Ein tiefes Geheimniss. Уилки Коллинз

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Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз


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ich es erlaube.«

      »Niemand?« wiederholte Sara schüchtern, »auch nicht den Doktor? Auch nicht den Herrn?«

      »Auch nicht den Doktor – auch nicht den Herrn!« sagte Mistreß Treverton und zeigte auf die Tür. Die Hand war schwach, aber selbst in dieser augenblicklichen Bewegung derselben war die befehlende Gebärde nicht zu verkennen.

      Sara verriegelte die Tür, kehrte unentschlossen an das Bett zurück, heftete ihre großen, forschenden, unruhigen Augen fragend auf das Gesicht ihrer Herrin, neigte sich plötzlich über sie und sagte flüsternd:

      »Haben Sie es dem Herrn gesagt?«

      »Nein,« war die Antwort. »Ich ließ ihn rufen, um es ihm zu sagen – ich bemühte mich, die Worte auszusprechen – schon der Gedanke aber, wie ich es ihm am besten beibringen könnte, erschütterte mich bis in die innerste Seele, Sara – ach, ich habe ihn so lieb! Trotzdem aber würde ich es ihm gesagt haben, wenn er nicht von dem Kinde gesprochen hätte. Sara, er sprach von weiter nichts als dem Kind und das verschloß mir den Mund.«

      Sara warf sich, ihre dienstliche Stellung auf eine Weise vergessend, die selbst der nachsichtigsten Herrin außerordentlich erscheinen würde, bei dem ersten Wort, welches Mistreß Treverton entgegnete, auf einen Stuhl, bedeckte sich das Gesicht mit den zitternden Händen und stöhnte bei sich selbst:

      »O, was wird geschehen! Was wird nun geschehen!«

      Mistreß Trevertons Augen waren feucht geworden und hatten einen mildern Ausdruck angenommen, als sie von ihrer Liebe zu ihrem Gatten sprach. Schweigend lag sie einige Minuten da. Das Arbeiten einer starken Gemütsbewegung verriet sich durch das rasche, angestrengte, mühsame Atmen und durch das schmerzliche Zusammenziehen der Augenbrauen.

      Es dauerte jedoch nicht lange, so wendete sie ihr Gesicht unruhig nach dem Stuhl, auf welchem ihre Dienerin saß, und sprach wieder, diesmal aber in einem Tone, der nur ein Flüstern zu nennen war.

      »Gib mir meine Medizin,« sagte sie. »Ich brauche sie.«

      Sara fuhr empor und wischte mit dem raschen Instinkt des Gehorsams die Tränen hinweg, welche ihr immer schneller über die Wangen herabrannen.

      »Der Doktor,« sagte sie. »Lassen Sie mich den Doktor rufen.«

      »Nein – die Medizin – gib mir die Medizin!«

      »Welche Flasche? Das Opiat, oder –«

      »Nein. Nicht das Opiat, die andere Flasche.«

      Sara nahm eine Flasche von dem Tisch, sah aufmerksam, was auf dem angehängten Zettel geschrieben stand, und sagte, es sei noch nicht Zeit, diese Medizin wieder einzunehmen.

      »Gib mir die Flasche.«

      »O, bitte, verlangen Sie dies nicht von mir! Warten Sie doch ! Der Doktor sagte, es sei so verderblich, als wenn Sie Spiritus tränken, im Fall Sie zu viel davon nähmen.«

      Mistreß Trevertons helle graue Augen begannen zu funkeln, die rosige Röte ihrer Wangen ward dunkler; die befehlende Hand ward wieder mit Anstrengung von der Bettdecke emporgehoben, auf welcher sie lag.

      »Ziehe den Pfropfen aus der Flasche,« sagte sie, »und gib sie mir. Ich brauche Kräfte. Gleichviel ob ich in einer Stunde oder in einer Woche sterbe. Gib mir die Flasche.«

      »Nicht die Flasche,« sagte Sara, während sie dieselbe doch, von dem Blicke ihrer Herrin bezwungen, hingab. »Es ist bloß noch zu zwei Mal einzunehmen darin. Ich bitte, warten Sie – ich will ein Glas holen!«

      Sie wendete sich nach dem Tische. In demselben Augenblick aber hob Mistreß Treverton die Flasche an die Lippen, trank den Inhalt derselben aus und warf sie dann von sich auf das Bett.

      »Sie hat sich den Tod gegeben!« rief Sara, indem sie erschrocken nach der Tür lief.

      »Bleib!« rief die Stimme aus dem Bett schon entschlossener als je. »Bleib! Komm her und lege meine Kissen höher.«

      Sara legte die Hand an den Riegel.

      »Komm her,« wiederholte Mistreß Treverton. »So lange als noch ein Funken Leben in mir ist, verlange ich Gehorsam. Komm her!«

      Die Farbe begann auf ihrem ganzen Gesicht unverkennbar dunkler und das Licht in ihren weitgeöffneten Augen heller zu werden.

      Sara kam an das Bett zurück und fügte mit zitternden Händen den Kissen, welche den Kopf und die Schultern der Sterbenden stützten, noch eins hinzu. Während dies geschah, kam die Bettdecke ein wenig in Unordnung. Mistreß Treverton zog dieselbe schaudernd wieder herauf bis dicht um den Hals herum.

      »Hast du die Türe aufgeriegelt?« fragte sie.

      »Nein.«

      »Ich verbiete dir, dich derselben wieder zu nähern. Hole mir aus dem Schranke neben dem Fenster meine Schreibmappe, Feder und Tinte.«

      Sara ging an den Schrank und öffnete ihn, hielt aber plötzlich inne, als ob ein plötzlicher Argwohn sie durchzuckte, und fragte, wozu die Schreibmaterialien gebraucht werden sollten.

      »Bring sie nur, dann wirst du es sehen.«

      Die Schreibmappe ward mit einem Bogen Briefpapier darauf auf Mistreß Trevertons Knie gelegt, die Feder in die Tinte getaucht und ihr in die Hand gegeben.

      Die Kranke schloß die Augen eine Minute lang und seufzte tief. Dann begann sie zu schreiben und sagte zu ihrer Zofe, als die Feder das Papier berührte:

      »Schau her!«

      Sara lugte ihr unruhig über die Schultern und sah die Feder langsam und matt die drei Worte formen:

      »An meinen Gatten.«

      »O, nein, nein! Um Gotteswillen, schreiben Sie es nicht!« rief Sara, indem sie ihre Herrin bei der Hand faßte. In dem Augenblick aber, wo Mistreß Treverton sie ansah, ließ sie die Hand wieder los.

      Die Feder schrieb weiter und bildete langsam und immer matter soviel Worte, daß dadurch eine Zeile gefüllt ward – dann machte sie Halt. Die Buchstaben der letzten Silbe waren ganz durcheinander gelaufen.

      »Tun Sie es nicht!« rief Sara wieder, indem sie vor dem Bett auf die Knie niederfiel. »Schreiben Sie es ihm nicht, wenn Sie es ihm nicht sagen können. Lassen Sie mich das, was ich so lange getragen, auch noch ferner tragen. Lassen Sie das Geheimnis mit Ihnen und mit mir sterben und in dieser Welt niemals offenbar werden – niemals! niemals! niemals!«

      »Das Geheimnis muß offenbar werden,« antwortete Mistreß Treverton. »Mein Gatte muß es wissen und soll es wissen. Ich versuchte, es ihm zu sagen, aber der Mut entsank mir. Daß du es ihm sagen werdest, nachdem ich nicht mehr bin, darauf kann ich mich nicht verlassen. Es muß niedergeschrieben werden. Nimm du die Feder; meine Augen sehen kaum noch, meine Finger fühlen nicht mehr. Nimm die Feder und schreibe, was ich dir sage.«

      Sara verbarg, anstatt zu gehorchen, ihr Gesicht in der Bettdecke und weinte bitterlich.

      »Du bist seit meiner Vermählung bei mir,« fuhr Mistreß Treverton fort. »Du bist mehr meine Freundin als meine Dienerin gewesen. Willst du mir meine letzte Bitte abschlagen? Du willst! Törin, blicke auf und höre mich an. Es geschieht auf deine eigene Gefahr, wenn du dich weigerst, die Feder zu ergreifen. Schreib oder ich habe keine Ruhe im Grabe. Schreib oder, so wahr der Himmel über uns ist, ich suche aus der andern Welt dich heim!«

      Mit einem unterdrückten Schrei richtete Sara sich empor.

      »Ihre Worte erfüllen mich mit Schaudern,« flüsterte sie, indem sie ihre Augen mit abergläubisch entsetztem Blick auf das Gesicht ihrer Herrin heftete.

      In demselben Augenblicke begann die in allzureichlicher Dosis genommene aufregende Medizin ihre Wirkung auf Mistreß Trevertons Gehirn zu äußern. Sie warf ihren Kopf unruhig von einer Seite des Pfühls auf die andere, sprach gedankenlos einige Zeilen aus einem der alten Theaterstücke, die sie von ihrem Bett hatte hinwegnehmen lassen, und hielt der Dienerin plötzlich die Feder hin, indem sie theatralisch die Hand bewegte und einen Blick nach einer eingebildeten Galerie von Zuschauern emporwarf.

      »Schreib!« rief sie mit dem hohlen, schauerlichen Pathos ihrer frühern Bühnenstimme, »schreib!«

      Und


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