Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.that, um sich blickte, so sah ich ein, daß es weder einer der Assistenten, noch der Kirchendiener, noch der Sänger, noch irgend einer der Pfarrgehülfen der Kirche, sondern irgend ein Eingedrungener wäre, der sich in einer bösen Absicht da befände.
Der nächtliche Besucher ging nach dem Chore. Dort angelangt blieb er stehen, und nach Verlauf eines Augenblickes hörte ich das Anschlagen eines Stahles an einen Feuerstein; ich sah einen Funken knistern, ein Stück Schwamm entzündete sich, und ein Schwefelholz heftete sein unstätes Licht an eine auf dem Altare stehende Kerze.
Bei dem Scheine dieser Kerze konnte ich nun einen Mann von mittlerer Größe sehen, der in seinem Gürtel zwei Pistolen und einen Dolch trug, mit eher spöttischem als schrecklichem Gesicht, und der, indem er einen forschenden Blick in dem ganzen von der Kerze erleuchteten Kreise herumwarf, durch diese Untersuchung vollkommen beruhigt schien.
Dem zu Folge zog er aus seiner Tasche, nicht ein Bund Schlüssel, sondern ein Bund jener Werkzeuge, die dazu bestimmt sind, sie zu ersetzen, und die man Rossignols Dietriche nennt, ohne Zweifel nach dem Namen jenes berühmten Rossignol, der sich rühmte, den Schlüssel zu jeder Zeichenschrift gefunden zu haben. – Mit Hilfe eines dieser Werkzeuge schloß er den Tabernakel auf, indem er zuerst das heilige Ciborium herausnahm, eine prachtvolle Schaale von altem unter Heinrich II, cisilirten Silber, dann eine massive Monstranz, welche der Stadt von Maria Antoinette geschenkt worden war, dann endlich zwei Kännchen von vergoldetem Silber.
Da das Alles war, was das Tabernakel enthielt, so verschloß er ihn wieder sorgfältig und kniete nieder um den untern Theil des Altares aufzuschließen, der zum Reliquienkästchen diente.
Der untere Theil des Altares enthielt ein Muttergottesbild von Wachs mit einer Krone von Gold und Diamanten, das mit einem ganz von Edelsteinen gestickten Kleide angethan war.
Nach Verlauf von fünf Minuten war das Reliquienkästchen, dessen Wände von Glas der Dieb übrigens hätte zerbrechen können, wie das Tabernakel mit Hilfe eines Nachschlüssels geöffnet, und er schickte sich an, das Kleid und die Krone der Monstranz, den Kännchen und dem heiligen Ciborium hinzuzufügen, als ich, indem ich nicht wollte, daß ein solcher Diebstahl vor sich ginge, den Beichtstuhl verließ und auf den Altar zuschritt.
Das Geräusch, welches ich verursachte, indem ich die Thüre aufmachte, ließ den Dieb sich umwenden. Er neigte sich nach meiner Seite und versuchte seinen Blick in die ferne Dunkelheit der Kirche zu senken; aber der Beichtstuhl war außer dem Bereiche des Lichtes, so daß er mich erst wirklich sah, als ich in den durch die zitternde Flamme der Kerze erleuchteten Kreis trat.
Als er einen Mann erblickte, lehnte sich der Dieb gegen den Altar, zog eine Pistole ans seinem Gürtel und richtete sie auf mich.
Aber an meinem langen schwarzen Gewande konnte er bald sehen, daß ich nur ein einfacher friedlicher Priester wäre, und als ganzen Schutz nur den Glauben, als ganze Waffe nur das Wort hätte.
Trotz der Drohung der gegen mich gerichteten Pistole schritt ich bis an die Stufen des Altares vor. Ich fühlte, daß, wenn er auf mich schösse, die Pistole entweder versagen, oder die Kugel abweichen würde; ich hatte die Hand auf meiner Medaille, und ich fühlte mich ganz durch die heilige Liebe der Mutter Gottes gedeckt.
Diese Ruhe des armen Pfarrverwesers schien den Räuber zu erschüttern.
– Was wollen Sie? sagte er zu mir mit einer Stimme, die er beherzt zu machen sich bemühte.
– Sie sind Artifaille? sagte ich zu ihm.
– Bei Gott, antwortete er, wer würde es denn sonst wagen, allein in eine Kirche zu dringen, wie ich es thue. wenn ich es nicht wäre.
– Armer verhärteter Sünder, der Du stolz auf Dein Verbrechen bist, sagte ich zu ihm, begreifst Du denn nicht, daß Du bei dem Spiele, das Du spielst, nicht allein Deinen Leib, sondern auch noch Deine Seele in's Verderben stürzest?
– Bah! sagte er, was meinen Leib anbetrifft, so habe ich ihn bereits so viele Male gerettet, daß ich gute Hoffnung habe ihn ferner zu retten, und, was meine Seele anbetrifft. . .
– Nun denn! Was Deine Seele anbetrifft?
– Das geht meine Frau an; sie ist fromm für zwei, und sie wird meine Seele zugleich mit der ihrigen retten.
– Sie haben Recht, Ihre Frau ist eine fromme Frau, mein Freund, und sie würde zuverlässig vor Schmerz sterben, wenn sie erführe, daß Sie das Verbrechen vollbracht hätten, das Sie auszuführen im Begriffe standen.
– O, o! Sie glauben, daß sie vor Schmerz sterben würde, meine arme Frau?
– Ich bin davon überzeugt.
– Ei! Ich werde also Wittwer werden, fuhr der Räuber fort, indem er in Gelächter ausbrach und die Hände nach den heiligen Gefäßen ausstreckte.
Aber ich ging die drei Stufen des Altares hinauf und hielt ihm den Arm zurück.
– Nein, sagte ich zu ihm, denn Sie werden diesen Kirchenraub nicht begehen.
– Und wer wird mich davon abhalten?
– Ich.
– Mit Gewalt?
– Nein, durch Ueberredung. Gott hat seine Diener nicht auf die Erde gesandt, damit sie Gewalt anwenden sollen, was eine menschliche Sache ist, sondern die Ueberredung, die eine himmlische Kraft ist. Mein Freund, nicht wegen der Kirche, welche sich andere Gefäße verschaffen kann, sondern wegen Ihrer, der Sie Ihre Sünden nicht zurückkaufen können, geschieht es. Mein Freund, Sie werden diesen Kirchenraub nicht begehen.
– Oh so! Sie glauben also, daß es der erste ist, mein wackerer Mann?
– Nein, ich weiß, daß es der zehnte, der zwanzigste, der dreißigste vielleicht ist; aber was liegt daran? Bis hierher waren Ihre Augen verschlossen, Ihre Augen werden sich heute Abend öffnen, das ist Alles. Haben Sie nicht sagen hören, daß es einen Mann Namens Soul gab, welcher die Mäntel derer hielt, die den heiligen Stephan steinigten? Nun denn! Dieser Mann hatte die Augen mit Schuppen bedeckt, wie er es selbst sagt; eines Tages fielen die Schuppen von seinen Augen; er sah und er wurde der heilige Paulus.
– Sagen Sie mir doch, Herr Abbé, ist der heilige Paulus nicht gehängt worden?
– Ja.
– Nun denn! Wozu hat es ihm denn genützt, zu sehen?
– Es hat ihm dazu genützt, überzeugt zu werden, daß das Heil zuweilen in der Marter liegt. Jetzt hat der heilige Paulus einen verehrten Namen auf der Erde zurückgelassen, und genießt die ewige Glückseligkeit im Himmel.
– In welchem Alter ist es dem heiligen Paulus begegnet, zu sehen?
– Mit fünf und dreißig Jahren.
– Ich bin über das Alter hinaus; ich bin vierzig Jahre alt.
– Es ist immer Zeit, seine Sünden.zu bereuen. – Jesus sagte an dem Kreuze zu dem bösen Schacher: Ein Wort des Gebetes, und ich rette Dich.
– Ah so! Du hältst also sehr auf Dein Silberzeug? sagte der Räuber, indem er mich anblickte.
– Nein. Ich halte auf Deine Seele, die ich retten will.
– Auf meine Seele! – Du willst mir das aufbinden; Du machst Dich nicht übel lustig.
– Willst Du, daß ich Dir beweise, daß es Deine Seele ist, auf welche ich halte? – sagte ich zu ihm.
– Ja, gib mir diesen Beweis, – Du wirst mir Vergnügen machen.
– Wie hoch schätzest Du den Diebstahl, den Du heute Nacht begehen willst?
– Ei, ei! äußerte der Räuber, indem er die Kännchen, den Kelch, die Monstranz und das Kleid der Jungfrau wohlgefällig anblickte, auf Tausend Thaler.
– Auf Tausend Thaler?
– Ich weiß wohl, daß sie das Doppelte werth sind, aber ich werde zum Mindesten zwei Drittheile daran verlieren müssen; diese verteufelten Juden sind so große Spitzbuben!
– Komm zu mir.
– Zu Dir?
– Ja,