Briefe von Goethe an Lavater. Johann Wolfgang von Goethe

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Briefe von Goethe an Lavater - Johann Wolfgang von Goethe


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habe dir viel zu sagen, und viel von dir zu hören, wir wollen wechselsweis Rechnung von unserm Haushalten ablegen, einander seegnen, und für die Zukunft stärken, wieder ganz nah zusammenrudern und uns freuen daß wir noch in einer Luft athemholen. Von dem was ich mitbringe unterhalt ich dich nicht im Voraus.

      Mein Gott dem ich immer treu geblieben bin hat mich reichlich geseegnet im Geheimen, denn mein Schicksal ist den Menschen ganz verborgen, sie können nichts davon sehen noch hören. Was sich davon offenbaren läßt, freu ich mich in dein Herz zu legen. Adieu Bruder. Bisher sind wir glücklich gereist, bete auch daß uns die himmlischen Wolken günstig bleiben, und wir an allen Gefahren vorüber gehn.

G.

      Sonntag d. 10ten denk ich sollst du diesen Brief haben und Dienstag den 12 könnte nach der Postrechnung ein Brief von dir wieder in Bern seyn. Auf alle Fälle schreibe so bald du kannst.

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      Lieber Bruder, deine Leute hier hab ich meist gesehen, Kirchbergern noch heut Abend spät anderthalb Stunden auf seinem Landhaus gesprochen. Es ist ein Mann mit dem sich gut reden läßt und ich habe die Zapfen meiner Gefäse, wie er angeklopft hat, gar freundlich ausgezogen, und mir auch dagegen von dem seinigen reichen lassen. Auf alles was er gefragt hat, hab ich ihm in meiner Art geantwortet, und durch Gleichnisse und Anschlagen wurden wir bald bekannt. Auch hab ich ihm hie und da mehr gesagt, als er gefragt hat, denn es hängt alles gar hübsch bey ihm zusammen und er hat für sein Alter und daß er viel für sich durchdacht hat, eine schöne Gelenksamkeit der Gedanken.

      Nun wirds weiter gehn. Verschiedene Packete sollen an dich geschickt werden, hebe mir sie auf. Wir gehen auf Lausanne und Genv. Bey Neuburg sind wir schon gewesen und thut mir leid die G*** nicht zu sehen, ich schick ihr deinen Brief. Wenn du mir was noch zu sagen hast, so schicks an Toblern den ich gewiß aufsuche. Von Genf hörst du weiter von mir.

      Was der treue Cameralische Okulist mit dem Br. Herzog will, versteh ich außer dem Zusammenhang nicht. Wenn’s so ist wie ich vermuthe, mag er’s immer noch ein Paar Jahrhunderte aufschieben, und es soll auch dann wills Gott nicht passen. Es ist nur seit man den Kazzen weisgemacht hat, die Löwen gehören in ihr Geschlecht, daß sich ieder ehrliche Hauskater zutraut er könne und dürfe Löwen und Pardeln die Tazze reichen und sich brüderlich mit ihnen herumsielen die doch ein vor allemal von Gott zu einer andern Art Thiere gebildet sind. Adieu. Eh wir Zürich nahen hörst du mehr von mir.

      Bern d. 17. Okt. 79.

      Grüs dein Weib und die kleine, es soll mich wundern ob und wie wir uns verändert finden.

      16

Genf d. 28ten Okt. (1779)

      L. Br. Deinen Brief hat mir Tobler gegeben, der mich nur in Gegenwart Diodatis gesprochen hat, wo’s ihm nicht so von der Brust will, und ich bin auch nicht so in Gesellschaft mich aufzuknöpfen. Wir ziehen langsam, bis jetzt noch mit schönem Glück und Vorteil, sind vorgestern in der Vallée du lac de Joux und auf der Dole gewesen beym schönsten Wetter und Umständen. Heut warten wir das trübe in Genv ab.

      Noch weis ich nicht wenn wir kommen, du sollst noch mehr von mir hören. Ich halte sonst viel vom überraschen, diesmal ist das Herumziehen eh wir uns sehn auch gut. Nicht allein vergnüglich sondern geseegnet uns beyden soll unsre Zusammenkunft seyn. Für ein Paar Leute die Gott auf so unterschiedne Art dienen sind wir vielleicht die einzigen, und denke wir wollen mehr zusammen überlegen und ausmachen, als ein ganz Concilium mit seinen Pfaffen, Huren und Mauleseln. Eins werden wir aber doch wohl thun daß wir einander unsere Partikular-Religionen ungehudelt lassen. Du bist gut darinne aber ich bin manchmal hart und unhold, da bitt ich dich im Voraus um Geduld. Denn z. E. da hat mir Tobler deine Offenb. Joh. gegeben, an der ist mir nun nichts noch als deine Handschrift, darüber hab ich sie auch zu lesen angefangen.3 Es hilft aber nicht, ich kann das göttliche nirgends und das poetische nur hie und da finden, das Ganze ist mir fatal, mir ists als röch ich überall einen Menschen durch der gar keinen Geruch von dem gehabt hat der da ist A und O. Siehst du l. Br. wenn nun deine Vorerinnerung grade das Gegentheil besagt und unterm 24 September 1779!! da werden wir wohl thun, wenn wir irgend ein sittsam Wort zusammen sprechen, ich bin ein sehr irdischer Mensch, mir ist das Gleichniß vom ungerechten Haushalter, vom verlohrnen Sohn, vom Säemann, von der Perle, vom Groschen &c. &c. göttlicher (:wenn ie was göttlich’s da seyn soll:) als die sieben Botschafter, Leuchter, Hörner, Siegel, Sterne und Wehe. Ich denke auch aus der Wahrheit zu seyn, aber aus der Wahrheit der fünf Sinne und Gott habe Geduld mit mir wie bisher. Gegen deine Messiade hab ich nichts, sie liest sich gut, wenn man einmal das Buch mag, und was in der Apokalypse enthalten ist, drückt sich durch deinen Mund rein und gut in die Seele, wie mich dünkt. Das willst du da, wozu denn aber die ewigen Trümpfe, mit denen man nicht sticht und kein Spiel gewinnt, weil sie kein Mensch gelten läßt. Du siehst, Bruder, ich bin immer der alte, dir wieder von eben der Seite wie vormals zur Last. Auch bin ich in Versuchung gewesen das Blatt wieder zu zerreissen. Doch da wir uns doch sehn werden so mag es gehn.

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      Diese Zeilen fallen, gleichwie der nächstfolgende, an Lavaters Seelenfreund, den Diakon Pfenninger gerichtete Brief, obschon ohne Datum, in die Zeit vor Lavaters Abreise nach Frankfurt. Diese fand Statt am 12. Juni 1774. Man sehe Goethes Werke 26r. Bd. S. 266, von den Worten an: „Unser erstes Begegnen war herzlich, u. s. w.“

A. d. H.

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      Siehe den Anhang.

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      In diesem Briefe spricht Goethe – was zu Verhüthung von Mißverständnissen nicht unbemerkt gelassen werden darf – von der homiletisch

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Diese Zeilen fallen, gleichwie der nächstfolgende, an Lavaters Seelenfreund, den Diakon Pfenninger gerichtete Brief, obschon ohne Datum, in die Zeit vor Lavaters Abreise nach Frankfurt. Diese fand Statt am 12. Juni 1774. Man sehe Goethes Werke 26r. Bd. S. 266, von den Worten an: „Unser erstes Begegnen war herzlich, u. s. w.“

A. d. H.

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Siehe den Anhang.

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In diesem Briefe spricht Goethe – was zu Verhüthung von Mißverständnissen nicht unbemerkt gelassen werden darf – von der homiletischen Bearbeitung der Offenbarung Jesu an Johannes, welche Lavater bald nach seinem Antritte des Diakonates zu St. Peter in Zürich (1778) für seine wöchentlichen Abendpredigten zu erklären anfing. Um eben diese Zeit aber bearbeitete L. in der Vollkraft seines Geistes und folgend dem Triebe seiner rastlosen, man möchte beynahe sagen, übermenschlichen Thätigkeit dasselbe Buch auch poetisch in einem Gedichte, welches im Jahr 1780, unter dem Titel: Jesus Messias oder die Zukunft des Herrn, in vier und zwanzig Gesängen, in Zürich ans Licht trat. Siehe Lavaters Lebensbeschr. von seinem Tochtermann G. Geßner, Bd. II. S. 222. u. ff. Auf dies


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In diesem Briefe spricht Goethe – was zu Verhüthung von Mißverständnissen nicht unbemerkt gelassen werden darf – von der homiletischen Bearbeitung der Offenbarung Jesu an Johannes, welche Lavater bald nach seinem Antritte des Diakonates zu St. Peter in Zürich (1778) für seine wöchentlichen Abendpredigten zu erklären anfing. Um eben diese Zeit aber bearbeitete L. in der Vollkraft seines Geistes und folgend dem Triebe seiner rastlosen, man möchte beynahe sagen, übermenschlichen Thätigkeit dasselbe Buch auch poetisch in einem Gedichte, welches im Jahr 1780, unter dem Titel: Jesus Messias oder die Zukunft des Herrn, in vier und zwanzig Gesängen, in Zürich ans Licht trat. Siehe Lavaters Lebensbeschr. von seinem Tochtermann G. Geßner, Bd. II. S. 222. u. ff. Auf dieses poetische Werk beziehn sich die, mit den vorliegenden gar sehr contrastirenden, Aeußerungen Goethes im 17, 20. u. 21ten Briefe.

A. d. H.