Zwanzig Jahre nachher. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.seine Ciquetterie jünger als seine wirklichen Lebensjahre. Bei Rochefort war es ein Anderes, die fünf Jahre, die er im Gefängnisse zubrachte, hatten diesen Freund von Herrn von Richelieu sehr alt gemacht. Seine schwarzen Haare waren ganz weiß geworden und die Bronzefarbe seiner Gesichtshaut hatte einer Blässe, welche Erschöpfung zu sein schien, Platz gemacht.
Bei seinem Anblick schüttelte Mazarin unmerklich den Kopf mit einer Miene, welche wohl sagen wollte:
»Dieser Mensch scheint mir nicht mehr zu großen Dingen zu taugen.«
Nach einem Stillschweigen, das in der That ziemlich lang währte, Rochefort aber wie ein Jahrhundert vorkam, zog Mazarin aus einem Stoß Papiere einen offenen Brief hervor, zeigte ihn dem Edelmann und sagte:
»Ich habe hier einen Brief gefunden, worin Ihr um Eure Freiheit nachsucht, Herr von Rochefort. Ihr seid also im Gefängniß?«
Rochefort bebte bei dieser Frage.
»Es scheint mir, Euere Eminenz wußte das besser, als irgend Jemand.«
»Ich? keineswegs. Es sind daselbst noch eine Menge von Gefangenen aus der Zeit von Herrn von Richelieu, deren Namen ich nicht einmal weiß.«
»Wohl, doch bei mir ist es etwas Anderes, Monseigneur, und Ihr wußtet den, meinigen, denn auf einen Befehl von Eurer Eminenz bin ich von dem Chatelet nach der Bastille gebracht worden.«
»Ihr glaubt?«
»Ich weiß es gewiß-«
»Ja, in der That, ich glaube mich dessen zu erinnern. Habt Ihr Euch damals nicht geweigert, für die Königin eine Reise nach Brüssel zu machend?«
»Ah! ah!« sprach Rochefort, »das ist also die wahre Ursache. Ich suche sie seit fünf Jahren. Dummkopf, der ich bin, daß ich sie nicht gefunden habe.«
»Ich sage nicht, daß dies die Ursache Eurer Verhaftung ist. Verstehen wir uns recht, ich stelle die Frage an Euch, und nicht mehr: Habt Ihr Euch nicht geweigert, im Dienste der Königin nach Brüssel zu gehen, während Ihr einwilligtet, Euch im Dienste des verstorbenen Cardinals dahin zu begeben?«
»Gerade weil ich im Dienste des verstorbenen Cardinals dort gewesen bin, konnte ich nicht in dem der Königin dahin zurückkehren. Ich war in Brüssel in einer, furchtbaren Angelegenheit. Es geschah zur Zeit der Verschwörung von Chalais, und ich hatte mich dahin begeben, um die Correspondenz von Chalais mit dem Erzherzog zu erwischen und schon damals wäre ich, als man mich erkannte, beinahe in Stücke zerrissen worden. Ich hätte die Königin zu Grund gerichtet, statt ihr zu dienen.«
»Ihr seht hieraus, mein lieber, Herr von Rochefort, wie die besten Absichten oft schlecht ausgelegt werden. Die Königin hat in Eurer Weigerung nichts Anderes gesehen, als eine einfache Weigerung. Ihre Majestät die Königin hatte sich unter dem verstorbenen Cardinal seht über Euch zu beklagen.«
Rochefort lächelte verächtlich.
»Gerade weil ich dem Herrn Cardinal von Richelieu gut gegen die Königin gedient hatte, mußtet Ihr, da er todt war, Monseigneur, begreifen, dass ich Euch gegen die ganze Welt gut bedienen würde.
»Ich, Herr von Rochefort?« sagte Mazarin, »ich bin nicht wie Herr von Richelieu«, der auf die Allmacht abzielte. Ich bin ein einfacher Minister, der keiner Diener bedarf, insofern ich der der Königin bin. Ihre Majestät aber ist sehr empfindlich, sie wird Eure Weigerung erfahren und sie für eine Kriegserklärung gehalten haben, und da sie wußte, daß Ihr ein Mann von höheren Eigenschaften und folglich sehr gefährlich seid, mein lieber Herr von Rochefort, so hat sie mir wohl den Befehl gegeben, mich Eurer zu versichern. Auf diese Art befindet Ihr Euch in der Bastille.«
»Gut, Monseigneur,« sagte Rochefort, »es scheint mir, wenn ich in Folge eines Irrthums in der Bastille sitze …«
»Ja, ja,« versetzte Mazarin, »allerdings, das läßt sich ordnen, Ihr seid ein Mann, um gewisse Angelegenheiten zu begreifen, und wenn Ihr sie einmal begriffen habt, sie gut zu betreiben.«
»Das war die Meinung des Herrn Cardinal von Richelieu, und meine Bewunderung für diesen großen Mann vermehrt sich noch dadurch, daß Ihr die Güte habt, mir zu sagen, es sei auch die Eurige.
»Das ist wahr, versetzte Mazarin. »Der Herr Cardinal hatte viel Politik, und darin bestand seine große Ueberlegenheit über mich, der ich ein ganz einfacher schlichter Mann bin; was mir schadet, das ist der Umstand, daß ich eine ganz französische Offenherzigkeit besitze.
Rochefort preßte die Lippen zusammen, um nicht zu lachen.
»Ich komme also zur Sache; ich bedarf guter Freunde, treuer Diener. Wenn ich sage, ich bedarf, so will ich damit sagen, die Königin bedarf. Ich thue Alles nur auf Befehl der Königin, versteht mich wohl; das ist nicht wie bei dem Herrn Cardinal von Richelieu, der Alles nur aus eigener Laune that. Ich werde auch nie ein großer Mann sein, wie er; dagegen aber bin ich ein guter Mann, Herr von Rochefort und hoffe Euch dies zu beweisen.«
Rochefort kannte diese seidene Stimme, durch welche zuweilen ein Zischen glitt, das dem der Schlange glich.
»Ich bin ganz bereit, Monseigneur zu glauben,« sagte er, »obgleich ich meines Theils wenig Beweise von der Gutmüthigkeit habe, von der Eure Eminenz spricht. Vergesst nicht,« fuhr Rochefort fort, als er die Bewegung wahrnahm, welche der Minister zu unterdrücken versuchte, »vergeßt nicht, daß ich seit fünf Jahren in der Bastille bin, und daß nichts die Gedanken so sehr verwirrt, als wenn man die Dinge durch das Gitter eines Gefängnisses sieht.«
»Ah! Herr von Rochefort, ich sagte Euch bereits daß ich keinen Theil an Eurer Gefangenschaft hatte. Die Königin (Zorn einer Frau und einer Prinzessin, was wollt Ihr! aber das geht, wie es kommt, und nachher denkt man nicht mehr daran) …«
»Ich begreife, Monseigneur, daß sie nicht mehr daran denkt, sie, welche fünf Jahre in dem Palais Royal mitten unter Festen und Höflingen zubrachte, aber ich, der sie in der Bastille zubringen mußte …«
»Ei mein Gott, Herr von Rochefort, glaubt Ihr, das Palais Royal sei ein so angenehmer Aufenthaltsort? Nein, nein, ich versichere Euch, wir haben auch gewaltiges Getöse gehabt. Doch sprechen wir nicht mehr hiervon. Ich spiele, wie immer offenes Spiel, und frage, Herr von Rochefort seid Ihr von den Unseren?«
»Ihr müßt begreifen Monseigneur, daß ich nichts Besseres wünschen kann, aber ich bin mit allen gegenwärtigen Angelegenheiten nicht im Mindesten vertraut. In der Bastille spricht man über Politik nur mit den Soldaten und den Gefängnißwärtern, und Ihr habt keinen Begriff, Monseigneur, wie wenig diese Leute mit den Vorgängen auf dem Laufenden sind. Ich bin noch an Herrn von Bassompierre. Ist er innerer noch einer von den siebzehn Seigneurs?«
»Er ist todt, mein Herr, und das ist ein großer Verlust. Es war ein der Königin ergebener Mann, und die ergebenen Leute sind selten.«
»Bei Gott, ich glaube wohl,« sprach Rochefort. »Wenn Ihr welche habt, so schickt Ihr sie in die Bastille.«
»Aber wodurch beweist sich die Ergebenheit?« sagte Mazarin.
»Durch die Thätigkeit,« antwortete Rochefort.
»Ah! ja, durch die Thätigkeit,« versetzte der Minister nachdenkend, »aber wo finden sich Männer von Thätigkeit?«
Rochefort zuckte die Achseln und erwiderte:
»Es fehlt nie daran, Monseigneur; nur sucht Ihr schlecht.«
»Ich suche schlecht? was wollt Ihr damit sagen, mein lieber Herr von Rochefort? belehrt mich doch. Ihr mußtet viel in Eurem vertrauten Umgang mit dem verstorbenen Herrn Cardinal lernen. Ah, das war ein so großer Mann!«
»Wird sich Monseigneur ärgern, wenn ich ihm etwas Moral lese?«
»Ich? niemals. Ihr wißt wohl, daß man mir Alles sagen kann, mein lieber Herr von Rochefort. Ich suche mich beliebt und nicht gefürchtet zu machen.«
»Nun, Monseigneur, in meinem Kerker findet sich ein Sprichwort mit der Spitze eines Nagels an die Wand geschrieben.«
»Und wie heißt dieses Sprichwort?«
»Es heißt, Monseigneur: Wie der Herr …«
»Ich kenne es: so der