Frühlings Erwachen. Франк Ведекинд

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Frühlings Erwachen - Франк Ведекинд


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mit jedermann eine Wette eingehen....

Moritz

      Darin magst du ja recht haben. – Aber immerhin …

Melchior

      Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das nämliche! Nicht daß das Mädchen gerade … man kann das ja freilich so genau nicht beurteilen … jedenfalls wäre vorauszusetzen ...... und die Neugierde würde das Ihrige zu tun auch nicht verabsäumen!

Moritz

      Eine Frage beiläufig —

Melchior

      Nun?

Moritz

      Aber du antwortest?

Melchior

      Natürlich!

Moritz

      Wahr?!

Melchior

      Meine Hand darauf. – — Nun, Moritz?

Moritz

      Hast du den Aufsatz schon??

Melchior

      So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja niemand.

Moritz

      Selbstverständlich müßten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder sich durch Spiele zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie müßten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen nachts nicht so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. – Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.

Melchior

      Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett hinter den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. – Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das Grauenhafteste, was ich je geträumt habe. – Was siehst du mich so sonderbar an?

Moritz

      Hast du sie schon empfunden?

Melchior

      Was?

Moritz

      Wie sagtest du?

Melchior

      Männliche Regungen?

Moritz

      M—hm.

Melchior

      – Allerdings!

Moritz

      Ich auch. – — – — – — – — – — – — – — – — —

Melchior

      Ich kenne das nämlich schon lange! – schon bald ein Jahr.

Moritz

      Ich war wie vom Blitz gerührt.

Melchior

      Du hattest geträumt?

Moritz

      Aber nur ganz kurz ....... von Beinen im himmelblauem Trikot, die über das Katheder steigen – um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. – Ich habe sie nur flüchtig gesehen.

Melchior

      Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.

Moritz

      Hat er dir das erzählt?

Melchior

      Draußen am Galgensteg!

Moritz

      Wenn du wüßtest, was ich ausgestanden seit jener Nacht!

Melchior

      Gewissensbisse?

Moritz

      Gewissensbisse?? – — – Todesangst!

Melchior

      Herrgott …

Moritz

      Ich hielt mich für unheilbar. Ich glaubte, ich litte an einem inneren Schaden. – Schließlich wurde ich nur dadurch wieder ruhiger, daß ich meine Lebenserinnerungen aufzuzeichnen begann. Ja ja, lieber Melchior, die letzten drei Wochen waren ein Gethsemane für mich.

Melchior

      Ich war seinerzeit mehr oder weniger darauf gefaßt gewesen. Ich schämte mich ein wenig. – Das war aber auch alles.

Moritz

      Und dabei bist du noch fast um ein ganzes Jahr jünger als ich!

Melchior

      Darüber, Moritz, würd′ ich mir keine Gedanken machen. All′ meinen Erfahrungen nach besteht für das erste Auftauchen dieser Phantome keine bestimmte Altersstufe. Kennst du den großen Lämmermeier mit dem strohgelben Haar und der Adlernase? Drei Jahre ist der älter als ich. Hänschen Rilow sagt, der träume noch bis heute von nichts als Sandtorten und Aprikosengelee.

Moritz

      Ich bitte dich, wie kann Hänschen Rilow darüber urteilen!

Melchior

      Er hat ihn gefragt.

Moritz

      Er hat ihn gefragt? – Ich hätte mich nicht getraut, jemanden zu fragen.

Melchior

      Du hast mich doch auch gefragt.

Moritz

      Weiß Gott ja! – Möglicherweise hatte Hänschen auch schon sein Testament gemacht. – Wahrlich ein sonderbares Spiel, das man mit uns treibt. Und dafür sollen wir uns dankbar erweisen! Ich erinnere mich nicht, je eine Sehnsucht nach dieser Art Aufregungen verspürt zu haben. Warum hat man mich nicht ruhig schlafen lassen, bis alles wieder still gewesen wäre. Meine lieben Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können. So bin ich nun hergekommen, ich weiß nicht wie, und soll mich dafür verantworten, daß ich nicht weggeblieben bin. – Hast du nicht auch schon darüber nachgedacht, Melchior, auf welche Art und Weise wir eigentlich in diesen Strudel hineingeraten?

Melchior

      Du weißt das also noch nicht, Moritz?

Moritz

      Wie sollt′ ich es wissen? – Ich sehe, wie die Hühner Eier legen, und höre, daß mich Mama unter dem Herzen getragen haben will. Aber genügt denn das? – Ich erinnere mich auch, als fünfjähriges Kind schon befangen worden zu sein, wenn einer die dekolletierte Coeurdame aufschlug. Dieses Gefühl hat sich verloren. Indessen kann ich heute kaum mehr mit irgend einem Mädchen sprechen, ohne etwas Verabscheuenswürdiges dabei zu denken, und – ich schwöre dir, Melchior – ich weiß nicht was.

Melchior

      Ich sage dir alles. – Ich habe es teils aus Büchern, teils aus Illustrationen, teils aus Beobachtungen in der Natur. Du wirst überrascht sein; ich wurde seinerzeit Atheist. Ich habe es auch Georg Zirschnitz gesagt! Georg Zirschnitz wollte es Hänschen Rilow sagen, aber Hänschen Rilow hatte als Kind schon alles von seiner Gouvernante erfahren.

Moritz

      Ich habe den Kleinen Meyer von A bis Z durchgenommen. Worte – nichts als Worte und Worte! Nicht eine einzige schlichte Erklärung. O dieses Schamgefühl! – Was soll mir ein Konversationslexikon, das auf die nächstliegende Lebensfrage nicht antwortet.

Melchior

      Hast du schon einmal zwei Hunde über die Straße laufen sehen?

Moritz

      Nein! – — Sag mir heute lieber noch nichts, Melchior. Ich habe noch Mittelamerika und Ludwig den Fünfzehnten vor mir. Dazu die sechzig Verse Homer, die sieben Gleichungen, der lateinische Aufsatz – ich würde morgen wieder überall abblitzen. Um mit Erfolg büffeln zu können, muß ich stumpfsinnig wie ein Ochse sein.

Melchior

      Komm doch mit auf mein Zimmer. In dreiviertel Stunden habe ich den Homer, die Gleichungen und zwei Aufsätze. Ich korrigiere dir einige harmlose Schnitzer hinein, so ist die Sache im Blei. Mama braut uns wieder eine Limonade, und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung.

Moritz

      Ich kann nicht. – Ich kann nicht gemütlich über die Fortpflanzung plaudern! Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann gib mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib mir auf, was du weißt. Schreib es möglichst kurz und klar und steck es mir morgen während der Turnstunde zwischen die Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhin können, es müden Auges zu durchfliegen … falls es unumgänglich notwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen.

Melchior

      Du bist wie ein Mädchen. – Übrigens wie du willst! Es ist mir das eine ganz interessante Arbeit. – — Eine Frage, Moritz.

Moritz

      Hm?

Melchior

      – Hast


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