, oder kämpfte – den Oberkörper weit vorn über gebeugt – gegen den Sturm, und dem Wetter in die Zähne, seine beschwerliche Bahn.

      In langen Zwischenpausen rollte auch wohl einmal ein festgeschlossener Wagen vorüber, aber das Geräusch desselben machte die gleich nachher wieder eintretende Oede nur noch fühlbarer, als daß es sie unterbrochen hätte.

      Der Himmel war mit schweren jagenden Wolken bedeckt, und der hinter ihnen stehende Vollmond konnte nicht mehr thun, als daß er manchmal ihre riesigen, beweglichen Massen in einem matten Phosphorschimmer sichtbar werden ließ. Aber selbst dies geschah nur auf Momente, und jedes Mal darnach war es, als ob der Sturm nur Athem geholt und neue Kraft gewonnen hätte, um so viel rasender zum Kampf herbei zu eilen.

      »Merkwürdig, wie das da draußen tobt und gießt,« brach der Justizrath endlich das lange Schweigen indem er den Rauch seiner Cigarre gegen die Fensterscheiben blies. »Das ist nun Februar mit Mondschein im Kalender wo man eigentlich eine hellkalte, ruhige Winternacht zu fordern hätte. 'S ist aber gerade, als ob die ganze Welt ihre Jahreszeiten umdrehte, denn eingehalten werden sie wahrlich nicht mehr zur rechten Zeit.«

      Er hatte sich dabei wieder dem Tische zugedreht, und sah jetzt wie seine Frau mit gespannter Aufmerksamkeit auf dem Sopha saß, als ob sie auf irgend etwas horche. Zu gleicher Zeit drang, durch die Wände und Decke aber gedämpft, der Ton einer Menschenstimme zu ihnen herüber, die jedenfalls ein geistliches Lied in lang gezogenen, schnarrenden Tönen sang. Der Justizrath lachte.

      »Das ist der verrückte Schuhmacher über uns, der jedesmal bei einem Sturm, aber besonders


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