Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма

Читать онлайн книгу.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма


Скачать книгу
fünfte Haupt blieb stumm und unbeweglich; es war, als hätte es die Stimme des Unbekannten in Stein verwandelt.

      »Und mir,« versetzte das sechste Haupt, den Worten des Unbekannten, der es zu vergessen schien, entgegenkommend, »und mir hast Du nichts zu sagen?«

      »Doch,« antwortete der Reisende, indem er einen von jenen durchdringenden Blicken, welche die Herzen ergründen, auf ihn heftete, »doch, ich habe Dir zu sagen, was Jesus zu Judas gesagt hat, und werde es Dir auch sogleich sagen.«

      Derjenige, zu welchem er sprach, wurde weißer als sein Leichentuch, während ein die ganze Versammlung durchlaufendes Gemurmel von dem Fremden Rechenschaft über diese sonderbare Anschuldigung zu fordern schien.

      »Du vergißt den Vertreter von Frankreich,« sagte der Präsident.

      »Dieser ist nicht unter uns,« antwortete stolz der Fremde, »und Du weißt es wohl, Du, der Du sprichst, da sein Sitz hier leer ist. Erinnere Dich nun, daß die Fallen denjenigen lächeln machen, welcher in der Finsterniß sieht, welcher trotz der Elemente handelt und trotz des Todes lebt.«

      »Du bist jung,« entgegnete der Präsident, »und Du sprichst mit dem Ansehen eines Gottes. Bedenke ebenfalls, die Kühnheit betäubt nur die unentschlossenen oder unwissenden Menschen.«

      Ein Lächeln erhabener Verachtung trat auf die Lippen des Fremden und er sprach:

      »Ihr seid insgesammt unentschlossen, da Ihr nicht auf mich zu wirken vermöget; Ihr seit insgesammt unwissend, da Ihr nicht wißt, wer ich bin, während ich weiß, wer Ihr seid; ich werde also bei Euch mit der Kühnheit allein siegen; doch wozu dient die Kühnheit demjenigen, welcher allmächtig ist?«

      »Die Probe dieser Macht,« rief der Präsident; »gebt uns die Probe.«

      »Wer hat Euch zusammenberufen?« sprach der Unbekannte, von der Rolle des Befragten zu der des Fragenden übergehend.

      »Nicht ohne Zweck,« sagte der Fremde, sich an den Präsidenten und die fünf Häupter wendend, »nicht ohne Zweck seid Ihr gekommen, Ihr von Schweden, Ihr von London, Ihr von New-York, Ihr von Zürich, Ihr von Madrid, Ihr Alle endlich,« fuhr er sich an die Menge wendend fort, »nicht ohne Zweck seid Ihr von den vier Welttheilen gekommen, um Euch in dem Allerheiligsten des furchtbaren Glaubens zu versammeln.«

      »Allerdings nicht,« antwortete der Präsident, »wir kommen demjenigen entgegen, welcher ein geheimnißvolles Reich im Orient gegründet, die zwei Hemisphären in einer Gemeinschaft des Glaubens vereinigt und die brüderlichen Hände des Menschengeschlechts mit einander verschlungen hat.«

      »Gibt es ein gewisses Zeichen, an welchem Ihr ihn zu erkennen im Stande seid?«

      »Ja,« sprach der Präsident, »und Gott hat die Gnade gehabt, es mir durch die Vermittelung seiner Engel zu enthüllen.«

      »Also kennt Ihr allein dieses Zeichen?«

      »Ich allein kenne es.«

      »Ihr habt dieses Zeichen Niemand enthüllt?«

      »Niemand in der Welt.«

      »Nennt es ganz laut.«

      Der Präsident zögerte.

      »Nennt es,« wiederholte der Fremde mit befehlendem Tone, »nennt es, denn der Augenblick der Offenbarung ist gekommen.«

      Der Präsident antwortete:

      »Er wird auf seiner Brust einen diamantenen Stern tragen, und auf diesem Stern werden die drei ersten Buchstaben eines nur ihm allein bekannten Wahlspruches funkeln.«

      »Wie heißen diese drei Buchstaben?«

      »L. P. D.«

      Der Fremde schob mit einer raschen Bewegung seinen Rock und seine Weste auf die Seite, und auf seinem Hemde von seinem Batist erschien glänzend wie ein flammendes Gestirn der diamantene Stern und auf diesem funkelten die drei Buchstaben in Rubin.

      »Er!!« rief der Präsident erschrocken; »sollte er es sein?«

      »Derjenige, welchen die Welt erwartet?« fragten ängstlich die Häupter.

      »Der Großkophta?« murmelten dreihundert Stimmen.

      »Nun!« rief der Fremde mit dem Ausdrucke des Triumphes, »werdet Ihr mir nun glauben, wenn ich Euch zum zweiten Male wiederhole: Ich bin, der ich bin.«

      »Ja,« sagten die Gespenster sich niederwerfend.

      »Sprecht, Meister,« riefen der Präsident und die fünf Häupter; »sprecht, und wir werden gehorchen.«

       III.

      L. P. D

      Es trat ein Stillschweigen von einigen Sekunden ein; der Unbekannte schien mittlerweile seine Gedanken zu sammeln und sprach sodann:

      »Meine edle Herren, Ihr könnt die Schwerter ablegen, welche Eure Arme unnöthig ermüden, und mir ein aufmerksames Ohr schenken, denn Ihr werdet viel in den wenigen Worten zu lernen haben, die ich an Euch richte.«

      Die Aufmerksamkeit verdoppelte sich.

      »Die Quelle der großen Flüsse ist beinahe immer göttlich und deshalb unbekannt; wie der Nil, wie der Ganges, wie der Amazonenfluß, weiß ich, wohin ich gehe, aber ich weiß nicht woher ich komme! Ich erinnere mich nur, daß ich mich an dem Tage, wo sich die Augen meiner Seele der Auffassung äußerer Gegenstände erschlossen, in Medina, der heiligen Stadt, befand und in den Gärten des Mufti Salaaym umher lief. Dies war ein ehrwürdiger Greis, den ich wie meinen Vater liebte, der jedoch nicht mein Vater war; denn wenn er mich voll Zärtlichkeit anschaute, so sprach er doch nur mit Ehrfurcht zu mir; dreimal des Tags entfernte er sich, um einen andern Greis zu mir gelangen zu lassen, dessen Namen ich nie anders als mit einer Ehrfurcht ausspreche, in welche sich Dankbarkeit mischt.

      Dieser ehrwürdige Greis, ein erhabener Behälter aller menschlichen Wissenschaften, unterrichtet durch die sieben höchsten Geister in Allem, was die Engel lernen, um Gott zu begreifen, heißt Althotas; er wurde mein Erzieher, mein Lehrer; er ist noch mein Freund, ein ehrwürdiger Freund, denn er hat zweimal das Alter des Aeltesten unter Euch.«

      Diese feierliche Sprache, diese majestätischen Geberden, dieser salbungsreiche und zugleich strenge Ton brachten auf die Versammlung einen von jenen Eindrücken hervor, welche sich in langen Schauern der Beklemmung auflösen.

      »Als ich mein fünfzehntes Jahr erreichte, war ich bereits in die bedeutendsten Geheimnisse der Natur eingeweiht. Ich kannte die Botanik, nicht die enge Wissenschaft, welche jeder Gelehrte auf das Studium des Winkels der Welt, den er bewohnt, beschränkt, sondern ich kannte die sechzigtausend Pflanzenfamilien, welche auf der ganzen Welt vegetiren. Ich wußte, wenn mich mein Lehrer dazu zwang, indem er mir die Hände auf die Stirne legte und in meine geschlossenen Augen einen Strahl des himmlischen Lichtes fallen ließ, ich wußte durch eine, beinahe übernatürliche Betrachtung meinen Blick unter die Wellen des Meeres zu tauchen und die ungestalten, unbeschreibbaren Vegetationen zu klassificiren, welche zwischen den zwei Lagern schlammigen Wassers dumpf schwimmen und sich schaukeln und mit ihren riesigen Zweigen die Wiege aller der häßlichen und beinahe formlosen Ungeheuer bedecken, welche das Gesicht des Menschen nie erschaut hat und die Gott seit dem Tage, wo aufrührerische Engel seine einen Augenblick besiegte Macht sie zu schaffen zwangen, vergessen haben muß.

      Ich hatte mich überdies den todten und den lebendigen Sprachen gewidmet. Ich kenne alle Idiome, welche man von der, Meerenge der Dardanellen bis zur Meerenge von Magelhaens spricht. Ich las die geheimnißvollen Hieroglyphen geschrieben auf jene Granitbücher, die man die Pyramiden nennt. Ich umfaßte alle menschliche Wissenschaften von Sanchuniathon bis Sokrates, von Moses bis auf den heiligen Hieronymus, von Zoroaster bis Agrippa.

      Ich studirte die Medicin, nicht allein im Hippokrates, im Galien, im Averrhoes, sondern auch in dem großen Meister, den man die Natur nennt. Ich erlauschte die Geheimnisse der Kophten und Drusen Ich sammelte den unheilvollen und den glücklichen Samen. Ich konnte, wenn der Samum und der Orkan über mein Haupt hinzogen, ihrem Hauche unbekannte Körner anvertrauen, welche fern von mir den Tod oder das Leben trugen, je nachdem ich die Gegend, nach welcher ich mein zorniges oder lächelndes Gesicht wandte, gesegnet oder


Скачать книгу