Pauline. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.um, gab mir mit der Hand ein Zeichen, und der Wagen verschwand.
Das Rollen der Chaise entfernte sich mehr und mehr, ohne jedoch diesmal von dem Gesange der Nachtigall unterbrochen zu werden. Umsonst wandte ich mich nach der Seite des Gebüsches und verweilte noch eine Stunde auf dem Altan; ich wartete vergebens! Tieftraurige Gedanken bemächtigten sich meiner; ich dachte mir, der Vogel, welcher soeben noch gesungen hatte, sei die Seele jener jungen Dame, die der Erde ihr Schwanenlied gesungen, und nun nicht mehr singe, weil sie bereits aufgestiegen gen Himmel!
Die bezaubernd schöne Lage des Gasthofes zwischen den Alpen, welche hier endigen, und Italien, welches hier beginnt, diese Gegend so still, und doch wieder so belebt durch den Iago maggiore mit seinen drei Inseln, deren eine einen Garten, die andere ein Dorf und die dritte einen Pallast trägt, dieser erste winterliche Schnee, welcher die Gipfel der Berge bedeckte, diese letzten warmen, herbstlichen Lufthauche, welche das mittelländische Meer entsandte, Alles dieses hielt mich acht Tage in Baveno zurück. Dann reiste ich nach Arona und von da nach Sesto Calende.
Hier erwartete mich eine letzte Erinnerung an Pauline; hier war der Stern erloschen, den ich hatte am Himmel vorüberziehen sehen, hier hatte der Fuß, der so flüchtig am Rande des Abgrundes dahin schritt, am Grabe gestrauchelt, und die verlorene Jugend, die verwelkte Schönheit, das gebrochene Herz deckte ein Stein. Dieser Schleier des Grabes, eben so Geheimnisvoll über den ganzen Körper gebreitet, als im Leben der Schleier nur das Gesicht verhüllt hatte, zeigte der Neugierde der Welt nichts als den Namen Pauline.
Ich ging, um dieses Grab zu sehen. Im Gegensatz zu den Gräbern Italiens, welche sich gewöhnlich in Kirchen befinden, erhob sich dieses in einem reizenden Garten, auf der Höhe eines mit Gebüsch bewachsenen Hügels, nach der Seite zu, welche die Aussicht nach dem See gewährt. Es war Abend; der Stein erglänzte in den Strahlen des Mondes, ich ließ mich an der Seite desselben nieder und strengte mein Gedächtniß an, noch ein Mal alle die zerstreuten und vorüberwogenden Erinnerungen an diese junge Dame zu sammeln. Aber auch dieß Mal war Alles vergebens. Ich konnte nichts finden als formlose Schatten, keine Gestalt mit festen Umrissen und entsagte endlich den weiteren Versuchen, in dieses Geheimnis einzudringen, bis ich Alfred von Nerval wieder sehen würdet
Man wird leicht begreifen, wie sehr sein unerwartetes Erscheinen in einem Augenblicke, wo ich seiner am wenigsten gedachte, meinen Geist und meine Einbildungskraft mit neuen Ideen erfüllte. In einem Nu schwebte mir Alles wieder vor meinen Gedanken vorüber: ich sah die Barke wieder, welche mir auf dem See entschlüpfte, die unterirdische Brücke, dem Vorhofe der Hölle ähnlich, wo die Reisenden wie Schatten erscheinen, das kleine Wirthshaus, an welchem der Sterbewagen vorüberfuhr, endlich den weißen Stein, auf welchem man beim Scheine des durch die Zweige von Orangen und Rosenlorbeeren schimmernden Mondes als einzige Grabschrift den Vornamen der jungen Dame liest, die so früh und wahrscheinlich sehr unglücklich starb.
Ich stürzte auf Alfred zu wie ein Mensch, der, lange in einem unterirdischen Gemache eingeschlossen, sich den Strahlen des Tageslichtes entgegen stürzt, die durch eine geöffnete Tür in seinen Kerker fallen. – Er lächelte traurig und reichte mir die Hand, zum Zeichen, daß er mich verstehe; ich zog mich jedoch schnell zurück und sammelte mich einigermaßen, damit Alfred, seit fünfzehn Jahren mein Freund, die Gefühle, welche mich so heftig zu ihm hinzogen, nicht als Bewegung einer bloßen Neugierde betrachte.
Alfred trat ein. Er war einer der besten Schüler des Herrn Grisier und seit drei Jahren nicht in seinem Fechtsaale erschienen. Das letzte Mal, als er da war, hatte er den folgenden Tag ein Duell zu bestehen, und noch ungewiß, mit welchen Waffen er sich schlagen solle, war er gekommen, sich mit dem Meister zu üben. Seit dieser Zeit hatte ihn Grisier nicht wieder gesehen, sondern nur erfahren, daß Alfred Frankreich verlassen habe und jetzt in London wohne.
Grisier, der auf die Ehre seiner Schüler wie auf die seinige hielt, hatte kaum die gebräuchlichen Begrüßungsformeln mit Nerval gewechselt, als er ihm auch schon ein Rappier in die Hand gab und unter den Anwesenden einen Gegner für ihn wählte, der ihm gewachsen war. So viel ich mich noch erinnere, war es der arme Labattut, der später nach Italien reiste, um in Pisa ein eben so unbekanntes als einsames Grab zu finden.
Beim dritten Gange stieß das Rappier Labattut's auf das Stichblatt der Waffe seines Gegners, zerbrach unter dem Knopfe und zerriß, die Parade durchdringend, den Hemdärmel Alfred's, der sich augenblicklich mit Blut färbte. Labattut warf sogleich sein Rappier weg, indem er, wie wir Übrigen glaubte, Alfred sei ernstlich verwundet.
Zum Glück war es nur ein leichter Riß; allein beim Aufstreifen des Hemdärmels ließ uns Alfred die Narbe einer andern, weit gefährlicheren Wunde bemerken; eine Pistolenkugel hatte die Muskeln der Schulter durchdrungen.
Siehe da, rief Grisier voll Erstaunen, das ist ja eine Wunde, von welcher ich bisher noch nichts wußte!
Grisier kannte uns nämlich so genau, wie eine Amme ihr Kind. Keiner seiner Schüler hatte eine Verletzung am Körper, deren Zeit und Ursache er nicht kannte. Er könnte eine sehr interessante, aber auch sehr anstößige Geschichte von Liebesabenteuern schreiben, wenn er die der ihm bekannten Degenstöße und dessen, was ihnen vorherging, erzählen wollte. Allein das würde zu viel Aufsehen erregen und als Gegenwirkung seinem Amte viel schaden; er wird jedoch seine Memoiren hinterlassen.
Ich erhielt sie, sagte Alfred, nach dem Tage, an welchem ich zum letzten Male mit Ihnen focht, und denselben Tag, an dem ich sie empfing, reiste ich nach England ab.
Ich habe Ihnen wohl gesagt, daß Sie sich nicht auf Pistolen schlagen möchten. Es ist ein angenommener Satz: der Degen ist die Waffe des Tapfern und des Edelmanns; er ist die werthvollste Reliquie, welche die Geschichte von großen, dem Vaterlande zum Ruhme gereichenden Männern aufbewahrt. Man spricht vom Degen Karl's des Großen, vom Degen Bayard's, vom Degen Napoleons, aber wer hat je von ihren Pistolen gesprochen? Die Pistole ist die Waffe des Räubers, mit der Pistole auf die Brust läßt man falsche Wechsel unterschreiben, mit der Pistole in der Hand hält man Postwagen an einer Waldecke an, mit der Pistole schießt sich der Banqueroutier die Kugel durch den Kopf. . . die Pistole! Pfui. . . ich lobe mir den Degen! Er ist der Begleiter, der Vertraute des Mannes; er beschützt seine Ehre oder rächt sie.
Alles gut, erwiderte Alfred, aber warum haben Sie selbst sich vor zwei Jahren gegen Ihre Überzeugung auf Pistolen geschlagen?
Bei mir ist das eine andere Sache, ich mußte mich auf jede Waffe schlagen, die man will, ich bin Fechtmeister, und überdieß giebt es Lagen, in denen wir die Bedingungen nicht ablehnen können, die uns auferlegt werden.
Nun wohl, ich bin in der nämlichen Lage gewesen, mein lieber Grisier, und Sie sehen, daß ich mich nicht schlecht aus derselben gezogen habe.
Ja, mit einer Kugel in der Schulter!
Immer besser, als eine Kugel im Herzen!
Und darf man die Ursache dieses Duells wissen?
Verzeihen Sie, mein lieber Grisier, die ganze Geschichte ist noch ein Geheimnis, später jedoch sollen Sie dieselbe erfahren.
Pauline?. . . fragte ich ihn leise.
Ja, erwiderte er.
Wir erfahren sie also gewiß? fragte Grisier. . . .
Ganz gewiß, versicherte Alfred, zum Beweise, daß ich mein Versprechen erfüllen werde, bitte ich Alfred, mich zum Abendessen zu begleiten, um sie ihm diesen Abend noch zu erzählen, damit Sie dieselbe einst, wenn ihr Kundwerden keinen der dabei Betheiligten mehr unangenehm berührt, in einem Bändchen, betitelt »Braune Erzählungen, oder »Blaue Erzählungen, selbst lesen können. Geduldigen Sie sich also bis dorthin.
Grisier mußte sich demnach fügen. Alfred führte mich mit sich zum Abendessen, wie er mir angeboten hatte, und erzählte mir dann die Geschichte Paulinens.
Jetzt ist jedes Hindernis ihres Erscheinens verschwunden. Die Mutter Paulinens ist gestorben und mit ihr erlosch die Familie und der Name dieses unglücklichen Kindes, deren Abenteuer einer Zeitepoche und einer Lokalität entnommen scheinen, die weit von der entfernt sind, in welcher wir jetzt leben.
II
Du weist, begann Alfred, daß ich mich der Malerkunst befleißigte, bevor mein braver Onkel starb und mir