Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich


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ihren Nachbarn an der Küste, die zu faul sind, einen Fruchtkern in den Boden zu stecken, haben die Leute, die sich dort auf der kleinen Insel niederließen, einen wahren Garten aus ihr geschaffen, dessen Producte jetzt Käufer an der ganzen Küste finden.

      Fortwährend legen dort kleine Schooner an, die von Guajaquil besonders Waaren und leider auch Getränke bringen, und, dafür mit Cocosnüssen, Bananen, Cherimoyen, Alligatorpears (aguacarta), Ananas und andern kostbaren Früchten beladen, wieder dorthin zurückkehren, oder ihre Fracht auch an den Zwischendörfern absetzen, und dafür Gummi oder Cacao einnehmen.

      Im Anfang bestand die kleine Ansiedelung, die sich auf der Insel gegründet, nur aus wenigen Personen, die sich theils mit dem sehr bedeutenden Fischfang, theils mit dem Gartenbau beschäftigten. – Nach und nach siedelten sich mehr dort an, Kaufläden entstanden und Branntweinschenken; eine Brennerei wurde sogar auf der Insel selber angelegt, um das dort gezogene Zuckerrohr gleich an Ort und Stelle zu verwerthen, und der Verkehr wuchs so bedeutend, daß es sogar der kleine englische Dampfer, der seine regelmäßigen Fahrten zwischen Panama und Guajaquil macht, für vortheilhaft fand, dort anzulegen und so eine Postverbindung zwischen Tomaco und der übrigen Welt herzustellen.

      Einen Alkalde wählten sich die Leute zwar noch immer selber und aus ihrer Mitte, und sie hatten bis dahin von den gar nicht seltenen Revolutionen Neugranadas eigentlich nur dann erst Kunde bekommen, wenn die Sache vorbei und für eine oder die andere Partei entschieden war. Wie sich der Wohlstand der Insel aber mehr und mehr hob, lenkte sie auch – keinen Falls zu ihrem Vortheil – die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich, und die Wichtigkeit ihres Besitzes stellte sich mehr und mehr heraus, als auch das unmittelbar daran stoßende Ecuador Oberhoheitsrechte über Tomaco beanspruchte.

      Trotzdem hatte man in der letzten Revolution, die Mosquera gegen die bestehende Regierung anzettelte, noch sehr wenig von den Lasten des Krieges gefühlt, und einzelne Familien zogen sich sogar aus dem, den ewigen Streifcorps beider Parteien preisgegebenen Bogota hierher zurück. Aber dieser Friede sollte nicht lange dauern, denn während südlich von ihnen in Ecuador der Mulattengeneral Franco die Fackel der Empörung in ein ruhiges Land schleuderte und seine Macht mit gemietheten Banden eine kurze Zeit aufrecht hielt, rüstete Mosquera im Norden ein paar kleine Schiffe aus, um auch die Küstenplätze des Reiches zu besetzen, während er mit seinen Truppen das Innere durchzog und mit wechselndem Glück bald Bogota, die Hauptstadt, einnahm, bald wieder daraus vertrieben wurde. An eine Vertheidigung derselben dachte man nie. – Welche Partei gerade die stärksten Banden hatte, rückte ein, und die andere zog indessen ab, um größere Verstärkung zu bekommen.

      Ob Mosquera siegte oder besiegt wurde, unruhige und beunruhigende Gerüchte zuckten überall an der Küste auf und ab, und ließen die Eingeborenen, die nicht das geringste Interesse an dem endlichen Ausgang des Kampfes hatten, ihres Lebens sich nie freuen. Was lag ihnen daran, ob ihr Präsident Mosquera oder sonst wie hieß? Sie bekamen ihn auf Tomaco doch nie zu sehen, und selbst zu Ecuador hätten sie sich mit der größten Gleichmüthigkeit schlagen lassen, wenn sie weiter keinen Nachtheil hatten.

      Aber es ist eine alte Geschichte, daß weder in Republiken noch Monarchien das eigentliche Volk selber eine Revolution macht, sondern im Gegentheil dazu überredet werden muß. Der materielle Druck einer Regierung wirkt nie so unerträglich, treibt nie so rasch zum Aeußersten, wie der geistige, den das eigentliche Volk nicht so leicht fühlt.

      Auch Mosquera's Regierung würden sich die Einwohner von Tomaco mit Vergnügen unterworfen haben, so weit es nämlich die unteren Classen, die Fischer und Ackerbauer betraf, denn sollten sie sich etwa, eines Namens wegen, widersetzen und ihre Netze und Boote, ihre Anpflanzungen und Gärten preisgeben? – Aber in Tomaco befand sich ein unter der alten Regierung gewählter Alkalde, ein Postmeister, ein Steuereinnehmer – lauter Leute, die allerdings in bloßen Füßen und Kattunhemden in der Welt herumliefen, aber trotzdem eine Stellung zu verlieren hatten. Sie stützten mit ihrem Anhang das alte Regime, während die hierher geflüchteten Neu-Granadienser Alles thaten, was in ihren Kräften stand, um gegen Mosquera und die Umsturzpartei zu wirken. Es wurde ihnen das um so leichter, als Mosquera in dem Verdacht stand, eine Militärherrschaft gründen zu wollen, und das war die verhaßteste von Allen, denn die jungen Leute fürchteten, nicht mit Unrecht, ausgehoben und in das innere, ungesunde Land geschleppt zu werden.

      Kurz, Mosquera schien in Tomaco, wenn man die Bevölkerung hätte wollen über ihn abstimmen lassen, wenig Aussicht auf Erfolg zu haben. Desto größer war die Beunruhigung der Leute, als der kleine Dampfer, die »Anna«, eines Tages die Kunde mit nach Tomaco brachte, daß Mosquera Buenaventura besetzt habe, und zwei »Kriegsschiffe« schon von dort ausgelaufen seien, um die südlicher liegenden Küstenstädte ebenfalls dem »neuen Präsidenten« zu unterwerfen. Sie hatten wenigstens Buenaventura schon verlassen, als die Anna dort anlief, wenn es auch noch eine Weile dauern konnte, bis sie hierherzu aufkreuzten, da ihnen Wind, wie Strömung an der Küste fortwährend entgegen waren.

      Wie ein Lauffeuer zuckte diese Schreckenskunde über die Insel und die Bewohner schienen gar nicht an Widerstand zu denken, bis ein Franzose, der dort eine Art von Hôtel oder Branntweinwirthschaft mit einem Kaufladen hielt und außerdem noch herüber und hinüber speculirte, der Unschlüssigkeit ein Ende machte, und von seinem Ladentisch aus den Einwohnern auseinander setzte, daß sie sich vertheidigen und ihre Freiheit bewahren müßten.

      Der Mann sprach jedenfalls als Fremder unparteiisch, denn daß er ein Dutzend alte Musketen und ordinäre, schon halb verrostete Flinten auf Lager hatte, und außerdem Pulver und Munition führte, wovon er in ruhigen Zeiten außerordentlich wenig absetzte, konnte ihn kaum dazu bewogen haben, seinen Mitbürgern einen solchen Rath zu geben. Nichtsdestoweniger versäumte er keine Zeit, um die genannten Kriegsinstrumente, so rasch es anging, wenigstens von außen, wieder etwas in Stand zu setzen und den Rost zu entfernen. Was er an sonstigen Waffen: Pistolen und Messern, besaß, wurde ebenfalls vorgesucht, um zur Schau auf seinem Ladentische auszuliegen.

      Unterdessen wirkte das ausgestreute Gift. In seinem Laden sammelten sich vorzugsweise die Müßiggänger der Stadt, um bei einem Glase Aguaardiente oder süßen Liqueurs, den sie sehr gern tranken und den Monsieur Renard so schlecht als theuer führte, ihre zukünftige Haltung zu besprechen. Sie wollten sich zu einem Entschluß hinaufarbeiten, der aber – wie die Meisten recht gut wußten – im letzten und entscheidenden Augenblick doch unausführbar war.

      Welchen Widerstand hätten sie einer bewaffneten Macht bieten wollen? Ein einziger Raketenschuß würde ihre ganze aus Bambus und Schilfdächern erbaute kleine Stadt in Brand gesteckt haben. Befestigungen gab es gar nicht – die Straßen lagen sämmtlich offen, feindliche Boote konnten in der Fluthzeit fast an jedem Theile der Insel landen. Dazu war die Bevölkerung fast waffenlos und, wenn sie auch Waffen gehabt hätte, ungeübt in dem Gebrauch derselben. Alle Vernunftgründe sprachen deshalb dafür, etwas, das man doch nun einmal nicht ändern konnte, ruhig über sich ergehen zu lassen, noch dazu, da es ihnen nicht einmal Nachtheil bringen konnte. – Aber der Branntwein! Sobald die Köpfe erregt waren, fingen die Leute an, welche ihre jetzige Regierung ebenfalls nur dem Namen nach kannten, patriotisch zu werden, und eines Tages, ehe es dunkel wurde, hatte Louis Renard seine sämmtlichen alten Musketen an den Mann gebracht, sogar seine eigene und letzte, ziemlich gute Doppelflinte verkauft und mit seiner Munition so weit aufgeräumt, daß ein neuer Auftrag nach Guajaquil oder Panama nöthig wurde.

      Am nächsten Morgen waren die Bewohner von Tomaco auch schon mit Tagesanbruch munter, und Kundschafter erkletterten den Felsen, um von dort aus einen besseren Ueberblick über die See zu gewinnen, und etwa ansegelnde Fahrzeuge augenblicklich signalisiren zu können. Ueberhaupt befand sich die Stadt in einer ziemlichen Aufregung, da sich zu gleicher Zeit eine Art von Miliz gebildet hatte, die freilich nur in der einen Hinsicht uniform war, daß sämmtliche »Soldaten« ohne Uniform erschienen. Auch zwei kleine Kanonen wurden vorgesucht, die der Postmeister einmal von der »Anna« erstanden hatte, wo man sie gebraucht, um Signalschüsse zu geben. Natürlich fehlte es an Kugeln dazu, die sich aber durch kleine Stücke gehackten Bleies ersetzen ließen, und es sah in der That so aus, als ob die Stadt entschlossen wäre, ihre »heiligen Rechte« bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen – aber es sah auch nur so aus.

      Die Leute exercirten allerdings den ganzen Vormittag und als die Seebrise mit dem nahenden Abend das Land bestrich, begannen sie noch einmal,


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