Black. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.schickte ihren Brief in die Tuilerien.
Am 19. um neun Uhr Morgens erfuhr man in Paris, dass Napoleon am 17. in Auxerre eingetroffen sei und gegen die Hauptstadt vorrücke.
Der König, der den Plan des Herzogs von Ragusa zurückgewiesen hatte, ließ den Marschall um elf Uhr kommen und sagte zu ihm:
»Ich reise in dieser Nacht ab, geben Sie meinen Garden sogleich die nötigen Befehle.«
Um zwölf Uhr wurde ein Adjutant des Marschalls bei dem Chevalier de la Graverie gemeldet.
Der Marschall antwortete auf das Schreiben Mathildens, der König wisse, dass eine Verletzung des Armes den Chevalier zwinge das Zimmer zu hüten; er kenne seine loyale Gesinnung und erteile ihm Urlaub, denn er wisse wohl, dass ihn nur die im Dienste erhaltene Wunde verhindere, in diesem wichtigen Moment bei seinem Monarchen zu erscheinen.«
»Es ist gut,« antwortete Mathilde: »haben Sie die Güte dem Herrn Marschall zu sagen, dass der Chevalier in einer Stunde in den Tuilerien sein wird.«
Dieudonné machte große Augen.
Der Adjutant verneigte sich von Bewunderung durchdrungen und ging.
Mathilde reichte ihrem Gatten den Brief.
»Aber der König hat mir Urlaub gegeben,« sagte Dieudonné.
»Allerdings,« erwiderte Mathilde; »aber ein Cavalier darf solche Gunstbezeigungen nicht annehmen. Du musst den Honig bis an die Grenze begleiten und müsstest Du Dich auf deinem Pferde festbinden lassen!«
»Du hast Recht, Mathilde,« sagte der Chevalier nach kurzem Besinnen. – »Meine Rüstung und mein Schlachtross!« befahl er mit derselben Stimme wie Cäsar denselben Befehl gegeben haben würde.
Eine Stunde nachher war er in den Tuilerien.
Um Mitternacht reiste der König ab.
Bei der Ankunft in Ypern sah Ludwig XVIII. den Chevalier de la Graverie, der mit zwei Andern bei ihm geblieben war.
Der König ließ drei Ludwigskreuze bringen und heftete sie eigenhändig an die Uniform dieser drei Getreuen.
Dann schickte er sie nach Frankreich zurück, indem er die Hoffnung aussprach, sie in Paris bald wieder zu sehen.
Der Chevalier hatte gegen hundert Lieues zu Pferde zurückgelegt. Dies war mehr als genug. – Er verkaufte sein Pferd um den halben Wert, setzte sich in den Postwagen und kehrte nach Paris zurück.
Es wäre unmöglich, dem Leser die majestätische Gebärde zu schildern, mit der er seiner Frau das Ludwigskreuz zeigte.
Mathilde war entzückt.
Dieudonné erkundigte sich nach seinem Bruder.
Der Baron war endlich am 17. abgereist, aber nicht auf einer der südlichen Straßen, wo er fürchten musste, dem korsischen Werwolf zu begegnen; er wollte und konnte nicht länger in Paris bleiben, ohne sich durch seine unklugen Prahlereien zum Gegenstande des Spottes zu machen.
VIII
Wo der Chevalier de la Graverie neue Bekanntschaften macht
Die Ereignisse, welche der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba folgten, sind bekannt. Als Dieudonné wieder zu Hause war, hängte er sein Ludwigskreuz über dem Bette Mathildens auf um zuerkennen zugaben, daher es ihr verdankte.
Während der hundert Tage machte er sich nicht die mindesten Sorgen. Er war der glücklichste Mann von der Welt: er war ja nicht mehr Musketier, dafür aber Ritter des Ludwigsordens.
Die zweite Restauration trat ein. Der Baron kam unmittelbar nach den Bourbons und bezog wieder seine Wohnung in der Vorstadt Saint-Germain. Er ging indes nicht zu seinem Bruder: er hielt es für ein himmelschreiendes Unrecht, dass Dieudonné einen Orden hatte, und er. der ältere Bruder, das Haupt der Familie, bisher leer ausgegangen war.
In Ermanglung eines Vermittlers wandte sich der Chevalier de la Graverie unmittelbar an den König mit der Bitte, den Säbel des Musketiers mit dem Stab des Zeremonienmeisters zu vertauschen. Die Bitte wurde ihm zu seiner großen Freude gewährt; die neue bequeme Stellung sagte ihm weit besser zu, als die halsbrecherischen Eskorten.
Aber sonderbarer Weise suchte er die Gesellschaft von Militärpersonen; er schien der ganzen Welt beweisen zu wollen, dass sein Haupt auch einst den so unbequemen Helm mit dem Rossschweif getragen hatte.
Wenn er Dienst in den Tuilerien hatte, so schloss er sich vorzugsweise den Gardeoffizieren an und behandelte sie als Kameraden.
Eines Tages machte er die Bekanntschaft eines Kapitäns, der ihm gleich bei der ersten Unterredung ungemein gefiel, vermutlich weil er in allen Stücken das Gegenteil von ihm war.
Der Kapitän war viel älter als der Chevalier de la Graverie, der damals etwa fünfundzwanzig Jahre zählte. Dieser Offizier hatte in einigen Monaten seinen Abschied zu erwarten. Seine Haare waren grau, und einige Runzeln durch. zogen bereits seine Stirn; aber an Geist, Herz und Charakter war der Kapitän Dumesnil noch jugendlich frisch, und es war in der ganzen Garde vielleicht kein Unterlieutenant, der ihm an Frohsinn, Lebendigkeit und Sorglosigkeit gleichkam. In allen Leibesübungen, welche von dem Chevalier de la Graverie, oder vielmehr von den alten Stiftsdamen, die ihn erzogen, ganz vernachlässigt worden waren, hatte es der Kapitän Dumesnil zur Meisterschaft gebracht. Sein Mut war in der ganzen Armee bekannt.
Diese glänzenden Eigenschaften machten einen sehr tiefen Eindruck auf den Chevalier, eben weil er sie nicht besaß; ein solcher Freund, meinte er, würde in seinem etwas langweiligen Hause eine willkommene Zerstreuung bieten, zumal für Mathilde, die immer schweigsamer wurde. Er kam seinem neuen Bekannten daher so freundlich entgegen, wie ein Liebender dem Gegenstande seiner Wahl.
Nach einigen Stunden waren Beide schon so gute Freunde, dass Dumesnil die Einladung zum Diner für den folgenden Tag bereitwillig annahm.
Der Kapitän gehörte übrigens zu denen, die eine Einladung bei dem Teufel annehmen würden, wenn sie einen guten Braten und ein gutes Glas Wein zu erwarten hätten.
Der Chevalier de la Graverie war damals in einer der bedenklichsten Phasen des Ehelebens. Mathilde langweilte sich schon seit Monaten; bei Frauen von ihrem Temperament ist aber die Langweile der dem Fieber vorausgehende Schauer; die zweite Restauration war durch eine lange Reihe von geräuschvollen Festlichkeiten gefeiert worden; Mathilde war der Bälle und Schauspiele und des ganzen Treibens, in welchem d^s Herz keine Befriedigung findet, überdrüssig geworden; sie fand am Kokettieren, worauf es bei solchen Prunk festen doch hauptsächlich abgesehen ist, keinen Gefallen; sie fühlte die Leere in ihrem Herzen, und diese Leere war ihr unerträglich.
In ihrem Benehmen gegen Dieudonné blieb sie sich übrigens ziemlich gleich; durch Erziehung und Gewohnheit war sie eine aufmerksame, anspruchslose Hausfrau geworden, und wie auch der Lauf ihrer Gedanken war, so blieb sie doch immer die sorgsame, liebende Gattin; aber im Grunde wurde sie durch die melancholische Zärtlichkeit unangenehm berührt, und die schmachtenden Blicke, die sie ihm zuwarf, nahmen nach und nach den Ausdruck der Ungeduld und Verstimmung an, welche sich der Frauen von ihrem Temperament leicht bemächtigt wenn ihnen der Mann nicht den mindesten Grund zur Klage, und folglich auch keinen Vorwand bietet, sich zu revanchieren.
An demselben Tage, wo der Kapitän Dumesnil im Hause des Chevaliers erschien, machte der Baron zum ersten Male wieder einen Besuch und stellte seiner Schwägerin einen ihm sehr angelegentlich empfohlenen, Husarenlieutenant vor.
Dieser Husarenlieutenant war in der That ein sehr hübscher Offizier; schlank, gewandt, ungezwungen in Haltung und Benehmen; der sorgfältig kultivierte Schnurrbart fehlte natürlich nicht. Kurz, es war eine ganz tadellose Gliederpuppe, die wohl geeignet war, die goldenen Schnüre eines Dolmans zu tragen und eine Säbeltasche zu schleppen.
Es ist unglaublich, welchen Eindruck ein mit heiterer Laune verbundenes ungezwungenes Benehmen auf die Stimmung einer hübschen Frau machen kann. Von jenem Glückstage an, wo der Husarenlieutenant und der Gardekapitän das Haus des Chevalier de la Graverie besuchten, schien sich die Stimmung der Dame vom Hause zu bessern; die Blässe ihrer Wange schwand, um einer leichten Röte Platz zu machen; ihre Augen bekamen den verlorenen Glanz wieder; sie wurde