Blinde Liebe. Уилки Коллинз

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Blinde Liebe - Уилки Коллинз


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daß Sie diesem Mann nicht getraut haben!«

      Sir Giles hatte sich auf Aeußerungen von Furcht und demütige Entschuldigungen ihrerseits gefaßt gemacht, und jetzt antwortete sie ihm entrüstet mit zornig erregter Stimme und mit Thränen in den Augen. Das Bewußtsein seiner eigenen Würde wurde dadurch auf das empfindlichste verletzt.

      »Wer ist denn eigentlich der Mensch, von dem Sie sprechen?« fragte er in hochmütigem Ton. »Und was haben Sie für eine Entschuldigung, daß Sie nach dem Meilenstein gegangen sind, um ihn zu retten – verkleidet mit meinem Ueberrock und unter meinem Hut verborgen?«

      »Verschwenden Sie doch nicht die kostbare Zeit mit Fragen!« lautete die verzweifelte Antwort. »Suchen Sie das Unglück ungeschehen zu machen, das Sie schon angerichtet haben! Ihr Dazuthun – o, ich weiß genau, was ich sage! – kann vielleicht allein noch Ihren Neffen Arthur vor einem schweren Unglück bewahren. Gehen Sie auf sein Gut und retten Sie ihn!«

      Sir Giles verlegte sich jetzt auf eine andere Tonart, er nahm plötzlich die mehr oder minder gut gemachte Miene der Bereitwilligkeit an, zog seine Uhr aus der Tasche und betrachtete sie spöttisch.

      »Muß ich mich entschuldigen?« fragte er scheinbar zerknirscht.

      »Nein, Sie müssen nur so schnell als möglich gehen.«

      »Gestatten Sie, Miß Henley, daß ich Sie darauf aufmerksam mache, daß der letzte Zug schon seit zwei Stunden abgefahren ist.«

      »Was thut das? Sie sind reich genug, um einen Extrazug zu nehmen.«

      Jetzt konnte sich Sir Giles, der Schauspieler, nicht länger verstellen; er ließ die Maske fallen und wurde wieder Sir Giles, der Mann, der er in Wirklichkeit war. Durch ein energisches Läuten mit der Glocke rief er Dennis herbei.

      »Begleiten Sie Miß Henley nach Hause,« sagte er und fuhr, sich an Iris wendend, in strengem Ton fort: »Sie haben Zeit, während der noch übrigen Nachtstunden wieder Ihre fünf Sinne zu sammeln. Morgen früh will ich dann Ihre Entschuldigungen hören.«

      Am nächsten Morgen stand das Frühstück wie gewöhnlich um neun Uhr bereit. Sir Giles befand sich aber allein an dem Tisch.

      Er ließ einer der Dienerinnen sagen, sie möge an Miß Henleys Zimmerthür klopfen. Sir Giles mußte ziemlich lange warten, bis die Wirtschafterin in sehr erregtem Zustand selbst vor ihm erschien. Sie war in höchst eigener Person die Treppen hinaufgestiegen, um den Befehl des Herrn auszuführen.

      Aber Miß Henley befand sich nicht in ihrem Zimmer, und ebensowenig ihr Kammermädchen. Doch waren die Betten während der Nacht zum Schlafen benützt worden. An dem schweren Gepäck hingen Zettel mit der Aufschrift: »Wird vom Hotel abgeholt werden.« Das war alles, was die verschwundene Iris an sichtbaren Zeugen ihrer Anwesenheit in diesen Räumen zurückgelassen hatte.

      Sir Giles ließ im Hotel nachfragen. Die junge Dame war dort mit ihrem Mädchen sehr früh am Morgen erschienen. Sie hatten ihre Reisetaschen bei sich, und Miß Henley hatte die Weisung gegeben, daß das schwerere Gepäck bis zu ihrer Rückkehr unter der Obhut des Wirtes bleiben sollte. Was sie selbst zu thun vorgehabt hatte, das wußte niemand.

      Sir Giles war zu aufgebracht, als daß er sich hätte erinnern können, was Iris in der vergangenen Nacht zu ihm gesagt, oder daß er hätte erraten können, welcher Grund sie zur Abreise bewogen hätte.

      »Ihr Vater hat schon Aerger und Streit mit ihr gehabt,« sagte er, »und jetzt geht mir's ebenso.«

      Seine Dienstboten empfingen den bestimmten Befehl, Miß Henley nicht wieder ins Haus hereinzulassen, wenn sie etwa gar die Kühnheit haben sollte, zu ihrem Paten zurückzukehren.

      Achtes Kapitel

      Am Nachmittag desselben Tages langte Iris in der Ortschaft an, welche in der nächsten Nachbarschaft von Arthur Mountjoys Pachtgut gelegen war.

      Die allgemeine Erregung, mit anderen Worten der Haß gegen England, der wie eine ansteckende Krankheit die Gemüter der Irländer ergriffen hatte, war sogar bis zu diesem weltentlegenen Orte gedrungen. Auf den Stufen, die in seine kleine Kapelle führten, stand der Priester, der, selbst ein Bauer, zu seinen Brüdern in lautem, lebhaftem Ton sprach. Ein Irländer, der seinem Gutsherrn den Zins zahlte, war ein Verräter an seinem Vaterland; derjenige aber, der sein freies, angeborenes Recht auf das Land behauptete, war ein erleuchteter Patriot. Das war das neue Gesetz, welches der ehrwürdige Herr seiner aufmerksamen Zuhörerschaft vorpredigte. Wenn seine Brüder gern von ihm wissen möchten, wie sie dieses Gesetz in Anwendung bringen sollten, so wolle er auf den treulosen Irländer Arthur Mountjoy hinweisen und ihnen sagen: »Kauft nichts von ihm, und verkauft nichts an ihn; geht ihm aus dem Weg, wenn er sich euch nähert; hungert ihn auf seinem Gut aus. Ich könnte noch mehr sagen. Freunde – ihr wißt schon, was ich meine!«

      Den letzten Teil dieser rednerischen Leistung mit anhören zu müssen, ohne ein Wort des Widerspruchs dagegen äußern zu dürfen, war eine harte Prüfung ihrer Selbstüberwindung und Geduld, die Iris erzittern ließ. Erst in zweiter Linie machte sich bei ihr als eine durch die Ansprache des Priesters hervorgerufene Wirkung geltend, daß sich in ihrem Geist die Ueberzeugung von der Arthur drohenden Gefahr mit zehnfach verstärkter Zähigkeit festwurzelte. Nach dem, was sie soeben gehört hatte, konnte die geringste Verzögerung der Bewahrung seiner Sicherheit das beklagenswerteste Ergebnis zur Folge haben. Sie setzte einen barfüßigen Knaben, der außerhalb der den Priester umdrängenden Menge stand, durch das Geschenk eines Sechspencestückes in nicht geringes Erstaunen und erkundigte sich nach dem zur Besitzung Arthurs führenden Weg. Der kleine Irländer lief rasch vor ihr her, ernstlich bemüht, der freigebigen jungen Dame zu beweisen, wie brauchbar er schon sein konnte. In weniger denn einer halben Stunde stand Iris mit ihrem Kammermädchen vor der Thür des Gutshauses. Nichts von derartigen nützlichen Erfindungen der Zivilisation wie eine Glocke oder ein Klopfer war zu entdecken. Der Junge nahm statt dessen seine Fäuste und lief eilends davon, als er an der innern Seite den Schlüssel im Thürschloß sich drehen hörte. Er fürchtete, gesehen zu werden, wenn er mit einem Bewohner der »verfehmten Farm« spräche.

      Eine einfach gekleidete alte Frau erschien und fragte argwöhnisch, was die Damen wünschten. Der Accent, mit dem sie sprach, war der unverfälscht englische. Als Iris nach Mr. Arthur Mountjoy fragte, lautete die Antwort: »Nicht zu Hause.« Darauf versuchte die Haushälterin, die Thür wieder zu schließen.

      »Der wilde Lord las den Brief« etc.

      »Warten Sie einen Augenblick,« sagte Iris; »die Jahre haben Sie zwar verändert, aber in Ihrem Gesicht liegt etwas, was mir nicht ganz fremd ist. Sind Sie Mrs. Lewson?«

      Die Alte erwiderte, dies sei ihr Name.

      »Aber wie kommt es, daß Sie mir ganz unbekannt sind?« fragte sie mißtrauisch.

      »Wenn Sie lange in Mr. Mountjoys Diensten gewesen sind,« antwortete Iris, »so werden Sie ihn vielleicht von Miß Henley haben sprechen hören?«

      Das Gesicht der alten Frau erstrahlte sofort in freudigem Glanz; sie riß mit einem frohen Ausruf des Wiedererkennens die Thüre weit auf.

      »Treten Sie ein. Miß, treten Sie ein! Wer hätte gedacht, Sie an diesem schrecklichen Ort zu sehen! Ja, ich war die Kinderfrau, unter deren Obhut Sie alle drei – Sie, Miß, Mr. Arthur und Mr. Hugh – zusammen gespielt haben!«

      Ihre Augen ruhten mit Wohlgefallen auf ihrem Liebling vergangener Tage. Ihre feinfühlige Sympathie deutete Iris diesen Blick. Liebevoll bot sie der alten Wärterin die Wange zum Kuß. Nachdem sie dieser herzlichen Aufforderung Folge geleistet hatte, brach die Fassung der armen alten Frau zusammen; sie entschuldigte ihre Thränen mit den Worten:

      »Wie oft ich jener, ach, so glücklichen Zeit denken mußte, Miß, werden Ihnen diese Thränen erzählen, – wenn Sie sie selbst nicht vergessen haben!«

      Als sie das Empfangszimmer betraten, war der erste Gegenstand, den Iris erblickte, der Brief, den sie an Arthur geschrieben hatte; er lag noch uneröffnet auf dem Tisch.

      »Er ist also wirklich nicht zu Hause?« fragte sie mit dem frohen Gefühl der Erleichterung.

      Er war schon länger


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