Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз

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Die Frau in Weiss - Уилки Коллинз


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es blieb uns Nichts weiter übrig, als an unsere beiderseitigen Clienten zu appelliren.

      Wie die Sachen standen, war mein Client – da Miß Fairlie noch nicht ihr einundzwanzigstes Jahr vollendet hatte – ihr Vormund, Mr. Frederick Fairlie. Ich schrieb an ihn und legte die Sache gerade so vor ihn, wie sie stand, indem ich nicht nur nachdrücklich jeden Beweisgrund, der mir nur einfiel, anführte, um ihn zu bewegen, die Clausel so zu behaupten, wie ich sie aufgesetzt hatte, sondern auch deutlich den gewinnsüchtigen Beweggrund hervorhob, welcher der Einwendung gegen meine Verfügung zu Grunde lag. Die Kenntniß von Sir Percival’s Angelegenheiten, welche ich notwendigerweise gewonnen, als die Maßregeln der Acte auf seiner Seite nur zur Einsicht vorgelegt worden, hatte mir nur zu klar bewiesen, daß enorme Schulden auf dem Gute lasteten und daß sein Einkommen, obgleich nominell ein bedeutendes, in der Wirklichkeit aber für einen Mann seines Standes beinahe Nichts war. Das Bedürfniß baaren Geldes war die praktische Notwendigkeit für Sir Percivals Existenz und die Anmerkung seines Advocaten neben der Clausel in dem Contracte war Nichts, als das selbstsüchtig offene Bekenntniß desselben.

      Mr. Fairlie’s Antwort kam mit umgehender Post. Auf gut Deutsch lief sie auf etwa Folgendes hinaus:

      »Wollte nicht der liebe Gilmore die außerordentliche Güte haben, seinen Freund und Clienten nicht wegen einer solchen Kleinigkeit, wie einen entfernten Möglichkeitsfall, zu quälen? Wäre es wahrscheinlich, daß eine junge Frau von einundzwanzig Jahren früher als ein Mann von fünfundvierzig Jahren und ohne Kinder sterben werde? War es dagegen in einer so jämmerlichen Welt, wie diese, möglich, den Werth des Friedens und der Ruhe zu überschätzen? Und falls diese zwei himmlischen Güter Einem für eine solche irdische Kleinigkeit, wie die entfernte Aussicht auf zwanzigtausend Pfund geboten würden, war das nicht ein guter Tausch? Ganz gewiß. Also warum ihn da nicht eingehen?«

      Ich warf den Brief voll Widerwillen von mir. Gerade als er zu Boden fiel, wurde an meine Thür geklopft und Sir Percivals Advocat, Mr. Merriman, trat herein. Es gibt in dieser Welt viele verschiedene Arten von schlauen Praktikanten, aber die, mit der man am allerschwersten fertig wird, sind die Leute, welche uns beständig unter dem Mantel einer unvertilgbaren Fröhlichkeit überlisten. Ein corpulenter, wohl genährter, lächelnder, freundlicher Geschäftsmann ist von Allen, mit denen man zu schaffen haben kann, derjenige, der Einem am wenigsten Hoffnung läßt. Mr. Merriman gehörte zu dieser Classe.

      »Und wie geht’s meinem guten Mr. Gilmore?« begann er, von der Wärme seiner eigenen Liebenswürdigkeit erglühend. »Freut mich sehr, Sir, Sie bei so guter Gesundheit zu sehen. Ich ging gerade bei Ihrer Thür vorbei und dachte, ich wollte ’mal sehen, ob Sie mir vielleicht etwas zu sagen hätten. Lassen Sie uns – ich bitte Sie – unsere kleine Meinungsverschiedenheit womöglich mündlich beilegen! Haben Sie schon von Ihrem Clienten gehört?«

      »Ja. Haben Sie schon von dem Ihrigen gehört?«

      »Mein lieber, guter Herr! Ich wollte, ich hätte in einer Weise von ihm gehört, die Etwas nützen könnte – ich wünsche von ganzem Herzen, er nähme mir die Verantwortung ab; aber er will mir sie nicht abnehmen. ›Merriman, ich überlasse die Einzelheiten Ihnen. Thun Sie, was Ihnen in meinem Interesse recht scheint, und nehmen Sie an, daß ich mich persönlich von der Sache zurückgezogen hätte, bis Alles vorüber ist.‹

      Das waren Sir Percivals Worte vor vierzehn Tagen, und das Einzige, was ich über ihn vermag, ist, sie ihn wiederholen zu lassen. Ich bin kein harter Mensch, wie Sie wissen, Mr. Gilmore. Was mich betrifft, und unter uns gesagt, versichere ich Sie, daß ich jene Anmerkung von mir auf der Stelle streichen möchte. Aber wenn Sir Percival sich nicht darum bekümmern will, wenn er durchaus sein ganzes Interesse meinen Händen übergibt, was kann ich möglicherweise Anderes thun, als es behaupten?«

      »Dann bestehen Sie also auf Ihrer Anmerkung neben der Clausel buchstäblich?« sagte ich.

      »Ja, zum Henker! Es bleibt mir Nichts Anderes übrig.« Er spazierte an den Kamin und wärmte sich, indem er mit einer vollen Baßstimme die letzte Strophe eines Liedes vor sich hin summte. »Was sagt Ihre Partei?« fuhr er fort, »bitte, lassen Sie mich hören, was Ihre Partei sagt?«

      Ich versuchte, Zeit zu gewinnen, ja ich that gar noch Schlimmeres. Mein juristischer Instinct übermannte mich, und ich versuchte sogar mit ihm zu handeln.

      »Zwanzigtausend Pfund sind eine ziemlich große Summe, um von der Familie der Dame nach zweitägiger Ueberlegung aufgegeben zu werden,« sagte ich.

      »Sehr wahr,« sagte Mr. Merriman, gedankenvoll auf seine Stiefeln herabblickend. »Gut gesagt, Sir – sehr gut gesagt!«

      »Ein Compromiß, welcher das Interesse der Familie der Dame sowohl, als das des Gemahls anerkannte, hätte meinen Clienten wahrscheinlich nicht so sehr erschreckt,« fuhr ich fort. »Nun, kommen Sie! Die Sache löst sich am Ende in einen blosen Handel auf. Was ist das Wenigste, das Sie annehmen wollen?«

      »Das Wenigste, was wir annehmen wollen,« sagte Mr. Merriman, »sind neunzehn – tausend – neun – hundert – und – neun – und – neunzig – Pfund – neunzehn – Schilling – und – elf – Pence – drei – Farthinge. Ha! ha! ha! Entschuldigen Sie, Mr. Gilmore, ich muß einen kleinen Scherz haben.«

      »Klein genug!« bemerkte ich; »der Scherz ist gerade den übrigen Farthing werth, um den er gemacht wurde.«

      Mr. Merriman war entzückt. Er erschütterte das Zimmer mit seinem Gelächter über die Art und Weise, wie ich es ihm zurückgegeben. Ich dagegen war nicht halb so guter Laune; ich kehrte zum Geschäfte zurück und machte der Unterredung ein Ende.

      »Heute ist Freitag,« sagte ich, »lassen Sie uns bis nächsten Dienstag zur letzten Entscheidung Zeit.«

      »Auf jeden Fall,« erwiderte Mr. Merriman. »Noch länger, mein lieber Herr, wenn Sie es wünschen.« Er nahm seinen Hut, um zu gehen und redete mich dann noch einmal an. »Beiläufig gesagt, haben Ihre Clienten in Cumberland nichts mehr von dem Frauenzimmer gehört, die den anonymen Brief schrieb?«

      »Nichts mehr,« entgegnete ich. »Haben Sie keine Spur von ihr entdeckt?«

      »Noch nicht,« sagte mein juristischer Freund. »Aber wir verzweifeln noch nicht. Sir Percival hegt Verdacht, daß Jemand sie versteckt hält, und diesen Jemand lassen wir bewachen.« sagte ich.

      »Eine ganz andere Person, Sir,« entgegnete mir Mr. Merriman. »Wir haben die alte Frau noch nicht erwischt. Unser Jemand ist ein Mann. Ich habe mein Auge auf ihn hier in London, und wir hegen starken Verdacht, daß er es war, der ihr aus der Anstalt entfliehen half. Sir Percival war dafür, ihn sogleich auszufragen, aber ich sprach: Nein. Unser Ausfragen würde den Erfolg haben, daß er auf seiner Hut wäre; wir wollen ihm aufpassen und warten. Wir werden ja sehen, was sich ereignet. Ein gefährliches Frauenzimmer, Mr. Gilmore, um frei zu sein; es ist unberechenbar, was sie zunächst thun mag. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Sir. Nächsten Dienstag hoffe ich das Vergnügen zu haben, von Ihnen zu hören.« Er lächelte liebenswürdig und ging.

      Ich war während des letzten Theiles der Unterhaltung etwas zerstreut gewesen. Ich war so besorgt in Bezug auf den Contract, daß ich für andere Gegenstände wenig Aufmerksamkeit übrig hatte; und sowie ich wieder allein war, begann ich zu überlegen, was mein nächster Schritt sein müsse.

      Hätte die Sache irgend einen anderen meiner Clienten betroffen, so hätte ich meinen Verhaltungsbefehlen gehorcht, wie sehr mir dieselben auch persönlich zuwider gewesen wären, und augenblicklich den Punkt in Bezug auf die zwanzigtausend Pfund aufgegeben. Aber gegen Miß Fairlie konnte ich nicht mit dieser geschäftsmäßigen Gleichgültigkeit verfahren. Ich hegte ein redliches Gefühl der Liebe und Bewunderung für sie; ich erinnerte mich voll Dankbarkeit, daß ihr Vater mir der gütigste Freund und Gönner war, den je ein Mann besaß; ich hatte, während ich den Contract aufsetzte, das für sie gefühlt, was ich, wäre ich nicht ein Junggeselle gewesen, für meine eigne Tochter gefühlt hätte; und ich war daher entschlossen, vor keinem persönlichen Opfer zurückzuweichen, solange ich ihrem Interesse dienen konnte. An ein zweites Schreiben an Mr. Fairlie war nicht zu denken; es würde ihm nur eine zweite Gelegenheit geben, mir durch die Finger zu schlüpfen. Es mochte möglicherweise von besserem Erfolge sein, falls ich ihn sähe und ihm persönlich die Sache


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