Ein tiefes Geheimniss. Уилки Коллинз

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Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз


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den Schnupfen zu bekommen.

      Miß Amelys Hauptfehler war eine Geneigtheit, ihren Gaumen zu befriedigen, indem sie zu unberechtigten Zeiten und Stunden allerhand Ergänzungsmahlzeiten und Frühstücke zu sich nahm.

      Master Roberts bemerkenswerteste Mängel hatten ihren Grund in der Schnelligkeit, womit er seine Kleider zerriß, und der Stumpfsinnigkeit, welche er beim Lernen des Einmaleins entwickelte.

      Die Tugenden sämtlicher drei Geschwister waren ziemlich von einer und derselben Art – sie waren gut gewachsen, sie waren echte Kinder, und sie liebten ihre Miß Sturch auf sozusagen tumultuarische Weise.

      Um die Galerie von Familienporträts vollständig zu machen, müssen wir wenigstens versuchen, einen Umriß von dem Vikar oder Pfarrer selbst hinzuzufügen.

      Doktor Chennery gereichte in physischer Beziehung der Kirche, welche er angehörte, zur Zierde. Er maß sechs Fuß zwei Zoll, er wog siebzehn Stein, er war der beste Schläger in dem Cricket-Club von Long Beckley; er war in Bezug auf Wein und Hammelfleisch streng orthodox; er brachte auf der Kanzel niemals unangenehme Theorien über die künftige Bestimmung der Menschen zur Sprache; er zankte sich mit niemandem außerhalb der Kanzel; er knöpfte nie seine Taschen zu, wenn die Bedürfnisse seiner armen Brüder – auch mit Einschluß von Andersgläubigen – ihn aufforderten sie zu öffnen. Sein Weg durch die Welt war ein ruhiger Marsch die hohe trockene Mitte einer sichern Chaussee entlang. Die geschlängelten Nebenpfade theologischer Kontroversen konnte sich ihm rechts und links so verlockend öffnen wie sie wollten – er ging ruhig seinen Weg und ließ sich nicht irre machen. Neuerungssüchtige junge Rekruten der Kirchenarmee konnten ihm die Neununddreißig Artikel auf die verfänglichste Weise dicht unter der Nase aufschlagen, so schaute doch das vorsichtige Auge des Veterans nie um ein Haar breit weiter als seine eigene Unterschrift am Fuße derselben. Er verstand von der Theologie so wenig als möglich, er hatte seiner vorgesetzten Behörde während seines ganzen Lebens nie eine Minute lang irgend eine Belästigung verursacht, er war unschuldig an aller Beteiligung beim Lesen oder Schreiben von Flug- und Streitschriften – kurz, er war der ungeistlichste aller Geistlichen, aber trotz alledem machte er in seiner Amtstracht eine Erscheinung, wie man sie selten sieht.

      Siebzehn Stein aufrechtes muskelstarkes Fleisch, ohne eine einzige wunde und unreine Stelle, besitzen jedenfalls das Verdienst, daß sie Ausdauer hoffen lassen und dies ist eine vortreffliche Tugend bei Säulen jeder Art, in der gegenwärtigen Zeit aber eine ganz besonders kostbare Eigenschaft an einer Säule der Kirche.

      Sobald der Vikar in das Frühstückszimmer trat, kamen ihm die Kinder mit lautem Geschrei entgegen. Er war in Beobachtung der Pünktlichkeit bei Mahlzeiten sehr streng und sah sich jetzt selbst von der Uhr überführt, daß er eine Viertelstunde zu spät zum Frühstück kam.

      »Es tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen, Miß Sturch,« sagte der Vikar, »ich habe jedoch für meine Verspätung eine gute Entschuldigung.«

      »O bitte, sprechen Sie nicht davon, Sir,« sagte Miß Sturch, indem sie freundlich ihre feisten kleinen Hände eine über der andern rieb. »Ein schöner Morgen. Ich fürchte, wir werden wieder einen warmen Tag bekommen. Robert, mein guter Junge, stemme dich nicht mit dem Ellbogen auf den Tisch. Ein schöner Morgen – wirklich ein schöner Morgen.«

      »Ist dein Magen immer noch nicht in Ordnung, Phippen, wie?« fragte der Vikar, indem er den Schinken zu tranchieren begann.

      Mr. Phippen schüttelte kläglich seinen dicken Kopf, legte seinen gelben, mit einem großen Türkisenring geschmückten Zeigefinger auf das mittelste Quarré seiner hellgrünen Sommerweste, sah Doktor Chennery kläglich an und seufzte, nahm den Finger wieder weg und brachte aus der Brusttasche seines Paletot ein kleines Mahagoni-Etui heraus. Aus diesem nahm er eine sauber gearbeitete kleine Apothekerwaage mit den dazugehörigen Gewichten, ein Stück Ingwer und ein blankpoliertes kleines silbernes Reibeisen.

      »Sie werden einen Kranken entschuldigen, meine liebe Miß Sturch, nicht wahr?« sagte Mr. Phippen, indem er den Ingwer matt und langsam in die nächste Teetasse zu reiben begann.

      »Ratet einmal, weshalb ich heute Morgen eine Viertelstunde zu spät komme,« sagte der Vikar, indem er geheimnisvoll einen Blick um den Tisch herumschweifen ließ.

      »Du hast es verschlafen, Papa!« riefen die drei Kinder, indem sie triumphierend in die Hände klatschten.

      »Was meinen Sie, Miß Sturch?« fragte Doktor Chennery.

      Miß Sturch lächelte wie gewöhnlich, rieb wie gewöhnlich die Hände, hustete wie gewöhnlich sanft, um die Kehle frei zu machen, sah unverwandt die Teemaschine an und bat dann mit der anmutigsten Höflichkeit, man möge sie entschuldigen, wenn sie nichts sage.

      »Nun bist du an der Reihe, Phippen,« sagte der Vikar. »Rate einmal, weshalb ich mich heute Morgen verspätet habe.«

      »Mein lieber Freund,« sagte Mr. Phippen, indem er dem Doktor brüderlich die Hand drückte, »fordere mich nicht auf, zu raten, denn ich weiß es. Ich sah, was du gestern beim Dinner aßest – ich sah, was du nach dem Dinner trankst. Keine Verdauung könnte dies aushalten, nicht einmal die deinige. Ich soll erraten, weshalb du diesen Morgen so spät gekommen bist? Ach geh doch, ich weiß es ja ! Du gute, liebe Seele, du hast Arznei eingenommen!«

      »Nein, Gott sei Dank, seit zehn Jahren ist davon kein Tropfen über meine Zunge gekommen,« sagte Doktor Chennery mit einem Blick frommer Dankbarkeit. »Nein, nein, du irrst dich vollständig. Du mußt nämlich wissen, ich bin in der Kirche gewesen und was glaubest du wohl, was ich da gemacht habe? Hören Sie, Miß Sturch – höret, Mädchen, mit allen euren Ohren! Der arme blinde junge Frankland ist endlich ein glücklicher Mann – heute Morgen eben habe ich ihn mit unserer lieben Rosamunde Treverton vermählt.«

      »Ohne uns etwas zu sagen, Papa!« riefen die beiden Mädchen gleichzeitig im gellendsten Tone des Ärgers und der Überraschung. »Ohne uns etwas zu sagen, während du doch weißt, wie gern wir zugesehen hätten!«

      Eben dies war der Grund, weshalb ich euch nichts davon sagte, meine lieben Kinder,« antwortete der Vikar. »Der junge Frankland ist noch nicht so an sein Übel gewöhnt, der arme junge Mann, daß er es ertragen könnte, sich in der Eigenschaft eines blinden Bräutigams öffentlich bemitleiden und angaffen zu lassen. Er hatte eine so große Furcht davor, an seinem Hochzeitstage Gegenstand der Neugier zu sein, und Rosamunde, dieses gutherzige Mädchen, war so darauf bedacht, ihm in allen Dingen den Willen zu tun, daß wir verabredeten, die Vermählung zu einer Stunde des Morgens zu vollziehen, wo sich vermuten ließe, daß noch keine müßigen Gaffer sich in der Nähe der Kirche herumtrieben. Mir war in Bezug auf den Tag die strengste Verschwiegenheit zur Pflicht gemacht und dasselbe war mit meinem Küster Thomas der Fall. Mit Ausnahme von uns beiden, der Braut, des Bräutigams und des Vaters der Braut, Kapitäns Treverton, wußte niemand –«

      »Treverton!« rief Mr. Phippen, indem er seine Teetasse mit dem geriebenen Ingwer auf dem Boden derselben hinhielt, um sie von Miß Sturch füllen zu lassen, »Treverton! – So ist es genug, meine liebe Miß Sturch! – Das ist doch merkwürdig! Diesen Namen kenne ich. – Noch ein wenig Wasser, wenn ich bitten darf. – Sage mir, lieber Doktor – ich danke recht sehr – keinen Zucker – er verwandelt sich im Magen in Säure – ist diese Miß Treverton, welche du vermählt hast – ich danke nochmals, auch keine Milch – eine von den Trevertons in Cornwall?«

      »Jawohl, versteht sich,« entgegnete der Vikar. »Ihr Vater, Kapitän Treverton, ist das Haupt der Familie. Nicht als ob dieselbe sehr zahlreich wäre. Der Kapitän und Rosamunde und ihr launenhafter, mürrischer alter Onkel, Andrew Treverton, sind alles, was noch von dem alten Stamme übrig ist. In frühern Zeiten war es eine reiche Familie und eine schöne Familie – gute Freunde der Kirche und des Staats, weißt du, und alles dergleichen.«

      »Erlauben Sie, Herr Doktor, daß Amely noch ein Stück Brot und Kompott bekommt?« fragte Miß Sturch den Vikar, ohne im mindesten zu wissen, daß sie ihn in seiner Rede unterbrach. Da sie in ihrem Geiste keinen überflüssigen Raum hatte, an welchem sie gewisse Dinge hätte aufbewahren können bis es Zeit war, damit herauszurücken, so tat sie Fragen und machte Bemerkungen in dem Augenblick, wo ihr dieselben einfielen, ohne auf den Anfang, die Mitte, oder das Ende der Konversationen zu warten, welche vielleicht in ihrem Beisein geführt


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