Das Rätsel der Arche Noah. Timo Roller

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Das Rätsel der Arche Noah - Timo Roller


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Baumgardner

      San Diego, Kalifornien

      Dezember 2013

      Teil I: Eine einzigartige Expedition

      1. Wendepunkt einer Forschungsreise

      Der Landeplatz der Arche Noah lag 17 Kilometer von mir entfernt, als ich am frühen Morgen des 29. September 2013 aus dem Fenster meines Hotelzimmers blickte. Die Gebirgskette der Cudi-Gipfel war in das warme Licht der aufgehenden Sonne getaucht und dieser Anblick ließ mir unwillkürlich Tränen in die Augen steigen. Ich war ergriffen: Heute sollte der große Tag sein.

      Die Cudi-Berge am frühen Morgen des 29. September 2013

      Das »Noah- und Berg-Cudi-Symposium« war tags zuvor sehr hoffnungsvoll zu Ende gegangen: Von »großen Anstrengungen« war die Rede, die man unternehmen wolle, um archäologische Ausgrabungen dort oben zu ermöglichen.

      Als einziger Deutscher war ich bei dieser wissenschaftlichen Konferenz der Universität Sirnak anwesend, zusammen mit einigen Amerikanern, mit denen ich teilweise schon längere Zeit in Verbindung stand. Das Symposium widmete sich unter anderem der Frage, ob der »Al Dschudi«, der traditionelle Arche-Berg der muslimischen Tradition, mehr sein konnte als nur die weithin unbekannte Alternative zum riesigen Vulkankegel »Ararat« ungefähr 300 Kilometer weiter nördlich.

      Bill Crouse, einer der Amerikaner, und ich teilten schon seit Längerem unsere Forschungsergebnisse, da es auch aus biblischer Sicht gute Gründe dafür gibt, dass dieser Berg Cudi zu den »Bergen von Ararat« gehört, von denen im ersten Buch Mose in der Mehrzahl gesprochen wird.

      Daher waren neben türkischen Wissenschaftlern, muslimischen Gelehrten und namhaften Altertumsforschern auch wir als Vertreter des Christentums dabei, um unsere Argumente und Forschungsergebnisse vorzutragen, und ernteten reichlich Anerkennung dafür. Bill Crouse, dessen Vortrag die Argumente gegen den als »Ararat« bekannten Agri Dagh und für den Cudi Dagh als Arche-Berg zum Thema hatte, durfte im Eröffnungsprogramm sprechen. Er wurde anschließend von Fernsehsendern interviewt und in den Medien zitiert. Wir genossen daher eine gewisse Aufmerksamkeit und waren guter Dinge, dass es uns wie geplant während unserer Reise gelingen würde, den Gipfel des Cudi-Berges zu erreichen und die dortigen Ruinen und Bau-Strukturen mit eigenen Augen unter die Lupe zu nehmen.

      Schon im Vorfeld hatten wir verschiedene Kontakte aktiviert, um zu den historischen Stätten am Fuße des Berges und auf den Gipfel selber zu gelangen. Zusätzlich war als Abschluss des Symposiums ein offizielles Ausflugsprogramm der Universität geplant, in dessen Rahmen uns ein Hubschrauberflug zum Gipfel in Aussicht gestellt wurde. Noch am Samstagabend – der 29. September war ein Sonntag – hatte es geheißen: Wenn der Armeeverantwortliche seine finale Zustimmung gibt, fliegen wir – falls nicht, würden wir mit Autos und zu Fuß dem Gipfel entgegenstreben.

      Alles war vorbereitet, Kamera, GPS-Empfänger und sogar eine kleine Schaufel gepackt, Wanderstiefel geschnürt und nach besagtem Blick aus dem Fenster ging es um 6.30 Uhr zum Frühstück.

      Dort kam der Organisator und Dolmetscher Mehmet zu uns mit »bad news«: Es würde nichts werden mit dem Hubschrauber, auch die Tour mit den Autos sei nicht möglich, man könne keine Verantwortung für uns Ausländer übernehmen. Es sei uns aber freigestellt, auf eigene Faust unser Glück zu versuchen.

      Wir versuchten umgehend, unsere einheimischen Freunde zu erreichen und parallel dazu, an Mietwagen oder freiwillige Fahrer heranzukommen.

      Manche der Freunde waren nicht erreichbar, einer von ihnen sprach dann von Polizei, die heute unterwegs sei. Auch ich hatte heute Morgen gepanzerte Fahrzeuge auf der Straße unterhalb des Hotels gesehen, jedoch nicht zum ersten Mal. Sicherheitsleute in Zivil waren ins Hotel gekommen und schrieben unsere Namen auf. Ein amerikanischer Archäologe, der in der Türkei arbeitet und zu unserem Team gehörte, telefonierte herum. Schließlich kam er zu uns, die wir in einer Sitzgruppe in der Lobby warteten. Erneut »bad news«: Es sei nichts möglich heute – und morgen auch nicht.

Vergeblich wartete ich mit Bill Crouse (links), Rex Geissler und den anderen in der Lobby des Hotels in Sirnak.

      Vergeblich wartete ich mit Bill Crouse (links), Rex Geissler und den anderen in der Lobby des Hotels in Sirnak.

      Wir hatten weitere Ausflüge geplant, unter anderem in das historische Dorf Sah, von dem wir erst gestern während eines Vortrags sehr beeindruckende Bilder gesehen hatten. War nun alles in Frage gestellt?

      Irgendetwas war vorgefallen, soviel war klar. Eine kurze Internetrecherche ergab, dass ein kurdisches Festival am Cudi-Berg stattfand. Als wir einen der Sicherheitsleute darauf ansprachen, gab er zu: »Ihr habt recht.« Klare Worte und transparente Auskünfte entsprechen in diesem Teil der Welt nicht gerade der üblichen Mentalität.

      So begannen unsere Überlegungen, was wir jetzt machen sollten. Immerhin waren wir noch für weitere drei Tage hier, der internationale Heimflug ließ sich nicht vorverlegen. Uns wurde vorgeschlagen, nach Istanbul zu reisen oder nach Diyarbakir, wo der Rückflug der Amerikaner am kommenden Mittwoch starten würde. Da die Gegend um Sirnak außer den Cudi-Bergen keine besonderen Sehenswürdigkeiten zu bieten hat und auch Istanbul und die Kurdenstadt Diyarbakir uns nicht besonders reizten, war mein Vorschlag, am nächsten Tag mit dem Bus nach Urfa zu fahren. Dort könnten wir die verbleibenden Tage auf den Spuren Abrahams und der frühen Menschheitsgeschichte verbringen und unter anderem die berühmte archäologische Fundstätte Göbekli Tepe besuchen. Den Sonntag wollten wir noch dazu nutzen, den eindrucksvollen Kasrik-Canyon zu untersuchen, der die Cudi-Kette von den Nachbarbergen trennt. Diese Idee unterbreiteten wir unserem Organisator Mehmet und er buchte unsere Inlandflüge am Abreisetag um für die Strecke von Urfa nach Istanbul.

      Dann schlug man uns plötzlich – nachdrücklich! – vor, dass man uns ein Auto bestellen würde, das uns nach Urfa brächte: In einer Stunde sollte es losgehen! Wir packten eilig die Koffer, verabschiedeten uns von den Verantwortlichen der Universität und beluden das Fahrzeug. Es war recht eng mit dem ganzen Gepäck und fünf Personen.

      Bill Crouse, Gordon Franz, John Baumgardner und ich wurden dann fast nonstop nach Urfa gefahren – eine sehr trostlose Strecke von 370 Kilometern. Der Fahrer, der kein Englisch sprach, telefonierte des Öfteren mit seinen beiden Handys – vermutlich, um irgendwen über unsere Abreise auf dem Laufenden zu halten. Immerhin konnten wir ihn noch dazu veranlassen, unterwegs in Nusaybin zu halten, dem antiken Nisibis. Dort besuchten wir die Kirche des heiligen Jakob aus dem vierten Jahrhundert, eines Geistlichen, der im Zusammenhang mit der Arche eine entscheidende Rolle spielt.1

      Innerhalb von wenigen Stunden war also aus einer Reise mit vielversprechendem Symposium und der berechtigten Hoffnung auf den Besuch der wichtigen Stätten ein Unternehmen geworden, das den offenbar wieder aufkeimenden politischen Problemen zwischen dem türkischen Militär und der kurdischen PKK zum Opfer gefallen war.

      Wie sich herausstellte, war das kurdische »Festival«, das am Berg stattfand, eine Art Demonstration. Zunächst war die Versammlung türkischen Medien zufolge als Umweltschutzaktion gegen ein neues Kraftwerk und einen Staudamm ausgegeben worden – es gab dann aber auch recht deutliche Proklamationen für die Befreiung des seit 1999 inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan und für die Unabhängigkeit der Kurden. Trotz Sperrung aller Zufahrtswege durch das Militär trafen sich mehr als tausend Demonstranten. Für uns Forscher aus dem Ausland hatte dies zur Folge, dass unsere Anwesenheit in Sirnak nicht länger erwünscht war, da man »keine Verantwortung für unsere Sicherheit« gewährleisten konnte.

      Immerhin


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