Helene. Иван Тургенев

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Helene - Иван Тургенев


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nichts. Redseligkeit war überhaupt nicht Berßenjew‘s schwache Seite, Helene- und wenn er sprach, drückte er sich nicht in üblicher Weise aus; er stockte und gesticulirte ohne Noth mit den Händen; jetzt aber war ein besonderes Schweigen über ihn gekommen, ein Schweigen, das als Ermattung und Melancholie gedeutet werden konnte. Nach langer und schwerer Arbeit, die viele Stunden des Tages in Anspruch genommen hatte, war er, nicht weit von der Stadt, aufs Land gezogen. Die Unthätigkeit, die wonnige reine Luft, das Bewußtsein, ein Ziel erreicht zu haben, das offene ungezwungene Gespräch mit dem Freunde, das plötzlich hervorgerufene Bild eines lieben Wesens, alle diese verschiedenartigen und dabei einander doch ähnlichen Eindrücke verschwammen bei ihm zu einem allgemeinen Gefühle, das ihn zugleich beruhigte, aufregte und erschlaffte . . . Er war ein überaus empfindsamer junger Mann.

      Unter der Linde war es kühl und still; die Fliegen und Bienen, die in den Schattenkreis derselben hineingeriethen, summten, wie es schien, leiser; das reine, kurze, smaragdgrüne Gras schillerte nicht in goldigen Uebergängen und bewegte sich nicht; wie von einem Zauber berührt ragten die längeren Halme regungslos empor, und wie von einem Zauber berührt und leblos hingen auch an den unteren Zweigen der Linde gelbe Blüthenbüschel herab. Mit Wonne sog jeder Athemzug den lieblichen Duft tief ein. In der Ferne« jenseits des Flusses, bis an den Horizont stand Alles in Glanz und Gluth; zuweilen strich ein Luftzug darüber hinweg und zertheilte und vervielfältigte den Glanzschimmer; ein strahlender Dunst zitterte über dem Boden. Kein Vogel ließ sich hören – während der heißen Mittagsstunden singen die Vögel nicht – doch rings umher zirpten Grillen und im kühlenden Schatten ruhend, hörte sich dieser geschäftige Lebensruf mit Vergnügen an: er schläferte ein und rief die Phantasie wach.

      – Hast Du bemerkt« begann plötzlich Berßenjew, indem er mit Gesticuliren seiner Rede nachhalf, welch’ ein eigenthümliches Gefühl die Natur in uns erweckt? Alles in ihr ist so vollendet, so klar, ich möchte sagen, so selbstgenügsam; wir sehen es und freuen uns daran und doch erweckt sie dabei immer, wenigstens in mir, eine gewisse Unruhe, eine unbestimmte Angst, ja sogar Schwermuth. Woher kommt das wohl? Wäre es etwa, weil wir bei ihrem Anblicke, Angesichts derselben, uns unserer Unvollkommenheit, unserer Unklarheit bewußt werden, oder ist das, was ihr genügt, zu wenig, um uns zu befriedigen und fehlt es ihr an Anderem, das heißt an dem, was uns Noth thut?

      – Hm, erwiederte Schubin, ich will Dir, Andrei Petrowitsch, sagen, woher das kommt. Du hast die Eindrücke eines einsamen Mannes beschrieben, der nicht lebt, sondern vor sich hinstiert und in sich selbst zerfließt. Was nützt das bloße Gassen? Fange zu leben an und Du wirst ein ganzer Kerl werden. Klopfe so viel Du willst an das Thor der Natur, sie wird Dir nicht antworten, weil sie stumm ist. Sie wird tönen und jammern wie eine Darmsaite, auf Lieder warte nicht. Eine lebende Seele – die wird Dir Antwort geben, und vor Allem die Seele eines Weibes. Und darum, mein edler Freund, rathe ich Dir, Dich nach einer Gefährtin des Herzens umzusehen, und alle schwermüthigen Empfindungen werden sofort bei Dir verschwinden. Das ist es, was uns »Noth thut« wie Du sagtest. Diese Angst, diese Schwermuth, das ist ja Alles, wahrhaftig, in seiner Art, eine Hungersnoth. Gieb dem Magen die angemessene Speise und Alles wird bald in Ordnung sein. Nimm Deine Stelle im Weltraume ein, werde ein lebender Körper, mein Bester. Und was ist denn, was nützt denn, die »Natur?« Höre auf das Wort: Liebe . . . welch’ ein mächtiges, glühendes Wort! Natur . . . was für ein kalter, schülerhafter Ausdruck! Und darum (Schubin sagte es singend): Es lebe Maria Petrowna; oder nein« setzte er hinzu, nicht Maria Petrowna; nun das bleibt sich ganz gleicht Vous me comprenez!

      Berßenjew erhob sich ein wenig und stützte sein Kinn aus die gekreuzten Arme.

      – Wozu der Scherz, sagte er, ohne den Gefährten anzusehen, wozu der Spott? Ja, Du hast Recht: Liebe . . . ist ein großes Wort, ein großes Gefühl . . . Von welcher Liebe aber sprichst Du?

      Schubin richtete sich gleichfalls etwas auf.

      – Von welcher Liebe? Von welcher Dir beliebt, sie muß aber da sein. Offen gestanden, giebt es, meiner Ansicht nach, keine verschiedenen Gattungen von Liebe. Wenn Du wirklich liebst . . .

      – Von ganzer Seele, warf Berßenjew ein.

      – Nun ja, das versteht sich von selbst: die Seele ist kein Apfel; man kann sie nicht in Theile zerlegen. Wenn Du also liebst, hast Du auch Recht. Spotten wollte ich aber nicht. Mein Herz ist jetzt so zärtlich, so weich gestimmt . . . Ich wollte blos erklären, warum die Natur, wie Du sagtest, einen solchen Eindruck aus uns hervorbringt. Das kommt, weil sie in uns das Bedürfniß der Liebe erregt und nicht im Stande ist, es zu befriedigen. Sie drängt uns sanft in andere, lebendige Umarmung und wir verstehen sie nicht und erwarten von ihr selbst etwas Besonderes. Ach, Andrei, Andrei, schön ist diese Sonne, dieser Himmel, Alles, Alles um uns her ist so herrlich und Du trauerst; wenn Du aber in diesem Augenblicke in Deiner Hand die Hand eines geliebten Weibes hieltest, wenn diese Hand und das ganze Weib Dein wären, und wenn Du dazu noch mit ihren Augen sähest, nicht mit eigenem, isolirtem Gefühle, sondern mit ihrem Gefühle fühltest . . . o Andrei, nicht Schwermuth, nicht Angst erregte dann die Natur in Dir und für ihre Schönheiten hättest Du kein Auge; sie selbst würde frohlocken und jubeln, sie würde Deine Hymne mit ihrem Gesang begleiten, denn Du hättest ihr, der Stummen, die Sprache gegeben.

      Schubin sprang auf und ging einige Mal auf und ab, Berßenjew seinerseits senkte den Kopf und sein Gesicht röthete sich leicht.

      – Ich bin nicht ganz mit Dir einverstanden, begann er, nicht immer weist die Natur auf . . . Liebe hin. (Dieses Wort kam nicht sogleich aus seinem Munde.) Sie droht uns auch, sie mahnt uns an schreckliche . . . ja an unergründliche Geheimnisse. Ist sie es nicht, die uns verschlingen soll, die uns fortwährend verschlingt? an ihr ist Leben und Tod; aus ihr redet ebenso laut Tod wie Leben.

      – Auch in der Liebe ist Leben und Tod, unterbrach ihn Schubin.

      – Und dann, fuhr Berßenjew fort, wenn ich zum Beispiel im Frühling in einem Walde, im Dickicht des Grüns mich befinde und mir däucht, ich höre die romantischen Töne von Oberon‘s Horn (Berßenjew empfand etwas wie Scham, als er diese Worte vorbrachte), wäre das wohl . . .

      – Liebessehnen, Sehnen nach Glück, weiter nichts! warf Schubin ein. Auch mir sind jene Töne, jene Rührung, jene Erwartung bekannt, die im Schatten des Waldes, in dessen tiefstem Dickicht, oder auch wohl Abends auf freiem Felde, wenn die Sonne sich neigt und hinter dem Röhricht Nebel vom Flusse aufsteigen, die Seele beschleichen. Aber auch vom Walde, wie vom Flusse, von der Erde, wie vom Himmel, von jedem Wölkchen, jedem Grashalme erwarte und fordere ich Glück, ich spüre in Allem dessen Herannahen, überall höre ich sein Rufen. »Mein Gott, mein Gott ist licht und heiter!« Das war der Anfang eines Gedichtes von mir; Du wirst gestehen, der Vers ist schön, den folgenden habe ich aber nicht dazu finden können. Glück!s Glück! so lange das Leben noch nicht abgelaufen ist, so lange wir noch alle unsere Glieder in unserer Gewalt haben, so lange es mit uns nicht bergab, sondern bergan geht! Hol‘s der Kukuk! fuhr Schubin in einem plötzlichen Anfalle von Begeisterung fort; wir sind jung, nicht mißgestaltet, nicht auf den Kopf gefallen: wir wollen uns das Glück erobern!

      Er schüttelte die Locken und blickte selbstbewußt und fast herausfordernd gen Himmel. Berßenjew erhob die Augen zu ihm.

      – Als ob es nichts Höheres gäbe, als Glück! sagte er ruhig.

      – Was denn zum Beispiel? fragte Schubin und blieb stehen.

      – Nun, wir sind Beide, wie Du sagst, jung, ehrliche Männer, so zu sagen; Jeder von uns wünscht für sich Glück . . . Ist aber wohl dieser Begriff: »Glück« solcher Art, daß er uns Beide vereinigen, begeistern und zwingen könnte, einander die Hand zu bieten? Ist er nicht ein selbstsüchtiger, ich will sagen, ein trennender Begriff?

      – Du kennst also wohl Begriffe, die vereinigen?

      – Gewiß, und es sind deren nicht wenig; auch Du kennst sie.

      – Wohlan denn, nenne mir diese Begriffe.

      – Nun zum Beispiel, Kunst – da Du gerade Künstler bist – Heimath, Wissenschaft, Freiheit, Gerechtigkeit.

      – Und Liebe? fragte Schubin.

      – Auch Liebe ist ein vereinigender Begriff; aber nicht jene Liebe, nach


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