Finanzkrise. Reiner Osbild

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Finanzkrise - Reiner Osbild


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      Abbildung 2: Chronologie der Krise aus Sicht der Krisenstaaten

      Die GIIPS weisen erhebliche Leistungsbilanzdefizite auf, welche wirtschaftshistorisch ihresgleichen suchen.19 Jedoch ist innerhalb der Eurozone mit einer negativen Leistungsbilanz kein Mangel an Devisen verbunden. Da alle mit dem gleichen Geld bezahlen, kann man sich überall im Euroraum die Verschuldungswährung – den Euro – leihen und – noch besser – sogar drucken. Letzteres spiegelt sich in den Target-Salden wider, wir kommen in Punkt I.4 (Seite 31) darauf zurück.

      Verschuldung auf allen Ebenen

      Private Haushalte, Unternehmen und der Staat verschuldeten sich aber nicht nur im Ausland; auch im Inland wuchs der Kreditbestand rasch in ungeahnte Höhen. Bald schon erwies sich das Ausmaß der privaten und öffentlichen Verschuldung als nicht mehr tragbar. Im Einzelnen:

      Private Schuldenkrise

      Dieses Phänomen trifft insbesondere auf Spanien und Irland zu. Beflügelt von niedrigen Zinsen kam es dort zu einem Immobilienboom, der in eine Blase mündete. Das bedeutet, zu viele Wohneinheiten wurden gebaut, es setzte ein Preisverfall ein, und zahlreiche Schuldner konnten ihre Bankkredite nicht mehr bedienen. Spanien hat allein private Auslandsschulden in Höhe von fast einer Billion Euro (eine Million Millionen, eine Zahl mit 12 Nullen), 20 mehr als alle anderen Krisenstaaten zusammen. Hinzu kommen noch hohe Schulden bei heimischen Banken. Irland, um das zweite Beispiel zu nennen, hat einen privaten Kreditbestand von 300 Prozent des irischen BIP, doppelt so hoch wie die USA, und circa dreimal so hoch wie Deutschland.21

      Abbildung 3: Öffentliche Verschuldung der Eurozone in Prozent des BIP 201322

      Staatsschuldenkrise

      Obwohl der Maastricht-Vertrag eine Obergrenze für die Staatsverschuldung in Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes festsetzte, liegt der aktuelle Schuldenstand der Eurozone insgesamt bei über 94 Prozent, also im Durchschnitt (!) um 34 Prozentpunkte zu hoch. Empirischen Untersuchungen zufolge vermindert sich ab dieser Schwelle das gesamtwirtschaftliche Wachstum (vgl. Kap. III.1, S. 63). Besonders negativ stellt sich die Lage in Griechenland dar, doch auch im Falle von Portugal und Italien haben wir es in erster Linie mit einer Verschuldungskrise der öffentlichen Hand zu tun.

      Bankenkrise

      Da Banken an der Schnittstelle zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern stehen, gibt es in der Eurozone auch eine mehr oder weniger latente Bankenkrise. Idealtypisch sind Banken für die Finanzierung der Realwirtschaft zuständig. Banken sollen nämlich das Geld der Sparer an Kreditnehmer weiterleiten. Kreditnehmer sind die Unternehmen, die ihre Investitionen finanzieren müssen, der Staat sowie andere Haushalte, insbesondere die »Häuslebauer«. Wenn diese Akteure sich übernehmen und die Kredite nicht mehr bedienen können, dann bleiben die Banken auf faulen bzw. »notleidenden« Krediten (englisch: non-performing loans, kurz NPL) sitzen. Hinzu kamen zum Teil eigene exzessive Spekulationen. Damit drohten sie andere Banken mit in den Abgrund zu ziehen und zudem in ihrer Rolle als Kreditversorger der gewerblichen Wirtschaft auszufallen.

      Abbildung 4: Typen von Krisen

      Mit massiver Unterstützung aus den Rettungsfonds wurden zahlreiche Institute vor der Insolvenz bewahrt. Beispielsweise flossen aus dem EFSF bereits 41 Mrd. Euro direkt an griechische Banken, allein 27,5 Mrd. Euro an die vier größten Institute des Landes.23 Darüber hinaus hat auch die EZB zur Rettung der Banken beigetragen, indem sie im Übermaß billige Liquidität zur Verfügung stellte.

      Banken stehen am Knotenpunkt der Finanzströme; dort bündeln sich die Probleme der anderen Sektoren wie in einem Brennglas. Ein Folgeproblem kann das Verhalten der Bankkunden werden, wenn diese aus Angst vor einer Schieflage ihre Einlagen abziehen. Einen solchen »Bank Run« musste im Herbst 2008 die englische Bank und Bausparkasse Northern Rock über sich ergehen lassen; sie wurde schließlich verstaatlicht.

      Angeschlagene Banken kommen ihrer Hauptaufgabe, den Unternehmenssektor zu finanzieren, nicht mehr nach. Sie scheuen sich, (neue) Kreditrisiken in ihre Bücher zu nehmen. Ist das Eigenkapital ohnehin schon durch Verluste auf Staatsanleihen oder Immobilienkredite geschrumpft, dann dürfen sie das auch gar nicht, weil es regulatorische Mindestanforderungen gibt. Die komplizierten Regelwerke »Basel II« und »Basel III« zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Jedenfalls müssen die Banken umso mehr Eigenkapital bereithalten, je höher die Risiken der verauslagten Kredite und Investments sind. Die Risiken werden entweder intern gemessen oder extern durch eine Ratingagentur wie Fitch, Standard & Poors oder Moody ’s. Interessant ist dabei: Staatsanleihen gelten regulatorisch als risikolos und müssen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, weder nach altem noch nach neuem Recht. Der Gesetzgeber diskriminiert damit privatwirtschaftliche Wertpapiere gegenüber öffentlichen Anleihen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

      Während bei den Leistungsbilanzdefiziten der ein oder andere Silberstreif am Horizont sichtbar wird, schwelt die Bankenkrise schwerer denn je.24 Es ist keine Trendwende in Sicht: Der Anteil der faulen Kredite (NPL) in Griechenland wird auf 40 Prozent aller ausstehenden Forderungen geschätzt. Das wäre die ungeheure Summe von 95 Mrd. Euro.25 Irlands NPL könnten gar ein Drittel des irischen BIP erreichen.26 Zwar hat das Land jüngst den Euro-Rettungsschirm verlassen, dürfte jedoch auf neue finanzielle Hilfen im Rahmen der Bankenunion hoffen.

      Krisen sind nichts Neues

      Seit vielen Jahren schon sind Krisenmeldungen unser ständiger Wegbegleiter. In Japan platzte 1989 die Immobilienblase. Mitte und Ende der 90er-Jahre gab es Verschuldungs- und Währungskrisen in Mexiko und Südostasien; 1998 geriet ein Hedgefonds, der sogenannte LTCM (Long Term Capital Management), in die Bredouille, als er sich mit europäischen und speziell mit russischen Staatsanleihen verspekulierte. Im Jahr 2000 gab es den weltweiten »Dot.com«-Crash bei Internet- und Technologieaktien. 2007 brach die US-amerikanische Subprimekrise aus, weil einkommensschwache US-Haushalte die Kredite und Zinsen für ihren Eigenheimerwerb nicht mehr schultern konnten. Da diese Kredite gebündelt und weiterverkauft worden waren (Verbriefung), wurden damit Banken weltweit in Mitleidenschaft gezogen, auch deutsche Landesbanken sowie IKB, Commerzbank und Hypo Real Estate. Kaum hatten sich die Märkte vom Schlimmsten erholt, da setzte die Griechenlandkrise ein.

      Allen Krisen ist gemeinsam, dass der Bankensektor aufgrund seiner exponierten Stellung schwere Verluste erlitt. Eine weitere Gemeinsamkeit ist: Alle Krisen in Europa, den USA und Japan wurden durch expansive Geldpolitik »gelöst«, also durch die zinsgünstige Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die jeweiligen nationalen Notenbanken. Im Zuge dieser Entwicklung schwoll die Weltgeldmenge seit den 90er-Jahren dramatisch an.

      Die Bilanzen der Zentralbanken sind ein guter Indikator für die Überflutung der Welt mit Geld. Die Bilanzsumme der japanischen Notenbank nahm seit 2001 um rund 50 Prozent zu, die der EZB verdreifachte sich, die der US-Notenbank verfünffachte sich sogar.

      Die Geldmenge M1, die eng mit der Bilanzsumme der EZB zusammenhängt, nahm seit 1997 um rund 250 Prozent zu, während das BIP der Eurozone real nur um 22 Prozent stieg.

      Abbildung 5: Entwicklung der Geldmenge in der Eurozone27

      Die Druckerpresse läuft heiß


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