Pieśń Lodu i Ognia.. George R.r. Martin

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Pieśń Lodu i Ognia. - George R.r. Martin


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geduldet wurde. Sie erregte ihre Aufmerksamkeit, eine Frau ohne Begleitung, ohne Herrchen, nicht reinrassig, eine brennende Sonne unter der Haut als einziges Erbe. Die Stadt war letztlich bloß ein riesiges Dorf, eine Vorstadt, wo die Leute sich ihre Zeit damit vertrieben, die anderen zu beobachten, zu bewerten, zu billigen oder zu missbilligen. Eine Fliegen-Stadt mit einer Vielzahl gieriger Augen. Die Männer sprachen sie an, musterten und kommentierten sie, wenn sie vorbeiging, folgten ihr von einer Avenue in eine Seitenstraße; die Frauen, die die Hunde oder Kleinkinder ihrer Arbeitgeber spazieren führten, musterten sie ebenfalls, ärgerten sich und murmelten etwas vor sich hin. Alle erinnerten sie daran, wo sie herkam, wo sie herkamen, sicher angetrieben von einem Gefühl seltsamer Brüderlichkeit, ihr verbunden in der Erinnerung an Elend, Pech und eine traurige Herkunft.

      Sie musste einen Panzer tragen, eine Maske, Kopfhörer, und in den rosa, orange und samtig purpurfarbenen Himmel zwischen den Haussmann-Fassaden mit den smaragdgrünen Kuppeldächern am Ende der Straße schauen. Sie musste sich außerhalb ihrer Wohnung stets wie ein Soldat in Habtachtstellung bewegen, den Mund mit schwarzem Faden vernäht, eilig den öffentlichen Raum durchqueren, um von A nach B zu gelangen, von einem Privatraum in den nächsten, ohne sich Ärger einzuhandeln, ohne von den Worten verätzt zu werden.

      Das Hauptquartier

      Als der Generalsekretär der kommunistischen Partei, der auch der Bezirksabgeordnete war, sie sprechen wollte, wusste Mina nicht recht, ob das ein gutes Zeichen war, ob sie sich Sorgen machen oder sich angesichts dieser Aufmerksamkeit geehrt fühlen sollte. Seit der Abgeordnete in Vorbereitung seiner zweiten Amtszeit diese Gegend von Westbengalen bereist hatte, hatte er den Bau der Automobilfabrik zu seinem persönlichen Projekt gemacht.

      Sie besprach sich mit ihren Eltern. Ihre Mutter zeigte ihre Missbilligung durch heftiges Rühren in der Linsensuppe, was ein metallisches, von Luftblasen und Dampf gemildertes Geräusch verursachte. Ihr Vater schien verwirrt. Seit einiger Zeit schon verstand er die Welt, die ihn umgab, nicht mehr. Er lebte im Rhythmus der Ernten, hielt die Tage und Monate und Jahre in der Hand wie einen gut durchgekneteten Klumpen Lehm, wie ein Bund Spinat, einen Strunk Kohl, ein Bündel Schilf. Die Jahreszeiten wanderten durch ihn hindurch, ihre Abstufungen von Blautönen, im Frühling sanft, im Sommer weißlich, verfärbten sich grau, schwarz, kräftig, gingen in Schauern auf ihn nieder, auf sein Dach, der Weiher trat über die Ufer und überschwemmte seinen bescheidenen Hof, wo er kleine, ungeschickte Fische fing. Er mochte den Fischgeruch an seinen rauen Händen nicht, er wartete ungeduldig, wieder zurück auf die Felder zu können, um sich über die Pflanzen zu beugen, ihre jungen Wurzeln zu pflegen, das Unkraut zu jäten, wobei er sich ab und zu schüttelte, um die Blutegel von seinen Füßen im Wasser zu vertreiben.

      Auf die Fragen seiner Tochter antwortete er mit Schweigen und blickte zur Decke seiner Hütte aus Schilf und Bambus. Vor der Tür wurde der kahle, unebene, staubige Hof breiter und ging in die Höfe der Nachbarn über, um sich dann wieder zu verengen und als schmale, holprige Straße das Dorf zu durchqueren. Weitläufige, überflutete Reisfelder, von denen das ganze Jahr ein kühler, feuchter Wind herüberwehte, umgaben die Handvoll Häuser. Der Wind warf sich gegen die grün bewachsenen Hügel, immer bläulicher, dunstiger zum Horizont hin, wo Kalkutta lag, weit weg, irgendwo im Nebel, von wo nur allzu selten ein Gerücht bis hierher durchdrang.

      Soweit er sich erinnerte, hatten sein Vater und der Vater seines Vaters hier gelebt, neben den Bäumen, neben den Reisfeldern. Bis vor Kurzem war die Zeit eine weite Ebene gewesen. Er war den vorgezeichneten Schritten der Männer der Familie gefolgt und hatte nicht gedacht, dass dieser friedliche Rhythmus aus Arbeitstagen und Nachtruhe unterbrochen werden könnte. Aber die Politiker hatten alles durcheinandergebracht, sie hatten entschieden, die Landschaft umzuformen, diese ländliche Gegend, Tajpur und Umgebung, in einen Hinterhof der Stadt zu verwandeln. Sie hatten es nicht für nötig befunden, die Bauern über den Verkauf ihrer Felder an internationale Investoren für den Bau einer Automobilfabrik zu unterrichten, weil weder Minas Vater noch die anderen Landbesitzer waren. Sie waren bloß einfache Bauern, die die Felder für die Ernte pachteten und nur ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten, ihre Wünsche und ihre Stimmen fielen weniger ins Gewicht als die der Zugvögel, die die Ernte stibitzten, sie standen mit den Füßen im Wasser und im Schlamm, den ganzen Körper über die Wurzeln der Pflanzen gebeugt, aber diese Erde, die sie kneteten und besser kannten als den Körper ihrer Frau, gehörte ihnen nicht. Nun wollte man sie selbst wie Unkraut ausreißen, den Boden platt walzen, das Wasser abpumpen, um alles zu betonieren und einen Jahrmarkt aus Karosserien zu errichten, die ihren Durst am Ölbrunnen stillen würden.

      Mina rief ihren Bruder auf seinem Mobiltelefon an, aber er hob nicht ab. Sie hörte sich die Filmmelodie bis zur letzten Note an, bevor sie eine Nachricht hinterließ. Sie dachte an Sam, traute sich aber nicht, ihn anzurufen: Seit einigen Wochen, seit ihrem letzten heimlichen Treffen, mied er sie. Sie ging auf die Straße, um mit den Nachbarn zu reden, alles Bauern, Freunde ihres Vaters. Als am Abend der Sekretär des Abgeordneten kam, um ihr die Uhrzeit des Treffens mitzuteilen, stammelte sie ein paar Worte, ohne recht zu merken, dass sie sich bei ihm dafür bedankte, ihr ein Treffen zu gewähren.

      Mina ging also am nächsten Abend zum Sitz der Partei. Das zweistöckige Gebäude mit seinem roten Anstrich, seiner quadratischen Form und seiner großen, schmiedeeisernen Eingangstür war nicht zu übersehen. Die Schnellimbisse, Handyläden und Internetcafés wirkten daneben wie die Ställe und Schuppen eines Herrenhauses.

      Sie stieg die Treppen hinauf und begegnete auf dem breiten Flur des ersten Stocks einem Mann, der sich an einem Zinnkessel zu schaffen machte. Sie stellte sich vor, während er auf einem mit Tintenflecken gesprenkelten Tisch mit Schubladen voller alter Zeitungen Tee zubereitete. Der Abgeordnete gab gerade ein Fernsehinterview, weswegen der Mann aus dem Flur sie bat, im Sitzungssaal zu warten. Große Porträts von Marx, Engels, Lenin, Stalin und den indischen kommunistischen Führern schmückten die Wände. Von der Decke hing ein ockerfarbener, vierblättriger Ventilator, schmutzig und voller Spinnweben. Zwei lange Tische bildeten einen Winkel. Sie setzte sich auf einen der vielen Stühle, die ringsherum standen. Der Mann aus dem Flur kam und brachte ihr Tee.

      Mina wartete. Die Zeitungen auf den Tischen interessierten sie nicht. Sie hatte den Linien der Wörter nie folgen können, sobald sie sie betrachtete, wimmelten sie über die Seiten wie Wildameisen. Nach zwanzig Minuten holte ein junger Genosse sie ab, um sie ins Büro des Abgeordneten zu bringen.

      Das Fernsehteam war gegangen. Der Abgeordnete trug einen roten Wollschal, der sein Kinn verdeckte und seine fleischigen Lippen und seinen dicken Schnurrbart hervorhob. Seine grau melierten Haare waren auf der Seite gescheitelt, eine große, sorgfältig drapierte Schulkindlocke verdeckte seine Stirn. Er fasste sich an die schwarz gerahmte Brille, hob sie leicht an, setzte sie wieder auf, rückte sie zurecht.

      Der junge Genosse setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür und legte die Hände in den Schoß. An der dem Abgeordneten gegenüberliegenden Wand war ein Fernseher angebracht, auf dem die Abendnachrichten liefen, mit drei über den Bildschirm laufenden Informationsbalken zu drei verschiedenen Themen.

      »Bring der jungen Dame einen Tee«, rief der Abgeordnete.

      »Nein, nein, ich habe schon einen getrunken, danke.«

      Er warf ihr einen überraschten Blick zu, als habe er von ihr keine Erwiderung erwartet.

      Der Mann aus dem Flur brachte drei Tee auf einem Edelstahlteller, eine Tasse und zwei Becher.

      »Habt ihr keine Tassen?«

      Die Stimme des Abgeordneten hallte durch den Raum. Jemand spähte durch die Tür und verschwand sofort wieder.

      »Das ist nicht schlimm! Ich kann ebenso gut aus einem Becher trinken.«

      »Habe ich dich gefragt, ob es schlimm ist?«

      Dieses Mal wirkte er nicht überrascht, er schien sich zu freuen, die Vermessenheit der jungen Frau aufgezeigt zu haben, die es wagte, über die Qualität der Ausstattung der Partei zu befinden.

      Mina lächelte verlegen. Verknotete die Enden ihres Schultertuchs, entknotete sie wieder.

      »Groß bist du geworden, sieh einer an, richtig


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